E-Health

E-Arztbrief besteht den Praxistest

Ein Jahr lang hat die KV Telematik GmbH Ärzte den E-Arztbrief testen lassen. 26 Netze haben sich beteiligt, dabei wurden über 120.000 elektronische Briefe verschickt. Das System läuft, sagen KVTG-Geschäftsführer Dr. Florian Fuhrmann und der Vorstandsvorsitzende der Agentur deutscher Arztnetze, Dr. Veit Wambach. Was noch fehlt, sind Anreizsysteme für Kliniken.

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:
Der schnelle Datenaustausch via E-Arztbrief wird derzeit nur in den Praxen finanziell gefördert.

Der schnelle Datenaustausch via E-Arztbrief wird derzeit nur in den Praxen finanziell gefördert.

© psdesign1 / fotolia.com

Ärzte Zeitung: Ein Jahr lang – von November 2015 bis Ende 2016 – lief der große Feldtest. 26 Arztnetze waren beteiligt. Wenn Sie eine erste Zwischenbilanz ziehen: Wie zufrieden sind die Ärzte mit dem E-Arztbrief via KV-Connect?

Dr. Veit Wambach:In unserem Nürnberger Arztnetz QuE nehmen – auch nach der Testphase – 95 Prozent der Ärzte am E-Arztbrief via KV-Connect teil. Während des Feldtests haben wir innerhalb des Netzes über 10.000 Arztbriefe elektronisch verschickt. Auf meine eigene Praxis bezogen läuft es inzwischen so, dass ich täglich sechs bis zehn E-Arztbriefe erhalte. Diese sind natürlich – das muss man klar sagen – in wesentlich besserer Qualität, als wenn ich sie über Fax erhalte. Viele Internisten etwa schicken mir ihre Koloskopie-Bilder noch immer per Fax, die kommen dann in schwarz-weiß bei mir an und sind dementsprechend kaum mehr zu erkennen. Via E-Arztbrief habe ich sie zudem schneller und auf einem Datenschutzniveau, wie ich es beim Fax nicht habe.

Dr. Florian Fuhrmann

- Seit 2014 Geschäftsführer der KV Telematik GmbH (KVTG), einem Tochterunternehmen der KBV. Die KVTG entwickelt Telematik-Anwendungen für den direkten Datenaustausch in der ambulanten Versorgung und deren Schnittstellen zu Kliniken.

- Er begann seine akademische Laufbahn an der Universität Erlangen-Nürnberg. Als Stipendiat des DAAD absolvierte er sein Masterstudium in Volkswirtschaft in den USA und erwarb ein Diplom in Betriebswirtschaft in Deutschland.

- Seit mehr als 13 Jahren arbeitet Dr. Fuhrmann bereits im Gesundheitswesen, vor allem in den Bereichen E-Health, Telematik, Managed Care, Pharma sowie ambulante und stationäre Versorgung.

Dr. Veit Wambach

- Vorstandsvorsitzender der Agentur deutscher Arztnetze e.V. sowie des Nürnberger Gesundheitsnetzes Qualität und Effizienz (QuE), in dem 126 Haus- und Fachärzte vernetzt sind

- stellv. Bundesvorsitzender des NAV-Virchowbundes

- Seit 30 Jahren als Facharzt für Allgemeinmedizin in Nürnberg niedergelassen

Dr. Florian Fuhrmann: Gerade der Datenschutz ist ja auch der Grund, warum man den Ende-zu-Ende-verschlüsselten Kanal KV-Connect entwickelt hat und den Ärzten zur Verfügung stellt.

Der Test ist tatsächlich im QuE besonders gut gelaufen. Das hat etwas damit zu tun, dass es sich hier um ein sehr professionelles Netz handelt, in dem so ein Projekt an vielen Stellen andocken kann. Wir haben auch andere Netze, in denen es sehr gut funktioniert hat. Es gibt aber eben auch Netze, in denen der Test nicht oberste Priorität hatte: Da hat man gedacht, man macht das mal so mit. Hier gab es dann ein paar mehr Probleme. Eine weitere Komponente sind die Vertriebs- und Servicepartner: Es ist von Region zu Region unterschiedlich, wie tief die Servicepartner in dem Thema E-Arztbrief drin sind. Das wirkt sich dann durchaus auf den Installationsprozess aus. Insgesamt haben wir über 120.000 E-Arztbriefe verschickt. Alleine im März waren es 16.000 E-Arztbriefe, 30 Prozent mehr als im Vormonat. Das ist mehr als ein proof of concept.

