EU-Tabaksteuerrichtlinie

EU-weit höhere Steuern für E-Dampf und Erhitzer?

Die Tabaksteuer soll präventive Lenkungswirkung entfalten. In einer Anhörung des Bundestags-Finanzausschusses wurde am Montag klar, dass das in der Praxis nicht immer so wie gedacht funktioniert. Innovative Lösungen wie Erhitzer oder E-Zigaretten stellen auch die EU vor steuerliche Herausforderungen.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Wie sollen E-Zigaretten EU-weit besteuert werden? Führen sie tatsächlich zum Ausstieg aus der Raucherkarriere? Fragen über Fragen, die bei der Novellierung der EU-Tabaksteuerrichtlinie sicher eine Rolle spielen werden.

Wie sollen E-Zigaretten EU-weit besteuert werden? Führen sie tatsächlich zum Ausstieg aus der Raucherkarriere? Fragen über Fragen, die bei der Novellierung der EU-Tabaksteuerrichtlinie sicher eine Rolle spielen werden.

© Frank Eckgold / stock.adobe.com

Berlin. Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) unterstützt den Vorstoß der Grünen, Deutschland solle sich im EU-Rat für die zügige Novellierung der EU-Tabaksteuerrichlinie 2011/64/EU einsetzen – die EU-Kommission hatte bereits in einer Evaluierung eine Harmonisierung angemahnt.

In einer öffentlichen Anhörung des Bundestags-Finanzausschusses am Montag zur Steuerrichtlinie für Rauch- und Dampfprodukte befürwortete Professor Ute Mons, langjährige Leiterin der DKFZ-Stabsstelle Krebsprävention, als Sachverständige einen Antrag der Grünen-Bundestagsfraktion.

In diesem wird die Bundesregierung aufgefordert, auf europäischer Ebene darauf hinzuwirken, schnellstmöglich die Besteuerungsmodalitäten für elektronische Zigaretten, elektronische Shishas sowie Tabakerhitzer (Heat-not-Burn), die im Vergleich zum Konsum konventioneller Tabakzigaretten als weniger gesundheitsschädlich gehandelt werden, europaweit zu harmonisieren.

Die Grünen verfolgen damit drei Ziele, wie es in ihrem Antrag heißt:

  • Schaffung neuer Steuerkategorien: Diese soll auch für tabakfreie sowie nikotinhaltige und nikotinfreie Rauch- und Dampfprodukte wie die Liquids für E-Zigaretten oder künftige Rauch- und Dampfproduktentwicklungen das Belegen mit einer weiteren Steuer jenseits der Umsatzsteuer ermöglichen.
  • Orientierung an Schadstoffbelastung: Die jeweiligen Steuersätze in der neuen Steuerrichtlinie sollten sich an der Schadstoffbelastung der jeweiligen Rauch- und Dampfprodukte für Konsumenten orientieren, die in unabhängigen Studien festgestellt worden sind.
  • Unabhängige Langzeitstudie im Auftrag der EU: In der Studie sollen die langfristigen gesundheitlichen Auswirkungen neuer Tabak- und Rauchprodukte in den EU-Mitgliedstaaten und die Lenkungswirkung der Dampf- und Rauchbesteuerung sowie die Entwicklung des Rauchverhaltens, insbesondere von Minderjährigen und jungen Erwachsenen, im internationalen Vergleich untersucht werden.

Im Sinne des Schadensminderungsansatzes (Harm Reduction) sei der Vorstoß der Grünen zu begrüßen, da bereits wissenschaftlich bestätigt sei, das E-Zigaretten und Tabakerhitzer im Vergleich zu konventionellen Tabakzigaretten als weniger gesundheitsschädlich einzuschätzen seien.

„Aus Public-Health-Perspektive ist eine differenzierte Besteuerung dieser Produkte sinnvoll“, konstatierte Mons, die in Kürze das DKFZ verlässt und einem Ruf als Professorin an das Uniklinikum Köln folgt. Sie wird dort den Lehrstuhl für Kardiovaskuläre Epidemiologie am Herzzentrum bekleiden.

Mons führte vor Augen, dass die Novellierung der EU-Tabksteuerrichtlinie kein leichtes Unterfangen sei. So müsse sie ein hohes Maß an Gesundheitsschutz genauso gewährleisten wie das Funktionieren des innereuropäischen Binnenmarktes. Gleichzeitig müsse ein Wildwuchs an steuerlichen Regulierungen in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten verhindert werden, damit die Lenkungswirkung nicht verpufft. Harmonisierung laute hier der Auftrag.

E-Zigaretten fördern Neugier, aber keine Raucherkarrieren

Dr. Bernd Werse, Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Mitbegründer des Centre for Drug Research an der Goethe-Universität Frankfurt, warnte vor zu viel Aufregung um die E-Zigarette. Wie Befragungen zeigten, probiere zwar die Hälfte der Jugendlichen einmal oder mehrmals E-Zigaretten aus, kehre ihr aber schnell wieder den Rücken.

