Helios-Rhön - ein kleiner Riese im Klinikmarkt

Kommt es dazu, dass Fresenius die Rhön-Klinikum AG schluckt, entsteht ein Konzern mit derzeit 128 Kliniken und 70 MVZ. Das ist bei über 2000 Krankenhäusern in Deutschland kein marktbeherrschender Riese. Allerdings sind angesichts der Finanznot vieler Hospitäler weitere Ankäufe zu erwarten.

Von Monika Peichl Veröffentlicht:
Aus zwei mach eins: Rhön und Fresenius.

Aus zwei mach eins: Rhön und Fresenius.

© [M] dpa

FRANKFURT/MAIN. Privaten Klinikkonzernen dürften sich auch künftig viele Kaufgelegenheiten bieten - das hat Rhön-Finanzvorstand Erik Hamann bei der Bilanzvorstellung in Frankfurt verdeutlicht.

Das "marktentscheidende Thema" sei die Investitionsfähigkeit der Krankenhäuser, doch daran mangele es immer mehr von ihnen.

Laut dem letzten "Krankenhaus Rating Report" verfügten nur 30 Prozent der Krankenhäuser über Investitionskraft. In Baden-Württemberg etwa befänden sich rund 50 Prozent aller Kliniken in den roten Zahlen.

Der Krankenhaussektor sei "eine Branche mit ansprechenden Margen", aber man dürfe nicht zu jedem Preis übernehmen, so Hamann. Die Rhön-Klinikum AG selbst sei derzeit bei sechs Projekten mit insgesamt 3000 Betten im Gespräch.

Fresenius will Aufschlag von 50 Prozent zahlen

Fresenius SE

Branche: Dialyseprodukte und -dienstleitungen, Infusionen und Spezialernährung, Kliniken und KrankenhausProjektgeschäft

Sitz: Bad Homburg

Geschäftszahlen 2011: Umsatz: 16,5 Mrd. Euro (+ 6 % währungsbereinigt); EBIT: 2,563 Mrd. Euro (+9 % währungsbereinigt)

Helios-Kliniken: Umsatz: 2,7 Mrd. Euro (+ 6 %) EBIT 270 Mio. Euro (+ 15 %).

Portfolio: 75 eigene Kliniken, darunter 51 Akutkrankenhäuser und 24 Rehakliniken; außerdem 31 MVZ.

Ob über diese Projekte noch von Rhön allein entschieden wird, ist fraglich, auch wenn die Fresenius SE die Hürde für ihre Übernahme-Offerte hoch angesetzt hat. Das Angebot, das den Rhön-Aktionären unterbreitet wird, steht unter dem Vorbehalt, dass Fresenius 90 Prozent plus eine Aktie erwerben kann.

Der Kaufpreis wird auf rund 3,1 Milliarden Euro beziffert, berechnet auf Basis des Rhön-Kurses kurz vor der Ankündigung, auf den Fresenius einen Aufschlag von etwa 50 Prozent zahlen will. Der Kurs von Rhön schoss am Freitag daraufhin in die Höhe und gewann mehr als 40 Prozent.

Rhön-Gründer Eugen Münch, der dem Aufsichtsrat vorsitzt und mit seiner Frau 12,45 Prozent der Aktien hält, will das Angebot annehmen und empfiehlt dies auch den anderen Aktionären. "Der Zusammenschluss hat schon Wucht", sagte Münch am Wochenende der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX.

Der Wettbewerb um Transaktionen sei immens. Münch: "Entweder hätten wir versucht, immer mehr Krankenhäuser zu kaufen. Oder, die andere Lösung – einen Wettbewerber zu übernehmen oder uns mit ihm zusammenschließen müssen."

Die Fresenius SE besteht aus den Unternehmensbereichen Fresenius Medical Care (Dialyse, Leberunterstützungstherapie, therapeutische Apherese), Fresenius Kabi (Infusionen, parenterale Ernährung, Transfusionstechnik), Fresenius Helios, Fresenius Vamed (Krankenhausdienstleistungen) und Fresenius Biotech (Biotechnik) und hat im ersten Quartal einen Umsatz von rund 4,4 Milliarden Euro erwirtschaftet (währungsbereinigt plus zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal).

