Hygiene
Hinweise der Patienten sind ernst zu nehmen
In Sachen Hygiene ist die Haftung heikel: Verweist ein Krankenhauspatient auf besondere Risiken, denen er seines Erachtens nach ausgesetzt ist, kann sich infolgedessen die Beweislast für einen Hygienemangel zu Lasten der Klinik umkehren.
Veröffentlicht:KARLSRUHE. Rügen Patienten eine unzureichende Hygiene im Krankenhaus, müssen sie diesen Mangel normalerweise auch beweisen.
Verweisen sie jedoch auf besondere Risiken, denen sie unterliegen, muss nunmehr das Krankenhaus darlegen, dass es die durch diese Risiken begründeten Hygienestandards auch eingehalten hat. So entschied kürzlich der Bundesgerichtshof.
In dem konkreten Fall war ein damals 36-jähriger Patient in Niedersachsen wegen eines sogenannten Tennisarms am Ellenbogen operiert worden.
Die Wunde entzündete sich mehrfach neu und wurde dreimal in Nachoperationen wieder geöffnet. Abschließenden Erfolg brachte dies nicht: Der Patient leidet bis heute an Bewegungseinschränkungen und Schmerzen.
Keim vom Bettnachbarn?
Hierfür macht er einen Hygienefehler des Krankenhauses verantwortlich. Er habe mit einem weiteren Patienten im Zimmer gelegen, der eine infizierte Wunde im Kniebereich gehabt habe.
Die Wunde sei nicht ausgeheilt, weil die Ärzte den Keim offenbar "nicht in den Griff bekommen" hätten. – Mit seiner Klage machte der Patient geltend, das Krankenhaus müsse beweisen, dass es keinen Hygienefehler gegeben habe.
Nach ständiger BGH-Rechtsprechung gibt es "voll beherrschbare Risiken", bei denen immer die Klinik oder auch die Arztpraxis darlegen muss, dass keine Fehler gemacht wurden. Umgekehrt gibt es aber auch Risiken, die mit den "Unwägbarkeiten des menschlichen Organismus" verbunden sind.
Weil deswegen auch eine fehlerfreie Behandlung im Einzelfall ohne den gewünschten medizinischen Erfolg bleiben kann, liegt in solchen Fällen die Beweislast für fehlerhaftes Handeln beim Patienten.
Mit seinem neuen Beschluss stellte der Bundesgerichtshof nun klar, dass die Krankenhaushygiene nur teilweise zu den "voll beherrschbaren Risiken" gehört.
Das gelte beispielsweise für die Reinheit der benutzten Desinfektionsmittel, die Sterilität von Infusionsflüssigkeiten oder auch für die Übertragung von Keimen durch das Klinikpersonal. "All diesen Fällen ist gemeinsam, dass objektiv eine Gefahr besteht, deren Quelle jeweils festgestellt und die deshalb mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann", heißt es in dem Beschluss.
OLG Celle muss nochmals ran
Bei "ungeklärter Infektionsquelle" liege die Beweislast dagegen zunächst auf seiten des Patienten. Im konkreten Fall habe es sich um einen Keim gehandelt, der bei jedem Menschen vorzufinden sei. Er könne daher also auch vom Patienten selbst oder von einem Besucher stammen.
Allerdings habe hier der Patient ausdrücklich auf seinen Zimmernachbarn mit nicht ausheilender Wunde hingewiesen.
Ein vom Gericht hinzugezogener Sachverständiger hatte erklärt, dass er zu einem solchen Patienten keinen weiteren Patienten mit offener Wunde legen würde, dass dies aber nach den geltenden Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts zulässig sei, wenn erhöhte Hygienestandards eingehalten werden.
Laut dem Karlsruher Beschluss drehen diese Feststellungen des Sachverständigen die "Darlegungslast" nun wieder um. Demnach sei es nun Sache der Klinik darzulegen, dass sie diese erhöhten Hygienestandards beachtet hat. – Was im konkreten Fall das Oberlandesgericht Celle noch prüfen muss.
Bundesgerichtshof Az.: VI ZR 634/15