Der Kampf um Kodierrichtlinien geht weiter

Welche Folgen hätte ein Ausstieg der Ärzte aus den Ambulanten Kodierrichtlinien? In einem Schreiben an die KVVorstände informiert KBV-Chef Dr. Andreas Köhler über seine Sicht der Dinge.

Hauke GerlofVon Hauke Gerlof und Kerstin MitternachtKerstin Mitternacht Veröffentlicht:
Einige Regeln der Kodierrichtlinien sind noch einmal überarbeitet worden.

Einige Regeln der Kodierrichtlinien sind noch einmal überarbeitet worden.

© Miqul / fotolia.com

BERLIN. Es ist ein Versuch, die Debatte über die Ambulanten Kodierrichtlinien zu versachlichen. Vom politischen Wortgeklingel in den Vertreterversammlungen der KVen, die zuletzt reihenweise gegen die AKR gestimmt haben, wieder zum Austausch von Argumenten zu kommen.

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Schreiben des KBV-Chefs Dr. Andreas Köhler an die KV-Vorstände zu den AKR

"Im Blickpunkt: Ambulante Kodierrichtlinien - eine Information des Vorstandes der KBV" steht über dem Schreiben von KBV-Chef Dr. Andreas Köhler an die KV-Vorstände. Es ist eine nüchterne Bestandsaufnahme, die Köhler an die Kollegen in den KVen geschickt hat, eine Entscheidungshilfe, die natürlich nicht neutral ist, aber in der Quintessenz keinen expliziten Appell für die AKR enthält.

Köhler bittet vielmehr bei allen "immer noch bestehenden Schwächen der Ambulanten Kodierrichtlinien" darum, "die genannten Argumente sorgfältig zu prüfen und in der weiteren Diskussion über das Für und Wider der AKR-Einführung zu berücksichtigen."

Köhler erinnert zunächst daran, dass die Einführung der AKR gesetzlich vorgeschrieben ist (Paragraf 295 Absatz 3 SGB V). Und selbst Ende 2010 seien auf der KBV-Vertreterversammlung Anträge, die ein Aussetzen der AKR gefordert haben, von der Mehrheit abgelehnt worden.

Es wurde aber ein Beschluss gefasst, dass die Kodierrichtlinien noch einmal überarbeitet werden. Dies sei jetzt auch zum größten Teil geschehen, so Köhler. So enthielten die AKR Version 2011 bereits Korrekturen, die sich aus dem Test in Bayern ergeben haben. Einzelne Kodierrichtlinien mit missverständlichen Ausführungen, etwa die A07 zu Behandlungsdiagnosen in besonderen Situationen, seien angepasst worden.

Auch der Anforderungskatalog für die Praxis-EDV-Unternehmen wurde noch einmal überarbeitet.So wurde zum Beispiel ein Ein- und Ausschalter für Kodierrichtlinien in der Praxisverwaltungssoftware eingebaut. Eine Lösung sei auch für die Besonderheiten der hausärztlichen Versorgung in Arbeit, schreibt Köhler weiter.

So sei das Zentralinstitut der KBV dabei, einen Katalog mit den für die hausärztliche Versorgung relevanten Schlüsselnummern zu erstellen. Dieser soll noch in der ersten Februarhälfte abgeschlossen sein. Anschließend sollen die Hausärzte, die am AKR-Praxistest in Bayern teilgenommen haben, die neue Lösung bekommen und einem Praxistest unterziehen.

Auch andere interessierte Ärzte, KVen und Berufsverbände können an dem Test teilnehmen. Nach einer weiteren Anpassung soll die Lösung dann ab dem III/2011 den Hausärzten zur Verfügung stehen.

Als mögliche Konsequenz eines weiteren Aufschubs oder gar eines Aussetzens der AKR führt Köhler zu erwartende Nachteile bei der Vergütung für Ärzte an. So sieht Köhler ein "hohes Risiko, dass die Mittelverteilung zwischen den Versorgungssektoren zu Lasten der ambulanten Versorgung nachhaltig beeinträchtigt wird".

Außerdem steige die Gefahr, dass sich die Krankenkassen durchsetzen und die morbiditätsbedingte Veränderungsrate beim Honorar nicht diagnosebezogen, sondern demografiebezogen bemessen werde. Das Honorar könnte sehr viel langsamer wachsen, wenn die Ärzte ihre Diagnosen nicht genau belegten.

Die diagnosenbezogene Veränderungsrate liege derzeit bei 2,5 bis drei Prozent, so Köhler, die demografiebezogene Veränderungsrate jedoch nur bei einem Prozent. Mit anderen Worten:

Schreiben des KBV-Chefs Köhler zu den AKR als PDF: Auf aerztezeitung.de in die Suchfunktion 640684 eingeben.

Nicht zuletzt könnte auch der Gesetzgeber reagieren, beschreibt der KBV-Chef eine weitere mögliche Konsequenz. Immerhin sei auch in der Begründung zum GKV-Finanzierungsgesetz schon aufgeführt worden, dass "die Qualität der Diagnosendokumentation in den vertragsärztlichen Abrechnungen noch verbesserungsfähig ist".

Ursprünglich war die Einführung der AKR schon für Mitte 2009 vorgesehen.

