Gesundheitsdaten
Fachleute werben für Datennutzung bis hin zum „Echtzeit-Gesundheitssystem“
Sachverständige, Vertreter der Selbstverwaltung, Ärzte und Wissenschaftler schreiben an Lauterbach und andere Politiker: Die Gesetzgebung zur Nutzung von Gesundheitsdaten soll „Datensolidarität“ berücksichtigen.
Veröffentlicht: | aktualisiert:Berlin. Die Debatte um die Nutzung von Gesundheitsdaten nimmt Fahrt auf. Am Tag der Eröffnung des Deutschen Ärztetags wirbt eine Gruppe von hochrangigen Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Institutionen des Gesundheitswesens für eine „solidarische Nutzung“ von Gesundheitsdaten. Dafür sollen zum Beispiel Gesundheitsdaten aus der elektronischen Patientenakte (ePA) direkt mit Registern verknüpft werden können.
Ziel sei der Aufbau eines „Echtzeitgesundheitssystems“, heißt es in einem Schreiben von 14 Unterzeichnern an Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) und Gesundheitspolitiker im Bundestag und Bundesrat. Das Schreiben trägt den Titel „Eckpunkte zu einem Gesundheitsdatennutzungsgesetz“. Ein solches Gesetz gehört zum im Koalitionsvertrag vereinbarten Programm der Ampel-Regierung.
Impulse für das Gesundheitsdatennutzungsgesetz
Aus der allgemeinen Verfügbarkeit von Gesundheitsinformationen in digitaler Form ergebe sich eine solidarische Verantwortung des Einzelnen zur Unterstützung der Gemeinschaft, heißt es in dem Schreiben, das der Ärzte Zeitung vorliegt.
Während der Pandemie hätten die Daten zu Impfwirkungen und Impfnebenwirkungen aus Israel dies eindrücklich gezeigt. In Israel sind die Hürden für die Übermittlung von Behandlungsdaten von Patienten zum Beispiel an die forschende Pharmaindustrie niedriger als hierzulande.
Die Autorinnen und Autoren haben unter Federführung des Gesundheitssachverständigenrats-Vorsitzenden Professor Ferdinand Gerlach und dem ehemaligen Ethikrats-Mitglied Professor Eckhard Nagel Eckpunkte für ein solches Gesundheitsdatennutzungsgesetz formuliert. Gedacht sind sie als „Impulse und Anregungen“.
Die Gefahren haben die Autoren im Blick: Die „unbestreitbaren Risiken von Verletzung der Privatsphäre, Stigmatisierung, Diskriminierung oder Benachteiligung durch Datenmissbrauch seien durch „geeignete informationstechnische, organisatorische und gegebenenfalls verschärfte strafrechtliche Maßnahmen zu minimieren, ist dem Papier zu entnehmen.
Klare Regeln für die Forschungsdatenzentren
Notwendig für den Perspektivenwechsel von der „Datensouveränität“ zur „Datensolidarität“ sei ein Bündel von Regelungen. Eine bundeseinheitlich geltende Grundlage für die Verarbeitung von Gesundheitsdaten solle eine möglichst gleiche Auslegung des Datenschutzes durch die derzeit 18 Datenschutzbehörden auf Bundes- und Landesebene ermöglichen.
Für die Funktion der Forschungsdatenzentren seien klare Regeln für Zugang und Nutzung im Interesse gemeinwohldienlicher Forschungsfragen vonnöten. Der Zugriff der Akteure der Selbstverwaltung auf Daten etwa für die Versorgungsforschung bedürfe klarer Vorgaben.
Beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) wird derzeit ein Forschungsdatenzentrum aufgebaut. Dieses Zentrum soll vom GKV-Spitzenverband in pseudonymisierter Form die Abrechnungsdaten der gesetzlich Krankenversicherten erhalten. Zugang sollen zum Beispiel Hochschulen und Forschungseinrichtungen bekommen. Weitere Daten werden mit der ePA entstehen. Voraussetzung ist allerdings eine wachsende Akzeptanz der Akte.
An dem Papier beteiligt sind auch der Vizepräsident der Bundesärztekammer Dr. Günther Matheis; die AOK-Vorstandsvorsitzende Dr. Carola Reimann; TK-Chef Dr. Jens Baas; BKK-Dachverbands-Chef Franz Knieps; AOK PLUS-Vorstand Rainer Striebel; DKG-Chef Dr. Gerald Gaß; Dr. Martin Danner von der BAG-Selbsthilfe; Professor Christian Karagiannidis, Intensivmediziner und Mitglied des Corona-Expertenrats der Bundesregierung; Dr. Markus Leyck-Dieken, Geschäftsführer der gematik; Professor Sylvia Thun, Ärztin und Ingenieurin an der Berliner Charité; Professor Christoph Krönke, Jurist, sowie der Gesundheitsjournalist Dr. Albrecht Klöpfer.