PKV

Continentale geißelt Pflege-Bahr

Die Continentale lässt kein gutes Haar am Pflege-Bahr. Er zeige ein Grundproblem der PKV.

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"Pflege darum kümmern wir uns." Daniel Bahr vor zwei Jahren zum Auftakt seiner Pflegekampagne.

"Pflege darum kümmern wir uns." Daniel Bahr vor zwei Jahren zum Auftakt seiner Pflegekampagne.

© Rainer Jensen / dpa

DORTMUND. Die Continentale Krankenversicherung betrachtet manche Neuentwicklung in der privaten Krankenversicherung mit Skepsis. Die staatlich geförderten Pflegezusatzversicherungen oder eine Annahmegarantie für Angestellte passen nach Einschätzung des Vorstands nicht zu den Prinzipien der PKV.

Deshalb will sich der Dortmunder Versicherer solchen Trends nach Möglichkeit verweigern. Mit den geförderten Pflege-Policen ("Pflege-Bahr") will der Gesetzgeber die Bevölkerung zur ergänzenden privaten Eigenvorsorge in der Pflegeversicherung motivieren.

Dabei müssen die Anbieter der Policen auf Gesundheitsprüfungen und Risikozuschläge verzichten. "Wir haben unsere Kollektive zu schützen, da passt der Pflege-Bahr ohne Selektionsmöglichkeiten nicht rein", sagt der Vorstandsvorsitzende des Continentale Verbundes Helmut Posch.

PKV - Teil der Sozialpolitik?

"Wir haben Schwierigkeiten uns vorzustellen, dass der Pflege-Bahr versicherungstechnisch nachhaltig kalkuliert ist", ergänzt Vorstand Dr. Christoph Helmich.

Die Continentale hat sich gegen die geförderten Policen entschieden und werde stattdessen mit einer neuen Pflegetagegeldpolice auf den Markt kommen, kündigt Helmich an. "Wir fühlen uns insgesamt wohler mit unserem Geschäftsmodell, von dem wir wissen, dass die Personen risikogerecht tarifiert werden."

Der Pflege-Bahr mit Annahmezwang und Verzicht auf Risikozuschläge ist nach Einschätzung von Posch bezeichnend für ein Grundproblem der PKV: "Man sieht uns immer mehr als Teil der Sozialpolitik." Dem könne sich die Continentale nicht ganz verschließen, sie sei aber nicht glücklich damit. "Wir glauben nicht, dass es zum Guten derer ist, die sich für die PKV entscheiden."

Das gelte auch für die vom Branchenführer Debeka und anderen Unternehmen angebotene sechsmonatige Aufnahmegarantie für Angestellte, die erstmals mehr als die Versicherungspflichtgrenze verdienen. Bei diesen Anbietern muss diese Kundengruppe einen Risikozuschlag von maximal 30 Prozent bezahlen, auch wenn sie in der PKV-Logik aufgrund von Vorerkrankungen als unversicherbar gelten.

"Rosinenpickerei" entkräften

Die Versicherer wollen damit den immer wieder gegen die PKV erhobenen Vorwurf der Rosinenpickerei entkräften. Mit den Versicherungsprinzipien hat das wenig zu tun, findet Posch. "Wir würden dem Kollektiv damit nichts Gutes tun, wir werden diesen Weg nicht mitgehen."

Die Prämieneinnahmen der Continentale Krankenversicherung stiegen im vergangenen Jahr um 0,4 Prozent auf 1,6 Milliarden Euro. Das Unternehmen legte netto um mehr als 1700 Vollversicherte auf 394.000 zu, während die Branche insgesamt einen Rückgang um 66.000 hinnehmen musste.

Auch Anfang des Jahres sei das Segment weiter gewachsen, sagt Posch. "Wir glauben, dass wir 2014 wieder ein leichtes Plus schaffen." In der Zusatzversicherung verzeichnete das Unternehmen 2013 einen Rückgang um rund 9000 Kunden auf 870.000.