Wie lange dauert denn im Schnitt die Installation von KV-Connect?

Fuhrmann: Das kommt darauf an, ob der Servicepartner dafür in die Praxis kommen muss, oder ob eine Fernwartung möglich ist. Es ist aber auch von PVS (Anm. d. Red.: Praxisverwaltungssystem) zu PVS unterschiedlich, wie lange so etwas dauert. Aber letztendlich sind es ja Module im PVS, die freigeschaltet werden, das ist kein großer Aufwand.

Wambach:Bei mir in der Praxis hat es tatsächlich nur zehn Minuten gedauert. Mein Anbieter verlangt auch keine Zusatzgebühren für die Installation und Nutzung des KV-Connect-Moduls. Das ist leider nicht bei allen PVS-Anbietern so.

Fuhrmann: Umgesetzt und bei uns auditiert haben den E-Arztbrief etwa 85 Prozent des PVS-Marktes. Ob Gebühren erhoben werden oder nicht, ist sehr unterschiedlich. Darauf haben wir als KV Telematik GmbH und auch die KBV keinen Einfluss.

Der E-Arztbrief soll auch die sektorenübergreifende Kommunikation vorantreiben. Wie sieht es aus, beteiligen sich die Kliniken bereits am E-Arztbrief?

Wambach: In QuE haben wir bislang keine Kliniken dabei – obgleich wir uns das wünschen würden. Das Andocken an die Krankenhausinformationssysteme (KIS) scheint aber sehr schwierig zu sein. Bei den MVZ ist das anders, weil diese ja mit klassischer Praxissoftware arbeiten.

Fuhrmann: Eine Erfahrung, die wir auch bei der KVTG gemacht haben. Wir haben bislang zwei KIS, die von uns auditiert sind. Die Ärzte wollen aber durchaus mit den Kliniken kommunizieren. Hier könnte das Entlassmanagement noch einmal einen Schub bringen: Wenn der Brief am Tage der Entlassung beim Arzt sein soll, was habe ich dann für eine andere Möglichkeit, als ihn elektronisch zu versenden? Die Post wird ihn nicht am selben Tag liefern und faxen ist nicht wirklich sicher.

Persönlich enttäuscht hat mich, dass die Förderung des Entlassbriefes, die wir im Referentenentwurf des E-Health-Gesetzes noch stehen hatten, letztlich gestrichen wurde. Die Kliniken sollten ja einen Euro für die tagesgleiche Übermittlung und der niedergelassene Arzt als Empfänger 50 Cent erhalten. Ich bin mir sicher, dass solche Projekte am besten über Multiplikatoren funktionieren. Deshalb sind wir ja auf die Agentur deutscher Arztnetze zugegangen. – Denn der Multiplikator, bei dem vernetzte Versorgung schon gelebt wird, sind meist die Arztnetze und die Krankenhäuser. Aber als den Kliniken dieses "Geschäftsmodell" weggefallen ist, sind uns auch viele KIS-Anbieter abgesprungen.

Bleiben wir beim Stichwort Förderung: Wie bewerten Sie die Pauschale von 55 Cent je E-Arztbrief, die sich Sender und Empfänger sozusagen teilen müssen? Aus Arztsicht, aber auch aus Sicht der KVTG? Bringt die Förderung etwas oder ist sie eher ein Hindernis für den E-Arztbrief?

Wambach: Die KV Bayerns hat ja schon das KV SafeNet sehr stark gefördert. So dass ich sagen würde, dass zumindest hier in Bayern die Förderung vorbildlich gewesen ist. Mit der nun zusätzlichen Förderung aus dem EBM müsste eigentlich jeder gut zurechtkommen, wenn man sieht, welche Vorteile der E-Arztbrief de facto bringt. Meine persönliche Meinung: Die Vorteile sind so groß, dass die zusätzliche Förderung tatsächlich dazu führen sollte, dass möglichst viele möglichst rasch den E-Arztbrief einführen. Der große Vorteil der Einzelleistungsvergütung ist ja auch, dass Dinge, die nicht so gut laufen, vorankommen. Das Problem an der Stelle ist, dass die Anreizsysteme aus der Historie den jetzigen Zielrichtungen ein bisschen entgegenstehen.