Lesen Sie dazu auch: KBV reagiert auf Widerstand gegen Kodierrichtlinien Viele Unterschriften für Petition gegen die Kodierrichtlinien Der Kampf um Kodierrichtlinien geht weiter

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Kommentare
Dr. Uwe Wolfgang Popert 14.02.201113:22 Uhr

Weitere grundlegende AKR Verbesserungen nötig

Sehr erfreulich ist, dass die KBV sich in dem Schreiben deutlich bewegt. Erstmals wird ein realistischer Ersatztermin für die AKR-Scharfschaltung benannt (1.1.2012). Das wird für strukturelle Verbesserungen und die Implementierung in die Praxis-EDV-Systeme sowie die ersten Praxistests mit der ICPC-2-Kodierung ohnehin knapp.
Anscheinend ist die Erarbeitung der Diagnosen-Kurzliste nach ICPC-2 deutlich vorangeschritten.
Aber für eine wirklich praktikable Umsetzbarkeit müssen weitere grundlegende Änderungen erfolgen, z.B.:
1. Anamnestische Diagnosen erhalten. Die AKR-Vorgabe: "Auch sind Diagnosen als Behandlungsdiagnosen im Sinne der AKR zu werten, die Einfluss nehmen auf die Behandlung anderer Erkrankungen des jeweiligen Patienten" ist zumindest im hausärztlichen Bereich nicht realistisch. Eine inaktive Psoriasis ist bei der Auswahl von Antihypertensiva wichtig, ein Asthma bei der Auswahl von Schmerzmitteln. Gibt es bei Hausärzten überhaupt inaktive bzw. „anamnestische“ Diagnosen? Und – wären nicht selbst rein anamnestische Diagnosen in Zukunft wichtig? In jahrelanger Arbeit haben viele Praxen so die wertvolle Krankheitsgeschichte dokumentiert – und genau diese Daten brauchen wir in naher Zukunft für den Notfalldatensatz. Was täte ein pfiffiger Bürokrat? Er würde „nur“ ein zusätzliches Zeitfeld für Dauerdiagnosen einführen – so wären sie nicht verloren, müssten nicht mehr aktiviert werden und wären trotzdem –optional- als vergangene Episode zu erkennen.
2. Verzicht auf Doppelverschlüsselungen: Kombidiagnosen wie „Diabetes“ plus „Nephritis“ könnte man direkt in die Definition der HMG hineinzuschreiben – ohne Umwege. Dann bräuchte man nur noch vier Diabetes-Diagnosen (Typ 1, Typ 2 mit und ohne Entgleisung) statt 140, müsste nicht hin-und herkodieren und hätte mehr Zeit für Patienten. Und die Kasse freute sich noch mehr, denn dann würden weniger Diagnosen vergessen.
3. Kurze Diagnosenliste (ICPC-2) in die Praxis-EDVen implementieren. Die speziell auf hausärztliche Verhältnisse zugeschnittene ICPC-2-Klassifikation kennt nur etwa 700-800 Diagnosen. Würde man diese konsequent umsetzen, wäre man etwa um den Faktor 40 genauer als bisher. Und trotzdem schneller. Übrigens wäre diese Liste auch geeignet für die Verwendung für Spezialisten außerhalb Ihres Kern- Bereiches und im Notdienst.
4. Umdefinition der gesicherten Diagnosen bei einem Behandlungsfall. Auch gerade im Sinne des Schutzes von Patienten vor Versicherungsproblemen ist eine stärkere Betonung von symptomorientierten Kodierungen zu fordern.
5. Nach den eigenen Worten von Dr. Köhler ist eine umfassende Erprobung und Kosten-Nutzen-Evaluation vor der Einführung neuer Bürokratie nötig.
Eine evidenzbasierte Bürokratie - ein gutes Ziel!

Dr. Thomas Georg Schätzler 14.02.201107:34 Uhr

"Mehr Netto vom Brutto" durch die "Ambulanten Kodierrichtlinien"?

Herr Kollege Dr. med. Andreas Köhler, auch als Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung glauben Ihnen die Vertragsärzte/-innen nicht mehr Alles. Die "Ambulanten Kodierrichtlinien (AKR) könnte(n) für die Vertragsärzte massive Auswirkungen auf zukünftige Honorarsteigerungen" haben, sagen Sie?

Ich bin seit 1992 als Hausarzt mit Leib und Seele niedergelassen. Von Honorarsteigerungen habe ich vor und nach dem EBM 2000 weder von Ihnen noch von Ihrem Vorgänger effektive ("mehr Netto vom Brutto") hausärztliche Verbesserungen gesehen. Mit Ihren weiteren Reformen ging es wie der Meute beim Hunderennen, die vergeblich dem Wurstzipfel nachjagen muss. "Die Kodierrichtlinien seien vom Gesetzgeber verpflichtend eingeführt", behaupten Sie? Ja, warum haben Sie sich denn nicht dagegen gestellt, sondern, wie so oft, willfährig Vollzug gemeldet.

Es gibt doch eine ganze Kette von Vorleistungen wie Pauschalierung, Budgetierung, Praxisgebühr-Inkasso, e-card, elektronischer Arztausweis etc., die wir Vertragsärzte bisher erbringen und auf unseren Unkosten sitzen bleiben durften. Vom Chaos mit Rabattverträgen und massenweise Praxisrückfragen, Qualitätssicherungsaufwand, Fortbildungspflicht mit Barcode-Stigmatisierung ganz zu schweigen.

Nein, ich bleibe dabei: Es ist unsere einzige Möglichkeit, der überbordenden Bürokratie Einhalt zu gebieten, in dem wir g e g e n die AKR votieren. Und die Online-Petition im Deutschen Bundestag demokratisch nutzen. Bei epetitionen.bundestag anmelden, registrieren lassen, Passwort eingeben und gegen die AKR, dem Lieblingsprojekt der KBV ("Könner Beten Vor") die Online-Petition im Deutschen Bundestag mitzeichnen

https://epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition;sa=details;petition=15520

oder

http://bit.ly/ebTs0N

Mit freundlichen, kollegialen Grüßen, Ihr Thomas G. Schätzler, FAfAM DO

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