Bei den Leistungsausgaben gab es einen Anstieg um zwei Prozent auf 1,1 Milliarden Euro. Sie haben sich auf einem hohen Niveau stabilisiert, sagt Posch. "Im ambulanten und im stationären Bereich ist der Gebührenrahmen ausgereizt." Bei den zahnärztlichen Behandlungen, für die es eine neue Gebührenordnung gibt, entwickelten sich die Ausgaben dagegen dynamisch. (iss)

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 10.06.201409:16 Uhr

"Pflege-Pfusch" mit "Pflege-Bahr"

Noch vor dem Ausscheiden der FDP nach dem Aus bei der letzten Bundestagswahl und dem Koalitionswechsel zur GROKO versuchte die damalige Bundesregierung mit Desinformation Verwirrung zu stiften. Unsere Bundeskanzlerin Frau Dr. Angela Merkel (CDU) hatte bereits am 10.9.2013, also noch vor der Bundestagswahl, auf h ö h e r e Beiträge für die Pflegeversicherung eingestimmt: "Die Pflegeversicherung etwa müssen wir immer wieder verbessern und dem Bedarf anpassen" sagte sie der „SUPER-Illu“.

Es war einfach nur peinlich, dass der FDP-Gesundheitsminister Daniel Bahr damals versuchte, mit lächerlichen fünf Euro monatlich als staatlichem Zuschuss eine Privatversicherungswirtschaft aufzupäppeln, um absehbare Pflege-Versicherungslücken ausgerechnet durch private Policen schließen zu wollen. Denn selbst in der CDU/CSU-Fraktion reift nunmehr die Pflegenotstand-Erkenntnis.

In hochpreisige private Policen sollen Bürger Geld einschießen, um am Sankt-Nimmerleinstag bei Pflegestufe 3 im Stadium von Hilflosigkeit und Teilhabeverlust ein dann nutzloses privates Zusatzentgeld zu bekommen? Stiftung Warentest und Verbraucherverbände kritisieren den "Pflege-Bahr" zu Recht als "Pflege-Pfusch". Diese "Schöne, Neue Pflegewelt", von der privaten Versicherungswirtschaft und Schwarz-Gelb damals ausgeheckt, ist bis heute eine trügerische Illusion.

Fünf Euro monatlich oder 60 Euro pro Jahr Staatszuschuss wären angesichts der Leistungen aus der G e s e t z l i c h e n Pflegeversicherung in Abhängigkeit von Pflegestufe I-III von 450 EUR Stufe 1 / 1.100 EUR Stufe 2 / 1.550 EUR Stufe 3 monatlich bei Direktzahlung ein lächerlicher "Tropfen auf den heißen Stein". Der umständliche Umweg von 5 Euro als Zuschuss für eine private Pflegezusatzversicherung ist noch absurder: Dieser Beitragsanteil finanziert noch nicht mal Kontrahierungs- und Verwaltungskosten der Versicherungskonzerne, geschweige denn i r g e n d e i n e Versicherungsleistung.

Da die Pflegestufe III restriktiv nur bei terminal Kranken zugestanden wird, schließt sich der Kreis: Der Versicherungsfall darf und soll möglichst nie eintreten, damit sich die Versicherungswirtschaft gesund stoßen kann. Jetzt offenbart der Vorstandsvorsitzende des Continentale Verbundes Helmut Posch Einblicke in Motivation, Kalkulation und Versicherungsmathematik der Versicherungswirtschaft. Auch beim Abschluss von Pflege-Policen will man auf Gesundheitsprüfungen und Risikozuschläge n i c h t verzichten.

Auch die "Continentale" will ihre Risiko-"Selektionsmöglichkeiten" nicht aufgeben. Denn den Pflege-Bahr sieht Vorstandsvorsitzender H. Posch mit Annahmezwang und Verzicht auf Risikozuschläge eher "als Teil der Sozialpolitik" und damit Sozialismus-verdächtig gegen privatwirtschaftliche Kapital-Verwertungsinteressen gerichtet. Gleichzeitig möchte die PKV insgesamt den Vorwurf der Rosinenpickerei entkräften, täte damit aber "dem (privat versicherten) Kollektiv damit nichts Gutes", so H. Posch.

Diese Quadratur des Kreises aufzulösen, ist nicht ganz leicht. Aber nicht nur die Continentale, auch die anderen PKV-Konzerne gehen immer mehr dazu über, in ihrem Selbstverständnis gar nicht mehr Versicherungen i. e. S. zu sein, sondern Risikogesellschaften o h n e eigenes unternehmerisches Risiko, die ihre Leistungsproblematik über Prämienerhöhungen auf ihre Versicherungskunden umverteilen und abwälzen.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund


Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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