Sie will die beiden Klinikketten zur neuen Gesellschaft Helios-Rhön zusammenführen, mit einem Umsatz von rund sechs Milliarden Euro sowie 128 Kliniken und 70 Medizinischen Versorgungszentren wäre sie dann mit Abstand der größte private Klinikbetreiber in Deutschland.

Das Kartellamt hat noch ein Wörtchen mitzureden

Rhön-Klinikum AG

Branche: privater Klinikbetreiber

Sitz: Bad Neustadt an der Saale

Geschäftszahlen 2011: Umsatz: 2,63 Milliarden Euro (+3,1 %), EBIT 213 Millionen Euro (+7,7 %), angekündigte Dividende: 0,45 Euro (Vorjahr 0,37 Euro)

Fallzahlen (behandelte Patienten): 2,27 Millionen ( + 11,5 %)

Mitarbeiter: 39.380 (Stichtag 31. März 2012)

Portfolio: Rhön betreibt als privater Anbieter derzeit 53 Kliniken an 43 Standorten (darunter eine Uniklinik) sowie 39 MVZ.

Die Angebotsdetails sollen noch im Mai veröffentlicht werden, der Abschluss der Transaktion wird für das dritte Quartal angestrebt. Wie zuvor bei der Übernahme der Damp-Gruppein Norddeutschland erwartet Fresenius, dass Kliniken an einigen Standorten verkauft werden müssen, um die kartellrechtliche Freigabe zu erhalten.

Nach einem Bericht des Berliner "Tagesspiegel" hat der Interessenverband der kommunalen Krankenhäuser (IVKK) an das Kartellamt appelliert, die Übernahme zu verhindern. Es könne nicht sein, "dass die Wettbewerbshüter Kooperationen und Zusammenschlüsse von gemeinwohlorientierten kommunalen Unternehmen verbieten, aber einen Klinik-Giganten entstehen lassen", sagte der IVKK-Vorsitzende Bernhard Ziegler.

Börsenanleger hätten nicht primär das Wohl der Patienten, sondern in erster Linie ihre Rendite im Auge. Er könne sich nicht vorstellen, dass die Übernahme durch das Kartellamt genehmigt werde.

Hingegen rechnet Münch laut dpa nicht mit einer kartellrechtlichen Untersagung, allerdings mit Auflagen.

Auch die Gewerkschaft verdi kritisiert die geplante Übernahme. Bundesvorstandsmitglied Ellen Paschke sagte der Nachrichtenagentur dpa, es seien erhebliche Nachteile für die öffentlichen und kirchlichen Krankenhäuser zu befürchten, etwa bei Verhandlungen mit den Krankenkassen.

Paschke forderte ein Ende der Privatisierungen und verlangte von den Ländern eine ausreichende Finanzierung von Krankenhausinvestitionen. Sowohl Fresenius Helios als auch die Rhön-Klinikum AG weisen für das abgelaufene Geschäftsjahr Wachstum vor.

Helios verzeichnete 2011 einen Umsatz von 2,7 Milliarden Euro (plus 3,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr) und erwartet für dieses Jahr ein Umsatzplus von drei bis fünf Prozent.

Laut Rhön-Finanzvorstand Hamann soll der Umsatz unter Einbeziehung der jüngst erworbenen Dr. Horst Schmidt Kliniken in diesem Jahr auf 2,85 Milliarden Euro steigen, durch die Konsolidierung der Wiesbadener Akquisition soll der Konzerngewinn mit 145 Millionen Euro etwas geringer ausfallen als im Vorjahr (161 Millionen Euro).

Rhön sieht Gießen-Marburg auf gutem Kurs

Der Ergebnisrückgang im ersten Quartal 2012 ist laut Hamann auch eine Folge der gestiegenen Fallzahlen: Rhön müsse bei Mehrleistungen hohe Abschläge hinnehmen, über die das Unternehmen aber mit den Kassen verhandeln werde.