Fuhrmann:Wir sind ja nur Provider. Ich finde es aber nicht so ganz glücklich, dass man mit den 55 Cent das gleiche gibt, was man auch für das Fax bekommt, welches man ja versucht, abzulösen. Dass beide Seiten – Sender und Empfänger – etwas bekommen, ist durchaus eine sinnvolle Idee gewesen, denn beide müssen mit dem VPN-Zugang und KV-Connect eine gewisse Technik vorhalten. Aber von den Ärzten bekommen wir oft die Rückmeldung: Wenn ich ein Fax versende, bekomme ich 55 Cent; wenn ich einen E-Arztbrief versende, 28 Cent.

Noch einmal, es wäre sinnvoll gewesen, hier den Entlassbrief in der Förderung zu lassen. Damit wären der E-Arztbrief und auch der elektronische Heilberufeausweis (eHBA) sehr viel schneller in die Breite gekommen.

Wambach: Das wär ideal gewesen, gerade in der Frage, welche Anreize gibt es denn für die Krankenhäuser, hier in direkten Kontakt mit den Niedergelassenen zu kommen.

Sie haben viel mit den Softwarehäusern zusammengearbeitet, um den E-Arztbrief über KV-Connect in die Breite zu bringen. Nun hört man ja immer, dass es so schwierig ist, über Systemgrenzen hinweg zu kommunizieren. Stimmt das?

Fuhrmann: Bezogen auf KV-Connect und den Arztbrief kann ich sagen, dass die Software-Industrie absolut partnerschaftlich und intensiv mit uns zusammengearbeitet hat.

Wir haben ja letztlich als Basis für unseren Arztbrief den vhitg-Standard genutzt, der aus der Software-Industrie kommt. Diesen haben wir weiterentwickelt und gemeinsam mit Verbänden und Industrie konsentiert. Dass 85 Prozent des Marktes unseren E-Arztbrief umgesetzt haben, ohne dass sie es mussten, zeigt schon, dass es sehr gut funktioniert hat. Zusätzlich haben wir zusammen mit den Anbietern einen Interoperabilitäts-Workshop durchgeführt, wo wir wirklich solange die Briefe hin und her geschickt haben, bis er von jedem System gesendet und empfangen werden konnte.

Die politischen Diskussionen um die fehlende Interoperabilität zielen auch eher auf Modul-Schnittstellen und die Kosten dafür, hier geht es weniger um den sicheren Kommunikationskanal. Und da muss die Vorgabe von der Politik kommen. Man kann nicht von einzelnen Softwarehäusern erwarten, dass sie Schnittstellen öffnen, und die anderen machen es dann eben nicht. Die Lanzen müssen im Markt für alle gleich lang sein.

Wie ist es mit der Stapelsignatur: Funktioniert sie wirklich und wie viele E-Briefe lassen sich auf einmal signieren?

Wambach: Ich bin ja schon froh, wenn es überhaupt funktioniert. Ich habe meine Karte und draußen mein Lesegerät und ich kann signieren. Das ist es.

Fuhrmann: Wir haben den Feldtest mit den Arztnetzen konzipiert, bevor das E-Health-Gesetz in Kraft war. Die Signaturregelung für die Förderung ab Januar 2017 kam ja auch erst kurz vor Verabschiedung des Gesetzes rein. Für ein erfolgreiches KVTG-Audit setzen wir schon immer die elektronische Signatur im Softwaresystem voraus. Im Feldtest war die Signatur für die Teilnehmer allerdings nicht verpflichtend. Wir wollten diese zusätzliche Hürde für Ärzte nicht in den Test einbauen. Die Ärztekammern sind nach wie vor in der Pflicht, den eHBA auszurollen.

Wambach: Die Akzeptanz der Kolleginnen und Kollegen für den elektronischen Arztausweis ist sicher noch nicht so, wie die Kammern es gerne hätten.

Und wie sieht es mit der Akzeptanz des E-Arztbriefes bei den Netzärzten aus? Auch über den Feldtest hinaus?

