E-Health 2015
Fortschritt oder Stillstand?
Bei der Übermittlung medizinischer Daten und bei IT-Anwendungen für Patienten agiert Deutschland europaweit im unteren Drittel. Dass sich das mit dem E-Health-Gesetz ändert, erscheint zweifelhaft. Aber seitens der Patienten steigt der Druck.
Veröffentlicht:Kurz zuvor hatte die EU-Kommission mehrere Analysen zur Umsetzung von E-Health-Anwendungen in den EU-Mitgliedsstaaten veröffentlicht. Deutschland schnitt dort katastrophal ab, sowohl im Krankenhausbereich als auch im ambulanten Sektor.
Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund erhofften viele sich vom E-Health-Gesetz Rückenwind.
Neben einer beschleunigten Einführung von Telematikanwendungen standen die Überwindung der Stase bei der Telemedizinerstattung, die Einführung von E-Patient-Diensten, ein attraktives Anreizmodell für Ärzte und Apotheker, die digitale Dienste nutzen, eine Stärkung der gematik zu Lasten der Verbände sowie diverse Standardisierungsmaßnahmen auf den Wunschzetteln.
Patient 2.0 drängt vorwärts
Was bringt das E-Health-Gesetz?
Das Jahr 2015 wird in Sachen E-Health ein spannendes Jahr. Zum einen stehen die Online-Tests für die eGK auf dem Programm, die in zwei großen Testregionen in Nordrhein-Westfalen, Rheinland Pfalz und Schleswig-Holstein sowie in Bayern und Sachsen stattfinden werden. Zum anderen soll es ein E-Health-Gesetz geben, mit dem die Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens vorangetrieben werden soll. Erste Entwürfe werden für Ende Januar erwartet. Seit Oktober werden die folgenden vier Eckpunkte kommuniziert, auf die das Gesetz eingehen will:
Fristen für konkrete Anwendungen der eGK, darunter elektronische Notfalldaten, Entlassbriefe und elektronische Medikation
Finanzierungsvereinbarungen für den Online-Rollout, zum Beispiel für Anwendungen wie Notfalldaten, Entlassbriefe und Arzneimitteltherapiesicherheit
Verbesserung der Interoperabilität zwischen den diversen IT-Systemen in Kliniken und Praxen. Hierfür wurde im Sommer ein neues, voraussichtlich bei der gematik angesiedeltes Gremium angekündigt, über dessen Zusammensetzung es bisher noch keine Details gibt.
Öffnung der Infrastruktur für andere Anwendungen und Akteure. Hier wird unter anderem an die nicht-ärztlichen Gesundheitsberufe gedacht.
Mittlerweile ist die Vorfreude einer gewissen Ernüchterung gewichen. Es deutet sich an, dass das E-Health-Gesetz eine Lex Gesundheitskarte wird.
Damit bleibt es vorerst dabei, dass sich Innovatoren - sei es bei den Ärzten, bei den Kassen oder in der Industrie - an den Rändern des Systems bewähren müssen.
Auf ärztlicher Seite sind Teleradiologie und Schlaganfall-Telemedizin zwei dieser Randgebiete.
Hier ist in den vergangenen ein bis zwei Jahren nicht viel Neues passiert. Dafür ist bei den so genannten Patient 2.0-Diensten eine gewisse Dynamik spürbar.
So war 2014 das Jahr, in dem erstmals eine Krankenkasse (Barmer-GEK) eine vom Arzt verordnete Patienten-App (Caterna) zur Therapie bei Amblyopie im Rahmen eines IV-Vertrags regulär erstattete.
Andere schon zuvor beschrittene Wege in die finanzielle Nachhaltigkeit dieser Dienste führen über "ergänzende Rehabilitationsleistungen".
Das Online-Schulungsprogramm "Luftikids" kann zum Beispiel von Ärzten für Kinder mit Asthma auf diese Weise verordnet werden.
Auch in die Online-Terminbuchung kommt Bewegung. Die Techniker Krankenkasse (TK) hat ein Förderprogramm für Ärzte, die Online-Buchungen anbieten.
Und sie kooperiert mit wichtigen Anbietern, um Online-Buchungen über ihre Internetdienste zur Verfügung zu stellen.
Interessant wird im Jahr 2015 die Entwicklung bei den Online-Sprechstunden. Das ist etwas, das grundsätzlich auf einer nationalen Telematikinfrastruktur abgewickelt werden könnte und sollte.
Da sich die Selbstverwaltung aber schon beim Online-Rollout der eGK sehr schwer tut, dürften Online-Sprechstunden in Deutschland zunächst außerhalb der medizinischen Datenautobahn stattfinden.
Eine gewisse Eisbrecherfunktion hatte dabei das Start-up "Klara" (ehemals "goderma"). Es bietet für Selbstzahler eine dermatologische Beratung per App. Die Reaktionen fielen erwartungsgemäß aus.
Die Ärztekammer Berlin rief mit Verweis auf das Fernbehandlungsverbot zum Kreuzzug auf. Der fiel dann allerdings aus. Mittlerweile gibt es relativ sachliche Debatten.
Und im Windschatten von "Klara"/"goderma" versuchen erste Anbieter, in einem etwas anderen Ansatz die Infrastruktur für Online-Sprechstunden niedergelassener Ärzte zur Verfügung zu stellen.
Bleibt die Frage, warum sich Deutschland so schwer tut, Strukturen zu schaffen, die es innovativen Geistern leichter machen, digitale Anwendungen im Gesundheitswesen zumindest zu erproben. Die Antwort lautet Interessenpolitik.
Die Telematikinfrastruktur, die eine Innovationsplattform mit klaren Sicherheitsstandards sein könnte - und so eigentlich auch mal gedacht war -, kommt deswegen nicht voran, weil Ärzte und in geringerem Umfang Krankenkassen jeweils ihre eigene Agenda verfolgen.
KV-Netz in der Kritik
Besonders deutlich ist das bei den Kassenärzten, deren KV-Netz vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) extrem kritisch gesehen wird. Das spielt in der öffentlichen Diskussion aber praktisch keine Rolle.
Eher werden Zweifel an der vom BSI eindeutig präferierten gematik-Infrastruktur gesät. So lange das so ist, werden es digitale Dienste, die mit sensiblen Daten hantieren, schwer haben.
Das E-Health-Gesetz könnte hier ansetzen, indem es den Einfluss der Interessengruppen bei der gematik limitiert. Das ist allerdings unwahrscheinlich.