EU-Tabaksteuerrichtlinie
EU-weit höhere Steuern für E-Dampf und Erhitzer?
Die Tabaksteuer soll präventive Lenkungswirkung entfalten. In einer Anhörung des Bundestags-Finanzausschusses wurde am Montag klar, dass das in der Praxis nicht immer so wie gedacht funktioniert. Innovative Lösungen wie Erhitzer oder E-Zigaretten stellen auch die EU vor steuerliche Herausforderungen.
Veröffentlicht:Berlin. Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) unterstützt den Vorstoß der Grünen, Deutschland solle sich im EU-Rat für die zügige Novellierung der EU-Tabaksteuerrichlinie 2011/64/EU einsetzen – die EU-Kommission hatte bereits in einer Evaluierung eine Harmonisierung angemahnt.
In einer öffentlichen Anhörung des Bundestags-Finanzausschusses am Montag zur Steuerrichtlinie für Rauch- und Dampfprodukte befürwortete Professor Ute Mons, langjährige Leiterin der DKFZ-Stabsstelle Krebsprävention, als Sachverständige einen Antrag der Grünen-Bundestagsfraktion.
In diesem wird die Bundesregierung aufgefordert, auf europäischer Ebene darauf hinzuwirken, schnellstmöglich die Besteuerungsmodalitäten für elektronische Zigaretten, elektronische Shishas sowie Tabakerhitzer (Heat-not-Burn), die im Vergleich zum Konsum konventioneller Tabakzigaretten als weniger gesundheitsschädlich gehandelt werden, europaweit zu harmonisieren.
Die Grünen verfolgen damit drei Ziele, wie es in ihrem Antrag heißt:
- Schaffung neuer Steuerkategorien: Diese soll auch für tabakfreie sowie nikotinhaltige und nikotinfreie Rauch- und Dampfprodukte wie die Liquids für E-Zigaretten oder künftige Rauch- und Dampfproduktentwicklungen das Belegen mit einer weiteren Steuer jenseits der Umsatzsteuer ermöglichen.
- Orientierung an Schadstoffbelastung: Die jeweiligen Steuersätze in der neuen Steuerrichtlinie sollten sich an der Schadstoffbelastung der jeweiligen Rauch- und Dampfprodukte für Konsumenten orientieren, die in unabhängigen Studien festgestellt worden sind.
- Unabhängige Langzeitstudie im Auftrag der EU: In der Studie sollen die langfristigen gesundheitlichen Auswirkungen neuer Tabak- und Rauchprodukte in den EU-Mitgliedstaaten und die Lenkungswirkung der Dampf- und Rauchbesteuerung sowie die Entwicklung des Rauchverhaltens, insbesondere von Minderjährigen und jungen Erwachsenen, im internationalen Vergleich untersucht werden.
Im Sinne des Schadensminderungsansatzes (Harm Reduction) sei der Vorstoß der Grünen zu begrüßen, da bereits wissenschaftlich bestätigt sei, das E-Zigaretten und Tabakerhitzer im Vergleich zu konventionellen Tabakzigaretten als weniger gesundheitsschädlich einzuschätzen seien.
„Aus Public-Health-Perspektive ist eine differenzierte Besteuerung dieser Produkte sinnvoll“, konstatierte Mons, die in Kürze das DKFZ verlässt und einem Ruf als Professorin an das Uniklinikum Köln folgt. Sie wird dort den Lehrstuhl für Kardiovaskuläre Epidemiologie am Herzzentrum bekleiden.
Mons führte vor Augen, dass die Novellierung der EU-Tabksteuerrichtlinie kein leichtes Unterfangen sei. So müsse sie ein hohes Maß an Gesundheitsschutz genauso gewährleisten wie das Funktionieren des innereuropäischen Binnenmarktes. Gleichzeitig müsse ein Wildwuchs an steuerlichen Regulierungen in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten verhindert werden, damit die Lenkungswirkung nicht verpufft. Harmonisierung laute hier der Auftrag.
E-Zigaretten fördern Neugier, aber keine Raucherkarrieren
Dr. Bernd Werse, Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Mitbegründer des Centre for Drug Research an der Goethe-Universität Frankfurt, warnte vor zu viel Aufregung um die E-Zigarette. Wie Befragungen zeigten, probiere zwar die Hälfte der Jugendlichen einmal oder mehrmals E-Zigaretten aus, kehre ihr aber schnell wieder den Rücken.
„Das Interesse ist nicht sehr groß in dieser Altersklasse, die E-Zigarette spielt keine wirkliche Rolle in der Jugendkultur“, erteilte Werse den Vertretern der Gateway-Hypothese eine Absage, die grundsätzlich alle innovativen Lösungen verdächtigen, Nutzer in die Raucherkarriere mit konventionellen Tabakzigaretten zu führen.
Weniger Steuern, blühender Schwarzmarkt?
Professor Berthold Wigger, Inhaber des Lehrstuhls für Finanzwissenschaft und Public Management am Karlsruher Institut für Technologie, warnte vor negativen Folgen weiterer Tabaksteuererhöhungen. Bisher nehme der Fiskus rund 14 Milliarden Euro Tabaksteuer jährlich ein.
Bei weiteren Erhöhungen könnten dem Staat zwar Einnahmen aus der Tabaksteuer wegbrechen – das spiegle aber nicht etwa ein präventives Verhalten der Raucher wider, denn diese versorgten sich dann vor allem in Grenzgebieten mit illegaler Ware aus Osteuropa, wie bei vorherigen Tabaksteuererhöhungen zu beobachten gewesen sei.
In Griechenland sei dieses Verhalten nach massiven Tabaksteuererhöhungen exemplarisch zu beobachten gewesen. „Die Frage ist, ob Steuern das richtige Instrument zur Lenkung sind, hier sollte man eher regulativ drangehen“, schlussfolgerte Wigger.
„Leugnung der Evolutionstheorie!“
Als Sachverständiger der Wirtschaft war Michael Dobrajc, Vorsitzender des Verbandes des eZigarettenhandels (VdeH) zur Anhörung des Finanzausschusses geladen. Aus seiner Sicht seien höhere Steuern Gift für die E-Dampf-Branche. Eine zusätzliche Steuer würde den Anreiz zum Umstieg auf Lösungen mit reduziertem Gesundheitsschadenprofil verpuffen lassen.
Mit drastischen Worten wies Dobrajc Zweifel an der These zurück, dass E-Dampf im Vergleich zu Tabakzigaretten ein wesentlich geringeres Krebsrisiko aufwiesen: „Das geht schon in Richtung der Leugnung der Evolutionstheorie!“
Für das Aktionsbündnis Nichtrauchen (ABNR) warnte Dr. Ulrike Helbig, das Gesundheitsgefährdungspotenzial der E-Dampfer kleinzureden. In diesen Lösungen seien grundsätzlich das kanzerogene Formaldehyd enthalten. Helbig erteilte dem Antrag der Grünen in der ABNR-Stellungnahme eine klare Absage. Im Sinne der Gefahrenvorsorge sei für E-Zigaretten, Heat-Not-Burn Produkte und konventionelle Tabakprodukte ein einheitlicher Steuersatz anzusetzen.
Aktualisierte Version: In einer früheren Version enthaltene Aussagen von Privatdozent Tobias Effertz (Uni Hamburg) wurden ersatzlos gestrichen.