Datenschutz

E-Evidence-Verordnung: Ärzte sehen Patientendaten in Gefahr

Der Hartmannbund fordert Nachbesserungen an der geplanten E-Evidence-Verordnung der EU. Es geht um den Schutz der Patientendaten in der Praxis.

Von Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Leichter Zugriff auf Patientendaten für Ermittlungsbehörden anderer EU-Staaten? Das befürchten Ärzte mit der E-Evidence-Verordnung.

Leichter Zugriff auf Patientendaten für Ermittlungsbehörden anderer EU-Staaten? Das befürchten Ärzte mit der E-Evidence-Verordnung.

© maxsim / stock.adobe.com

Berlin/Brüssel. Lagern Arztpraxen Patientendaten in der Cloud aus, so könnten diese bald von dem betreffenden Cloudbetreiber auch ohne Zustimmung des Praxischefs an Ermittlungsbehörden aus anderen EU-Mitgliedstaaten übergeben werden – zumindest, wenn die am 6. Juli in Brüssel vom EU-Parlament bereits verabschiedete E-Evidence-Verordnung in ihrer jetzigen Form unverändert in Kraft treten sollte. Das befürchten viele Ärzteorganisationen europaweit. Denn: Anders als bei einer Richtlinie muss eine EU-Verordnung 1:1 in die nationale Gesetzgebung überführt werden und lässt keine Modifikation zu.

Nun appelliert der Hartmannbund an Politiker in Berlin und Brüssel, die Zeit bis zu der noch ausstehenden Zustimmung durch den Europäischen Rat zur „Verordnung über europäische Herausgabeanordnungen und Sicherungsanordnungen für elektronische Beweismittel in Strafsachen“ zu nutzen, „um notwendige Nachbesserungen umzusetzen und spezifische Regelungen in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten zu Berufsgeheimnissen und Berufsgeheimnisträgern angemessen zu berücksichtigen. Denn die Verordnung verletze nationale Rechtsnormen und gefährde das in Deutschland besonders geschützte ärztliche Berufsgeheimnis sowie die Vertraulichkeit des Arzt-Patienten-Verhältnisses. Das in Deutschland geltende und mit hohem Rechtsrang ausgestattete ärztliche Berufsgeheimnis dürfe nicht ausgehöhlt werden, fordert der Hartmannbund.

Nationale Regelungen außer Acht

„Auf der Grundlage dieser Verordnung dürfen Ermittlungsbehörden aller EU-Staaten in jeweils allen anderen EU-Staaten unmittelbar an Internetdienstleister, Cloud-Dienste und Telekommunikationsprovider herantreten und die Herausgabe von personenbezogenen Daten verlangen. Dabei bleiben Unterschiede in Hinblick auf nationalstaatliche Regelungen zu Berufsgeheimnissen wie etwa zur Vertraulichkeit des Arzt-Patienten-Verhältnisses und zur ärztlichen Schweigepflicht unberücksichtigt“, verdeutlicht Dr. Stefan Schröter, Stellvertretender Bundesvorsitzender des Hartmannbundes und Vorstandsmitglied der Landesärztekammer Nordrhein sowie des Verbandes Freier Berufe in NRW.

Dass nicht geregelt werde, dass Daten aus dem Berufsgeheimnis nicht verwertet werden dürfen, hat auch der Deutsche Anwaltverein vor drei Jahren bereits in einer Stellungnahme zum damaligen Beratungsverfahren über die E-Evidence-Verordnung moniert. „Da die Filtration dieser Daten weder dem Diensteanbieter noch dem benannten Vertreter zugetraut werden sollte, müsste zumindest mit technischen Mitteln sichergestellt werden, dass Ermittlungsbehörden beider Länder erkennen, dass es sich bei den Daten um solche von Berufsgeheimnisträgern handelt“, empfahl er damals in der DAV-Stellungnahme – bisher ungehört.

Bei der Herausgabe von personenbezogenen Daten an Ermittlungsbehörden aller EU-Staaten bleiben Unterschiede in Hinblick auf nationalstaatliche Regelungen zu Berufsgeheimnissen unberücksichtigt.

Dr. Stefan Schröter, Stellvertretender Bundesvorsitzender des Hartmannbundes

Der Knackpunkt: Deutsche Internet- und Telekommunikationsdienstleister müssten demnach selbst in solchen Fällen personenbezogene Daten an Ermittlungsbehörden anderer EU-Staaten herausgeben, in denen nach deutschem Recht, wie bei legaler Abruptio, gar keine Straftat vorliege. Den Internet-, Cloud- und Telekommunikationsunternehmen selbst bleibe es überlassen, entsprechende Datenanforderungen zu prüfen.

Der Hartmannbund stellt von der E-Evidence-Verordnung auch einen Konnex zur Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens her, die gerade im Zuge der Corona-Pandemie rasant an Fahrt aufgenommen hat. Ärzte könnten sich möglicherweise Sorgen um die Sicherheit der hochsensiblen digitalen Daten ihrer Patienten machen – und entsprechende Digitalisierungsbemühungen in der eigenen Praxis auf Eis legen.

Lesen sie auch
Jetzt abonnieren
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Ermessensspielraum eingeräumt

Lauterbach: Schutz des Kindes geht vor Befüllungspflicht der ePA

Kritische Stimmen zur ePA

Elektronische Patientenakte: Wo die Schwachstellen sind

Manifest zur ePA

Warum die elektronische Patientenakte nicht zu retten ist

Das könnte Sie auch interessieren
Salesforce hilft Kliniken, die Versorgungsqualität zu verbessern

© Salesforce Germany GmbH

Value Based Healthcare

Salesforce hilft Kliniken, die Versorgungsqualität zu verbessern

Kooperation | In Kooperation mit: Salesforce Germany GmbH
Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

© Janssen-Cilag GmbH

Video

Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Höhen- oder Sturzflug?

© oatawa / stock.adobe.com

Zukunft Gesundheitswesen

Höhen- oder Sturzflug?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

© MQ-Illustrations / stock.adobe.com

Digitalisierung

Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Carl Billmann, Leiter der Stabsstelle IT, Marketing & Kommunikation bei BillmaMED, Medizinstudent mit dem Berufsziel Dermatologe.

© Doctolib

Interview

„Am Empfang haben wir Stress rausgenommen“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Doctolib GmbH
Die Patientin tippt ihre Nachricht ins Smartphone, das Praxisteam antwortet direkt über
den Desktop. So sind Vereinbarungen über ein E-Rezept oder eine Befundmitteilung vom Facharzt schnell übermittelt.

© [M] Springer Medizin Verlag | Foto: A_B_C / stock.adobe .com

Digitale Patientenkommunikation

„Das Potenzial für die Zeitersparnis ist riesig“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Doctolib GmbH

Übersicht

Eine Agenda für Seltene Erkrankungen

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Verband forschender Pharma-Unternehmen (vfa)
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

FAQ zur „ePA für alle“

Die elektronische Patientenakte kommt: Das sollten Sie jetzt wissen

Erweiterte Verordnungsmöglichkeiten

Anwalt: Das sind die rechtlichen Konsequenzen des Statine-Beschlusses

Lesetipps
Ein Mann macht einen Herzbelastungstest.

© AH! Studio / stock.adobe.com

Abfall oder Anstieg?

Blutdruck am Belastungsende zeigt wohl kardiovaskuläres Risiko an