„Das Interesse ist nicht sehr groß in dieser Altersklasse, die E-Zigarette spielt keine wirkliche Rolle in der Jugendkultur“, erteilte Werse den Vertretern der Gateway-Hypothese eine Absage, die grundsätzlich alle innovativen Lösungen verdächtigen, Nutzer in die Raucherkarriere mit konventionellen Tabakzigaretten zu führen.

Weniger Steuern, blühender Schwarzmarkt?

Professor Berthold Wigger, Inhaber des Lehrstuhls für Finanzwissenschaft und Public Management am Karlsruher Institut für Technologie, warnte vor negativen Folgen weiterer Tabaksteuererhöhungen. Bisher nehme der Fiskus rund 14 Milliarden Euro Tabaksteuer jährlich ein.

Bei weiteren Erhöhungen könnten dem Staat zwar Einnahmen aus der Tabaksteuer wegbrechen – das spiegle aber nicht etwa ein präventives Verhalten der Raucher wider, denn diese versorgten sich dann vor allem in Grenzgebieten mit illegaler Ware aus Osteuropa, wie bei vorherigen Tabaksteuererhöhungen zu beobachten gewesen sei.

In Griechenland sei dieses Verhalten nach massiven Tabaksteuererhöhungen exemplarisch zu beobachten gewesen. „Die Frage ist, ob Steuern das richtige Instrument zur Lenkung sind, hier sollte man eher regulativ drangehen“, schlussfolgerte Wigger.

„Leugnung der Evolutionstheorie!“

Als Sachverständiger der Wirtschaft war Michael Dobrajc, Vorsitzender des Verbandes des eZigarettenhandels (VdeH) zur Anhörung des Finanzausschusses geladen. Aus seiner Sicht seien höhere Steuern Gift für die E-Dampf-Branche. Eine zusätzliche Steuer würde den Anreiz zum Umstieg auf Lösungen mit reduziertem Gesundheitsschadenprofil verpuffen lassen.

Mit drastischen Worten wies Dobrajc Zweifel an der These zurück, dass E-Dampf im Vergleich zu Tabakzigaretten ein wesentlich geringeres Krebsrisiko aufwiesen: „Das geht schon in Richtung der Leugnung der Evolutionstheorie!“

Für das Aktionsbündnis Nichtrauchen (ABNR) warnte Dr. Ulrike Helbig, das Gesundheitsgefährdungspotenzial der E-Dampfer kleinzureden. In diesen Lösungen seien grundsätzlich das kanzerogene Formaldehyd enthalten. Helbig erteilte dem Antrag der Grünen in der ABNR-Stellungnahme eine klare Absage. Im Sinne der Gefahrenvorsorge sei für E-Zigaretten, Heat-Not-Burn Produkte und konventionelle Tabakprodukte ein einheitlicher Steuersatz anzusetzen.

Aktualisierte Version: In einer früheren Version enthaltene Aussagen von Privatdozent Tobias Effertz (Uni Hamburg) wurden ersatzlos gestrichen.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Gemeindenotfallsanitäter und Surveillance-System in außerklinischer Intensivpflege

Innovationsausschuss vergibt Prüfaufträge

Probleme in ambulanter Versorgung

SpiFa: „Keine einzige Baustelle des Gesundheitswesens beseitigt“

Das könnte Sie auch interessieren
Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

© Janssen-Cilag GmbH

Video

Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Höhen- oder Sturzflug?

© oatawa / stock.adobe.com

Zukunft Gesundheitswesen

Höhen- oder Sturzflug?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

© MQ-Illustrations / stock.adobe.com

Digitalisierung

Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Expertenkonsensus zum B12-Mangel

© MP Studio / stock.adobe.com

Aktuelle Empfehlungen:

Expertenkonsensus zum B12-Mangel

Anzeige | Wörwag Pharma GmbH & Co. KG
Kommentare
Von der Grundlagenforschung zu wegweisenden Therapien

© Alnylam

Pionier der RNAi-Technologie

Von der Grundlagenforschung zu wegweisenden Therapien

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Alnylam Germany GmbH, München
Dr. Antigone Fritz und Hubertus Müller sitzen trocken am PC. Dort zu sehen: ein Bild vom Hochwasser in Erftstadt vor drei Jahren.

© MLP

Gut abgesichert bei Naturkatastrophen

Hochwasser in der Praxis? Ein Fall für die Versicherung!

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: MLP
KI-Einsatz mit Robotern im Krankenhaus oder in der ambulanten Pflege? In Deutschland noch schwer vorstellbar. Aber vielleicht ist das dieZukunft. Ein Feld auch für die Geldanlage.

© sirisakboakaew / stock.adobe.com

Interview zum Thema Geldanlage

KI für Anleger: „Ich sollte verstehen, in was ich investiere“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Deutscher Apotheker- und Ärztebank
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Erhöhtes Thromboserisiko

Fallbericht: Lungenembolie bei einem Hobby-Bergsteiger

Lesetipps
Ein Mettbrötchen

© juefraphoto / stock.adobe.com

Tödlicher Einzeller im Hirn

Fallbericht: Amöbenenzephalitis nach Verzehr von rohem Fleisch?

Ärztin misst bei einer Patientin den Blutdruck

© goodluz / stock.adobe.com

Unter 120 mmHg

Striktere Blutdruckkontrolle bei Diabetes wohl doch sinnvoll