Eine weitere Ursache seien verzögerte Zahlungen der Universitäten Gießen und Marburg für die Nutzung des von Rhön übernommenen Universitätsklinikums an den beiden Standorten.

Zu Gießen-Marburg sagte Hamann, die öffentliche Debatte verstelle den Blick auf die positive Entwicklung des Universitätsklinikums.

Den Plan, 500 Stellen abzubauen, habe es nie gegeben. "Wir haben dort heute mehr Beschäftigte als vor der Übernahme, nicht weniger."

Lesen Sie dazu auch die Chronik: Die größten privaten Klinikübernahmen

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Ein strategischer Coup

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Kommentare
Dr. Jürgen Schmidt 04.05.201211:12 Uhr

Ein Lehrbeispiel der Marktwirtschaft oder ein Beispiel für Murphys Gesetz ?

Ob die kaskadenartig ablaufende Oligopolisierung im vorliegenden Anlauf von Fresenius-Helios erfolgreich ist, oder die im Hintergrund wirksamen Geldgeber der privaten Klinikkonzerne noch einmal nachladen müssen, ist nicht die wichtigste Frage. Diese besteht darin, dass Konzerne über ihre Kliniken und MVZ''s eine Marktmacht erreicht haben, die direkte gesundheitspolitische Attacken erlaubt. Als nächstes werden wir erleben, dass die auf dem Rücken der Mitarbeiter
(und Patienten?) erzielten Kostenreduzierungen in den privatisierten Kliniken als benchmark der Kliniken in öffentlicher Hand propagiert werden - - und was man der niedergelassenen Ärzteschaft mit der Effizienz von MVZ''s wird beweisen können und dann auch wollen, bedarf keiner großen Phantasie.

Für das weitere bedarf es der nächsten Wirtschaftskrise, dann wird die öffentliche Hand bereitwillig die ausgestreckte Hand der Gesundheitskonzerne ergreifen und den Rest ihrer Kliniken privatisieren lassen.

Die Geldgeber im Hintergrund der Konzerne, derzeit von der EZB großzügig versorgt, haben im Wettbewerb mit den öffentlichen Klinikträgern um die niedrigsten Kosten und günstigsten Preise deshalb einen langen Atem, weil sie die Preise nach gewonnener Schlacht diktieren können.
Ein Risiko besteht dabei nicht, denn diese Klinikonzerne sind - wie große Banken - "Systemrisíken" , die der Staat im Krisenfall auffangen muss.
Privatisiert bleibt dann, was Gewinn macht, Pleiten werden ohnehin sozialisiert.

Dr. Thomas Georg Schätzler 03.05.201220:55 Uhr

Megafusion Helios-Rhön - Kartellrechtlich bedenklich

Mit der Übernahme der Rhön Klinikum AG durch Fresenius/Helios würden beide Klinikketten zur neuen Gesellschaft Helios-Rhön mit derzeit 128 Kliniken und 39.000 Betten formiert. Für den Bereich privatisierte Krankenhäuser ist das bei gut 2000 Kliniken in Deutschland in überwiegend gemeinnütziger, konfessioneller oder öffentlicher Trägerschaft d u r c h a u s ein regional marktbeherrschender Riese.

Selbst Rhön-Begründer und gemeinsam mit seiner Frau 12,45 % Anteilseigner Münch rechnet nach kartellrechtlicher Prüfung mit Auflagen. Verständlich, dass Rhön-Finanzvorstand Erik Hamann den Konzernumsatz auch nach Einbeziehung der jüngst von der Stadt Wiesbaden in Teilen aufgekauften Dr. Horst Schmidt Kliniken ordentlich aufhübschen will. Und die massiven Konflikte um die fragwürdige Privatisierung der Universitätskliniken Marburg und Gießen bzw. die Personalquerelen herunterspielt. Denn Alles zielt darauf ab, dass die Aktionäre der Rhön-Klinikum AG, und voran Rhön-Gründer Eugen Münch, mit der Übernahme durch Fresenius/Helios einen gewaltigen Gewinn machen und sich zugleich völlig der Verantwortung für die Gießen/Marburg-Privatisierung entledigen könnten. Wenn das kein übler Deal ist?

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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