Grauer Kapitalmarkt - Brandherd für Anleger
Anleger versprechen sich hohe Renditen oder sichere Renten. Doch auf dem Grauen Kapitalmarkt verlieren sie jedes Jahr Milliarden an Ersparnissen, weil sie die Angebote nicht verstehen oder übers Ohr gehauen werden.
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Am Grauen Kapitalmarkt verheizen Anleger oft leichtgläubig viel Geld.
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FRANKFURT/MAIN. Es geht um gigantische Summen - und manche Sparer verlieren ihr ganzes Vermögen. Etwa 20 bis 30 Milliarden Euro verschwinden jedes Jahr auf dem Grauen Kapitalmarkt, berichtet Klaus Nieding, Präsident des Deutschen Anlegerschutzbundes. Trotz Aufklärungskampagnen und mancher Gesetzesänderung gehe der Schaden nicht zurück - denn die Täter sind erfinderisch.
Zum typischen Muster unseriöser Kapitalanlageangebote gehören ungebetene Anrufe oder auch Werbung im Internet. Häufig greifen die Täter Themen auf, die gerade in den Medien laufen, wie etwa die Schuldenkrise in Griechenland. "Die Täter machen sich Bekanntes zu eigen, das weckt Grundvertrauen", sagt Nieding. Den Opfern werde dann zum Beispiel eine angeblich sichere Investition in Sachwerten angeboten, etwa in geschlossene Immobilienfonds.
Anleger sind besonders mit Steuervorteilen zu ködern
Im Gegensatz zum Höhepunkt des Internet-Hypes an den Börsen im Jahr 2000 versprechen die Anbieter heute aber nicht mehr extreme Renditen von 30 und mehr Prozent, sagt Nieding, der auch als Anwalt und für die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) tätig ist. "Heute weiß jeder, dass mehr als acht bis zehn Prozent unseriös sind." Stattdessen stehe nun oft die Altersvorsorge im Mittelpunkt oder die Angst vor Inflation. Häufig würden Anbieter auch mit angeblichen Steuervorteilen werben - darauf fielen deutsche Anleger besonders leicht herein - und Interessenten zeitlich unter Druck setzen.
"Die Gier ist groß", sagt Christoph Öfele von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger. Wenn jemand 20 Prozent statt der üblichen drei Prozent Rendite verspreche, werde ohne großes Hinterfragen zugegriffen. "Da wird nicht mehr nachgedacht." Und auch Warnungen brächten oft nichts.
Eine klare Definition des Grauen Kapitalmarkts gibt es nicht. Der Markt umfasse sowohl staatlich kaum regulierte, aber eigentlich seriöse Angebote als auch Produkte, die bereits in betrügerischer Absicht aufgelegt werden. Und der jährliche Schaden setze sich aus verschiedenen Segmenten zusammen: Zum Teil direkter Betrug, zum Teil deutlich überhöhte Provisionen oder auch einfach Misswirtschaft.
Eine der Besonderheiten des Grauen Kapitalmarktes ist häufig der groß angelegte Vertrieb, der von den Provisionen lebt. Eine Studie über Finanzvermittler im Auftrag des Verbraucherschutzministeriums hatte bereits 2008 die Zustände besonders in Deutschland beklagt: "Der kaum regulierte Graue Kapitalmarkt ist ein Unikum, das in dieser Ausprägung in keinem anderen EU-Land existiert. Er ist geprägt durch Produkte mit hohen Risiken und durch eine Vielzahl von Missbräuchen."
Manchmal würden unseriöse Finanzvermittler zunächst harmlose Produkte wie Tagesgeldkonto oder Haftpflichtversicherung vermitteln. Erst wenn ein Vertrauensverhältnis zum Kunden aufgebaut ist, würden Produkte aus dem grauen Markt angeboten, die dann höhere Provisionen für den Vermittler abwerfen. "Selbst für Vermittler, die eigentlich seriös arbeiten möchten, ist die Versuchung groß, ihren bis dato gut beratenen Kunden früher oder später ein Steuersparmodell oder andere komplexe Anlagen anzubieten, die möglicherweise nicht zum Kunden passen, zumindest aber nicht zwingend wären", heißt es in der Studie.
Beim Anlagebetrug gibt es eine hohe Dunkelziffer
Die Kriminalstatistik des Bundeskriminalamtes (BKA) weist für das vergangene Jahr mehr als 18 000 Fälle von Betrug und Untreue im Zusammenhang mit Beteiligungen und Kapitalanlagen auf. Allerdings gibt es eine hohe Dunkelziffer. "Die Schwachstelle beim Anlagebetrug sind die potenziellen Opfer. So erfährt die Polizei trotz gestiegener Anzeigebereitschaft der Geschädigten nur von einem Bruchteil derartiger Straftaten", heißt es in einer BKA-Studie zum Kapitalanlagebetrug. Das Spektrum des Grauen Kaptalmarkts ist extrem breit, wie eine Übersicht des DSW zeigt. Er reicht von Beteiligungssparplänen über den Diamantenhandel bis hin zu Warentermingeschäften.
Nieding fordert bereits seit zehn Jahren die Schaffung einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft, die sich mit dem Thema Grauer Kapitalmarkt befasst. Und auch an den Schulen müsse mehr getan werden, um das Wissen um Finanzprodukte zu vergrößern. "Der gebildete Investor ist weniger ein Opfer", sagt Nieding. (dpa)