Wambach: In den Netzen ist der E-Arztbrief sehr gut aufgenommen worden. Aber auch bei der AdA hatten wir Rückmeldungen, dass einzelne Ärzte die Tatsache, dass es PVS-Anbieter gibt, die doch relativ viel Geld für die Anwendung verlangt haben, dies als negativ gesehen haben. Ohne diese verhindernde Marktpolitik wäre der E-Arztbrief sicherlich noch breiter im Praxisalltag verankert.

Und wenn man eine Schulnote für die Zufriedenheit vergeben würde?

Wambach: Auch in Netzen sind ja viele Meinungen vertreten. Deshalb gibt es nicht die eine Note, sondern nur die Gaußsche-Verteilungskurve – und die ist bei uns relativ weit zu den Bestnoten hin verschoben. Insgesamt ist es für uns ein wichtiger Schritt. Die Agentur deutscher Arztnetze sieht ja im KV-System ein stützens- und erhaltenswertes System. Gerade auch in der Frage, wie kann denn das KV-System in Zukunft bestehen, sind auch der E-Arztbrief und KV-SafeNet in einem komplexer werdenden Markt wichtige Bestandteile, um eine flächendeckende Versorgung von Menschen sicherzustellen und den Ärzten technische Möglichkeiten zu bieten, im Bereich der Digitalisierung ein Stück weiter zu kommen.

Das BMG hat sich kürzlich eindeutig zu KV-Connect bekannt. Noch in diesem Jahr soll der Kommunikationskanal für die Telematikinfrastruktur (TI) zertifiziert werden. Das beinhaltet auch eine – zwar noch unkonkrete – aber eindeutige Finanzierungszusage für den E-Arztbrief. Wird sich KV-Connect damit eindeutig zum Standard für den E-Arztbrief etablieren? Und ist das eine Möglichkeit, bei der Förderung nachzubessern?

Fuhrmann: Die Zusage des BMG, dass KV-Connect auch in der TI gefördert wird, ist eine erfreuliche Bestätigung für die Arbeit der Softwareindustrie und des KV-Systems. Sie ist nicht nur eine Bestätigung für den Erfolg, sondern auch und gerade für die Art und Weise der Zusammenarbeit.

Allerdings kommt dieses Bekenntnis nicht völlig überraschend. Das Ende des Produktlebenszyklus des Faxes zur Versendung von Patientendaten ist spätestens mit der Einführung von Voice over IP erreicht. KV-Connect ist bundesweit am Markt und in allen PVS etabliert. Die Unterstützung von KV-Connect in der TI durch den Gesetzgeber wird bei Verbreitung der TI ein wichtiges Argument für die Ärzte sein, denen bisher neben dem Versichertenstammdatenmanagement die medizinischen Anwendungen fehlen. Eine entsprechende Vergütung für den E-Arztbrief dürfte daher das gemeinsame Interesse der Kassen und Ärzte sein.

Für den verschlüsselten Austausch medizinischer und organisatorischer Daten direkt aus dem PVS ist KV-Connect bereits heute der herstellerunabhängige Kommunikationsstandard. Diese Vereinheitlichung erfordert von den Softwarehäusern viel Engagement, für das ich mich an dieser Stelle ausdrücklich bedanke. Herzlichen Dank auch an die Agentur Deutscher Arztnetze, die Netze und natürlich an die vielen Ärzte, die sich dem Feldtest gegenüber konstruktiv und offen gezeigt haben und damit dem E-Arztbrief via KV-Connect den Weg in die Regelversorgung geebnet haben.

Was sind die nächsten Anwendungen, die Ärzte über KV-Connect erwarten können?

Fuhrmann: Wir haben ja schon eine Reihe von Anwendungen: die Dokumentationssysteme wie eDMP oder eDialyse, die Abrechnung mit den KVen …

Das große Thema in diesem Jahr wird der Labordatentransfer sein. Die Laborschnittstelle LDT 2.0 ist schon über 20 Jahre alt. Jetzt wo LDT 3.0 kommt und die digitalen Muster zugelassen sind, sind auch Beauftragungen und die Befundrückübermittlung über den elektronischen Weg möglich. Die Umstellphase auf LDT 3.0 läuft Ende dieses Jahres aus, so dass sich der Softwaremarkt in den nächsten zwei Quartalen entsprechend darauf einstellen wird. Die Labordatenkommunikation wird KV-Connect für viele Ärzte noch interessanter machen.

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