Mammografie-Skandal

Gutachten entlastet Essener Radiologen

Ist der angebliche Mammografie-Skandal in Essen in Wirklichkeit ein Lehrstück darüber, wie ärztliche Konkurrenten miteinander umgehen? Vieles deutet darauf hin.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Vorwürfe, ein Essener Radiologe habe ohne ausreichende Qualifikation Mammografie-Screenings durchgeführt, konnte ein Gutachter nun wiederlegen.

Vorwürfe, ein Essener Radiologe habe ohne ausreichende Qualifikation Mammografie-Screenings durchgeführt, konnte ein Gutachter nun wiederlegen.

© Sven Bähren / fotolia.com

KÖLN. Vom angeblichen Mammografie-Skandal in der Region Oberhausen/Essen/Mülheim an der Ruhr bleibt immer weniger übrig.

Nachdem bereits im September die Staatsanwaltschaft Duisburg die Ermittlungen gegen Dr. Karlgeorg Krüger eingestellt hatte, entlastet nun auch ein Sachverständigengutachten die Mammografie-Screening-Einheit, in der Krüger lange als Programmverantwortlicher Arzt tätig war.

Der Essener Radiologe sieht sich bestätigt. Er hatte von Anfang an Konkurrenten hinter den heftigen Vorwürfen vermutet.

Im Mai wurde Berichte veröffentlicht, nach denen Krüger in den Jahren 2010 bis 2013 ohne ausreichende Qualifikation als programmverantwortlicher Arzt gearbeitet haben soll. Er habe die jährlich geforderten 50 Biopsien nicht nachweisen können.

Das sei falsch, betont der Radiologe. Seit 2010 habe er die notwendigen Biopsien selbst erbracht - zuvor hatte das sein ehemaliger Praxispartner übernommen. Der Streit zwischen den ehemaligen Partnern scheint bei den Vorgängen eine zentrale Rolle zu spielen.

Anzeige wegen Körperverletzung

Dr. Karlgeorg Krüger.

Dr. Karlgeorg Krüger.

© Wolfram Heidenreich

In den Berichten spielte eine Patientin eine wichtige Rolle, die dem Arzt im WDR-Fernsehen vorgeworfen hatte, ein Karzinom nicht erkannt zu haben. Sie hatte ihn wegen Körperverletzung angezeigt. Er selbst habe die Frau nie "befundet", betont Krüger.

Die Staatsanwaltschaft sah keine Anhaltspunkte für die Aufnahme von Ermittlungen. Ein von der Behörde in Auftrag gegebenes Sachverständigengutachten kommt jetzt zu dem Schluss, dass auch die Kollegen in der Praxis keine Fehler gemacht haben.

"Ein organisatorisches Versagen des Programmverantwortlichen Arztes ist nicht erkennbar", schreibt Gutachter Dr. Gerold Hecht, Leiter des Referenzzentrums Nord in Oldenburg. Eine zusätzliche Befundung sei bei unauffälliger Erst- und Zweitbefundung nicht vorgesehen.

Nach Angaben Hechts war die von den Screening-Ärzten vorgenommene Einordnung des Befunds als nicht abklärungsbedürftig nachvollziehbar. Deshalb liege keine Sorgfaltspflichtverletzung vor.

"Daraus kann abgeleitet werden, dass keine diagnostischen Maßnahmen vorwerfbar unterlassen wurden."

Zuvor hatten auch Drittbefundungen durch das Referenzzentrum Mammografie in Münster oder auf Eigeninitiative von Frauen keine Unterschiede zu den Befunden aus Krügers Praxis ergeben.

Krüger hat nach eigenen Angaben nie an den für ihn positiven Ergebnissen gezweifelt. "Ich habe mir nichts vorzuwerfen", sagt er im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".

Deshalb geht der Arzt gegen die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNo) vor, die ihm im Oktober 2013 den Versorgungsauftrag als programmverantwortlicher Arzt entzogen hatte.

Den Sofortvollzug des Widerrufs konnte er gerichtlich nicht stoppen. Im Hauptsacheverfahren wartet Krüger bis heute auf einen Termin.

Rezertifizierung verweigert

Die KVNo hatte den Versorgungsauftrag entzogen, nachdem das Referenzzentrum Mammografie Krüger die Rezertifizierung verweigert hatte. Über die Gründe schweigt die zuständige Kooperationsgemeinschaft Mammografie bis heute.

Auch ihm sei die Möglichkeit verweigert worden, sich mit den Vorwürfen auseinanderzusetzen, kritisiert Krüger. "Wir hätten gern gewusst, wo unsere Probleme angeblich liegen." Aufgabe der Kooperationsgemeinschaft sei, die Screening-Einheiten bei der Qualitätssicherung zu unterstützen.

Davon könne in seinem Fall keine Rede sein. Als Arzt sei man den Gutachtern der Kooperationsgemeinschaft ausgeliefert, bemängelt er.

"Das Verfahren sieht weder eine Diskussion über die Entscheidungen vor noch eine Möglichkeit, die Bewertungen beziehungsweise die Statistiken überprüfen und mit den eigenen abgleichen zu können."

2010 hatte sich Krüger von seinem ehemaligen Partner getrennt, der ebenfalls Programmverantwortlicher Arzt war. Danach stand die Praxis unter strenger Beobachtung.

Sie sei mehrfach mit meist kurzer Vorankündigung durch den Leiter des Referenzzentrums überprüft worden, sagt Krüger. "Immer ohne negatives Ergebnis."

Wurden Patientinnen "weggelotst"?

Er wirft seinem ehemaligen Partner vor, gezielt Vorwürfe gegen ihn lanciert zu haben, als klar war, dass der Kontrahent das Screening nicht so einfach zurückbekommen würde.

Gemeinsam mit einer Essener Klinik habe er bis heute Patientinnen von Krügers Screening-Einheit "weggelotst". Die auch von niedergelassenen Gynäkologen unterstützte "Kanalisierung von Patientinnen" betreffe auch massiv andere Kliniken, behauptet der Radiologe.

Von vielen Kollegen habe er großen Rückhalt und Unterstützung erhalten, berichtet Krüger. Auch viele Essener hätten verstanden, worum es wirklich ging.

Allein gelassen fühlt er sich dagegen von KV und Ärztekammer. "Dort hilft einem kaum einer, viele verstecken sich hinter ihren Schreibtischen und den Paragrafen."

Die Tatsache, dass wider besseres Wissen Unwahrheiten über ihn verbreitetet würden, erfülle ihn mit einem Ohnmachtsgefühl, so der Arzt.

Nicht nur für ihn selbst, sondern auch für seine Mitarbeiter sei das Ganze eine riesige Belastung. Aufgeben kommt für ihn aber nicht in Frage. "Mein und unser aller Kampfeswillen ist ungebrochen", betont der 62-Jährige.

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