Kliniken gegen Datenkraken
Ein Kampf wie David gegen Goliath?
Sind große Datenkonzerne wie Google, Apple oder Facebook bald die größten Anbieter von Gesundheitsdienstleistungen? Für Klinikvertreter ist das eine Horrorvision. Sie wollen das Szenario verhindern.
Veröffentlicht:NEU-ISENBURG. Können Facebook, Google oder Apple Gesundheit? Müssen Ärzte befürchten, dass solche Konzerne klassische Heilberufe als Ansprechpartner in Gesundheitsfragen verdrängen? Die Debatte der vergangenen Jahre hat gezeigt, dass die Mehrheit der Akteure im Gesundheitswesen an digitalen Gesundheitskonzepten interessiert und überwiegend bereit ist, elektronische Lösungen im medizinischen Alltag einzusetzen, wenn dies Vorteile für die Patienten bringt.
Damit ist aber nicht die Frage beantwortet, was diese Entwicklung für den Markt im Gesundheitswesen bedeutet. Klar ist, dass Heilberufe auch künftig unverzichtbar sein werden. An Praxen und Kliniken als tradierte Anlaufstationen werden sich Patienten auch morgen noch mit gesundheitlichen Problemen wenden. Wer aber bestimmt dort künftig, wer sich um die Patienten kümmert? Wer entscheidet, welche Leistung für einen Patienten die richtige ist? Wem gehören diese Einrichtungen? Mit solchen Fragen nach den künftigen Rahmenbedingungen sollten sich die klassischen Akteure im Gesundheitswesen dringend beschäftigen, mahnt die Landeskrankenhauskonferenz in Norddeutschland.
Basteln an den Gesundheitsmärkten von morgen
"Sonst gibt es bald nicht mehr privat, kommunal oder freigemeinnützig, sondern Google, Apple oder Facebook als größte Anbieter von Gesundheitsdienstleistungen", sagt Kerstin Ganskopf. Die Klinikdirektorin aus Eutin ist Vorsitzende der berufsübergreifenden Landeskrankenhauskonferenz, in der leitende Krankenhausärzte, Pflegekräfte und Klinikdirektoren gemeinsam nach Lösungen suchen. Ziel ist es, losgelöst vom Klinikalltag, berufs- und trägerübergreifend nach Lösungen für dringende Probleme zu suchen. Und die sind nach Ansicht von Ganskopf dringend erforderlich: "Geschieht nichts, könnten und werden jene Szenarien Wirklichkeit werden, in denen Daten-Monopolisten zunächst die kleinen und dann die großen Klinikketten übernehmen", glaubt sie. Die Verantwortung dafür sieht sie bei den derzeitigen Akteuren: "Weil uns nach wie vor die wirkliche Dimension dieser Transformation unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens fehlt und wir verzweifelt neuen Wein in alte Schläuche kippen."
Klinikarzt Dr. Arthur Friedrich vom Verband der Leitenden Krankenhausärzte gibt ihr Recht. Es ist das "klein-klein" im Klinikalltag , das Ärzte nach seiner Wahrnehmung davon abhält, über die großen Folgen der derzeitigen Veränderung nachzudenken. Während Ärzte zur Dokumentation verpflichtet werden, basteln die Strategen der Konzerne an den Gesundheitsmärkten von morgen. Er sieht Ärzte so stark in den derzeitigen Strukturen verhaftet, dass sie Gefahr laufen, von anderen "Gesundheitsanbietern" überholt zu werden. Immerhin ist aus seiner Sicht ein erster Schritt geschafft.
In den meisten Krankenhäusern ziehen nach seiner Wahrnehmung Ärzte und Klinikmanagement an einem Strang. "Ärzte kennen die wirtschaftlichen Zwänge der Träger und sind realistischer geworden." Nach seiner Beobachtung wird klinikintern oft berufsübergreifend an gemeinsamen Lösungen gearbeitet. Die Rahmenbedingungen führen aber dazu, dass klassische Anbieter etwa beim Thema Datenschutz sich in Verpflichtungen begeben, die globale Konzerne zum Teil ausblenden.
Furcht vor Marktkonzentration durch Digitalisierung
Klinikmanager Jürgen Marx hat auch die Kapitalausstattung als Nachteil für die Klinikträger ausgemacht: Im Vergleich zu den globalen Internetkonzernen sind selbst vergleichsweise gut ausgestattete private Klinikketten nicht finanzkräftig. Die Digitalisierung führt nach seiner Ansicht zu einer Marktkonzentration. Und wenn globale Konzerne den Gesundheitsmarkt erst beherrschen, wird dies nach seiner Ansicht auch Auswirkungen auf die Berufsbilder der dort Beschäftigten haben.
Sollte man sich deshalb dem Trend zur Digitalisierung verschließen? Auf keinen Fall, meinen die Verantwortlichen der Landeskrankenhauskonferenz. Aber man sollte darauf achten, dass die Berufsgruppen ihre Kernkompetenzen bewahren und die Digitalisierung als Unterstützung nutzen, damit wieder mehr Zeit am Patienten entsteht. Friedrichs Forderung nach einem Sortieren der ärztlichen Tätigkeit setzt aber voraus, dass nicht nur die Berufsgruppen im Krankenhaus, sondern auch der Normgeber in diese Richtung lenkt und damit Ärzten und Pflegekräften wieder mehr Zeit am Patienten ermöglicht.
Dafür braucht es nach Ansicht von Ganskopf wieder mehr Optimismus und eine positive Zukunftsvorstellung. In der derzeitigen Gesundheitspolitik kann sie dies nicht entdecken. Bei den Krankenkassen erkennt sie in erster Linie den Versuch, Kosten zu dämpfen oder aufzuhalten. Qualitätsinstitut und Gemeinsamer Bundesausschuss – für sie Messinstrumente der Kostensteuerung und damit nicht innovativ. Ihr Fazit: "Wenn wir es nicht machen, wird es niemand machen und auch nicht können."