Chirurgen verordnen sich Zertifikate
Die Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie sieht ihre Qualitätssicherungs-Zertifizierungen als strenges Auswahlkriterium. Elf Prozent der Antragsteller hat sie bislang zurückgewiesen. 230 Kliniken haben das Zertifikat erhalten.
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Ein OP-Team kuriert einen Leistenbruch. Die Zertifizierer der DGAV haben hohe Ansprüche an Prozess- und Ergebnisqualität.
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BERLIN. Vor vier Jahren hat die Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) ein Zertifizierungsprogramm aufgesetzt, das nicht auf Mindestmengen setzt, sondern sich an der Prozess- und Ergebnisqualität orientiert. Am Mittwoch haben die Verantwortlichen eine positive Zwischenbilanz gezogen.
Um der Versorgungsrealität in Deutschland Rechnung zu tragen, hat man sich bei der DGAV ganz bewusst gegen ein Zertifizierungsprogramm entschieden, das über Mindestmengen eine Zentrenbildung forciert.
"Wir sind heute durchaus in der Lage, Ergebnisqualität zu messen und dem Patienten so auch ohne Zentralisierung Anhaltspunkte über die Versorgungsqualität zu geben", sagte DGAV-Präsident Professor Dr. Michael Betzler vom Alfried Krupp Krankenhaus in Essen.
Das Zertifizierungsprogramm der DGAV berücksichtigt deswegen zusätzlich zu einigen formalen Faktoren wie etwa bestimmten ISO-Zertifizierungen und einer Mindestanzahl von Viszeralchirurgen pro Einrichtung eine ganze Reihe harter medizinischer Endpunkte.
Hosen runter nach drei Jahren
So werden beispielsweise für klar umschriebene chirurgische Bereiche wie etwa die Rektumchirurgie Grenzwerte für Komplikationsraten oder Anastomosen-Heilungsstörungen definiert.
In der ersten Zertifizierungsrunde werden die Strukturen und Prozesse der Kliniken überprüft. Basis ist hier die DIN ISO 17021, deren Einhaltung Auditoren der Servicegesellschaft der DGAV vor Ort überprüfen.
"Bei der Rezertifizierung nach drei Jahren müssen die Kliniken dann die Hosen runterlassen und ihre Ergebnisqualität anhand von Daten der letzten drei Jahre konkret nachweisen", sagte Betzler am Mittwoch in Berlin.
Der DGAV-Präsident berichtete, dass mittlerweile Zertifikate an 230 chirurgische Kliniken vergeben werden konnten. Selbstläufer sind die Anträge darauf nicht.
Elf Prozent abgelehnt
Immerhin elf Prozent der Anträge mussten in den vergangenen Jahren abgelehnt werden, weil die jeweiligen Einrichtungen die Prozess- und Strukturanforderungen nicht erfüllten.
Derzeit laufen außerdem die ersten Rezertifizierungsrunden. Und hier zeigt sich, dass auch die Grenzwerte für die Parameter der Ergebnisqualität, die die DGAV festgelegt hat, echte Hürden sind.
"Wir haben bereits Rezertifizierungen abgelehnt, weil die Anforderungen nicht erfüllt wurden", erläuterte Betzler. Dabei reiche es schon aus, einen relevanten Parameter nicht zu erreichen, um das Zertifikat zu verlieren.
Zertifikate sollen keine Luftnummer sein
Betzler betonte, dass die DGAV die Zertifizierungskriterien streng auslege, damit das Zertifikat keine Luftnummer werde. "Zentrum kann sich heute jeder nennen. Das ist kein geschützter Begriff. Ein DGAV-Zertifikat bekommt nicht jeder."
Um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass chirurgische Einrichtungen unterschiedliche Patientenkollektive behandeln, orientieren sich die Grenzwerte am Case-Mix-Index.
Häuser, die einen hohen Anteil komplizierter Patienten haben, sollen es nicht nur deswegen schwerer haben, zertifiziert zu werden. Hausärzten und zuweisenden Fachärzten legte Betzler nahe, die DGAV-Zertifikate bei ihren Einweisungen zu berücksichtigen.
www.dgav.de/zertifizierung.html
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