Verhältnismäßigkeitsprüfung
EU will sich bei ärztlichem Berufsrecht nun doch zurückhalten
Gibt es für Freiberufler neue Vorschriften zur Berufsreglementierungen, werden diese künftig EU-weit einheitlich geprüft. Deutsche Ärzte waren in Aufruhr – können sich aber jetzt mit der neuen Richtlinie anfreunden.
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Das EU-Parlament in Brüssel: Die Abgeordneten verabschiedeten gestern eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass neuer Berufsreglementierungen.
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BRÜSSEL/BERLIN. Aufatmen bei den Ärztekammern: Die geplante EU-weite Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass neuer Berufsregulierungen wird nun wohl doch weit weniger in nationale und berufsständische Hoheitsrechte eingreifen, als ursprünglich befürchtet.
„Es ist gut, dass viele Kritikpunkte der regulierten Berufe, zu denen auch Ärzte und Zahnärzte zählen, aufgegriffen wurden“, kommentiert die Bundeszahnärztekammer (BZÄK), die die Richtliniengebung kontinuierlich kritisch begleitet hatte. Von der Bundesärztekammer (BÄK) war zunächst keine Stellungnahme ab.
Am Donnerstag hatte das Europäische Parlament der überarbeiteten Richtlinie (2016/0404) zugestimmt. Sie muss nun noch vom Ministerrat formal abgesegnet und im EU-Amtsblatt veröffentlicht werden. Damit ist in den nächsten Wochen zu rechnen. Anschließend haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, die Brüsseler Vorgaben rechtlich umzusetzen.
Text an einigen Stellen geändert
Die Richtlinie 2016/0404 wurde Anfang 2017 von der EU-Kommission vorgestellt. Kritik an zu weitreichender Einflussnahme auf nationale und berufsständische Kompetenzen wurde jetzt mit zahlreichen Änderungen Rechnung getragen.
Neu ist etwa in Artikel 1 der Hinweis, dass „der Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten, ob und wie ein Beruf zu reglementieren ist“, nicht berührt wird, „sofern Nichtdiskriminierung und Verhältnismäßigkeit“ gewahrt bleiben.
Die Bundesärztekammer (BÄK) warnte seinerzeit, die föderale Vielfalt des ärztlichen Berufsrechts sei in Gefahr, nationale Gesundheitspolitiken würden in unzulässiger Weise beschnitten und die Patientensicherheit ökonomischen Erwägungen geopfert.
Eine Initiative des Bundesrates, das Vorhaben im Wege einer Subsidiaritätsrüge abzuwenden, scheiterte an fehlender Unterstützung durch weitere Mitgliedsstaaten. Vor einigen Monaten verständigten sich EU-Parlament, Kommission und Ministerrat aber schließlich doch noch auf Änderungen am ursprünglichen Text.
Unter anderem wird nun die alleinige Verantwortung der Mitgliedstaaten für den Rechtsrahmen zur beruflichen Aus- und Weiterbildung betont. Ob und wie ein Berufszugang darüber hinaus reglementiert wird, soll auch in Zukunft dem nationalen Ermessen überlassen bleiben.
Auf Kompromiss geeinigt
Auf die zunächst beabsichtigte Mitwirkung unabhängiger Kontrollstellen an der Verhältnismäßigkeitsprüfung wird inzwischen ebenso verzichtet wie auf die Prüfkriterien ‚wirtschaftliche Auswirkung‘ und ‚kumulativer Effekt‘.
Diesem Kompromiss können offenbar auch die Standesorganisationen etwas abgewinnen. BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel begrüßt insbesondere die Sonderrolle, die den Heilberufen in Artikel 7 der neuen Richtlinienversion jetzt zugestanden wird.
Dort heißt es: „Betreffen Vorschriften die Reglementierung von Gesundheitsberufen und haben sie Auswirkungen auf die Patientensicherheit, berücksichtigen die Mitgliedstaaten das Ziel der Sicherstellung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus“. Engel: „Dies darf im anstehenden Umsetzungsprozess in nationales Recht nicht verwässert werden“.
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