Patientendaten
Industrie fordert Zugang zu Real World Data
Um die medizinische Versorgung effektiver und effizienter zu machen, setzen Unternehmen auf eine bessere Datenbasis für ihre Forscher. Hier sieht der Bundesverband der Deutschen Industrie den Gesetzgeber in der Pflicht.
Veröffentlicht:Berlin. Ab 2023 haben Versicherte das im Patientendaten-Schutzgesetz (PDSG) verbriefte Recht, in der elektronischen Patientenakte (ePA) gespeicherte Daten im Rahmen einer Datenspende freiwillig der nicht-kommerziellen Forschung zur Verfügung zu stellen.
Wer auf diese Daten in anonymisierter oder pseudonymisierter Form zugreifen darf, wird seit gut einem Jahr kontrovers diskutiert. Im PDSG hat der Gesetzgeber die Industrie ausdrücklich von der Nutzung der via elektronischer Patientenakte gespendeten Daten ausgeschlossen.
Die Unternehmen vor allem aus der Pharma- und der MedTech-Industrie wollen sich mit dieser Entscheidung auf Dauer allerdings nicht abfinden. In einem am Freitag in Berlin vorgestellten Positionspapier erhebt der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) nun nochmals nachdrücklich Anspruch auf die Nutzung von Real-World-Daten aus der ePA und anderen Datenquellen.
Die zentrale Handlungsempfehlung der industriellen Gesundheitswirtschaft an die Politik: „Die Bundesregierung muss einen bundeseinheitlichen Rechtsrahmen für die Nutzung von Gesundheitsdaten zu wissenschaftlichen Zwecken schaffen – mit Zugang der privaten Forschung zu anonymisierten oder pseudonymisierten Gesundheits- und Behandlungsdaten, um die Potenziale der Digitalisierung für den medizinischen Fortschritt zu nutzen. Entscheidend ist die Entwicklung von Datenbanken und Strukturen für die Nutzung von Real World Data unter der Berücksichtigung von europäischen Standards.“
Mehrwert für alle am Versorgungsprozess Beteiligten
Der BDI weist in seinem Diskussionspapier mit dem Titel „Wie Daten die Gesundheitsversorgung verbessern können“ explizit darauf hin, dass die Nutzung dieses Datenschatzes durch die private Forschung einen Mehrwert für alle am Versorgungsprozess Beteiligten bringe:
Real World Data fördern laut BDI die (digitale) Mündigkeit von Patienten – die Fähigkeit, eigenverantwortlich mit den eigenen Daten umzugehen und davon im täglichen Leben zu profitieren. Dies erhöhe die Patientensouveränität und trage maßgeblich zur Patientensicherheit bei.
„Das freiwillige Teilen bzw. das Zurverfügungstellen von Real World Data kann eine lebensrettende und lebensverbessernde Maßnahme sein – mit einem Mehrwert für die breite Bevölkerung und nachfolgende Generationen“, heißt es in dem Diskussionspapier.
Real World Data ermöglichten es, Hinweise auf den Krankheitsverlauf zu identifizieren, um Prävention, Früherkennung und Therapieplanung daran auszurichten. Der Mustererkennung gilt auch in der Radiologie/Onkologie große Aufmerksamkeit, da hier zukünftig mittels Künstlicher Intelligenz eine arztunterstützende, präzisere Diagnostik mit entsprechender Therapieempfehlung erhofft wird.
Für bestimmte Gruppen ließen sich, wie der BDI betont, anhand von Real World Data Wahrscheinlichkeiten, etwa für Krankheitsverläufe und zu erwartende Therapieerfolge, leichter beziffern. „Dies erhöht außerdem die Effizienz klinischer Forschung mit dem Vorteil einer schnelleren Entwicklung von innovativen Medikamenten“, so der BDI. Real World Data hülfen zudem, zusätzliche Evidenz zu generieren.
Die Daten aus der Versorgung ermöglichten eine schnellere Beantwortung von therapieentscheidenden Fragen. In Zeiten epidemiologischer Herausforderungen, so wie aktuell in der Corona-Pandemie, schaffe ein schneller und umfassender Überblick über die Datenlage die Grundlagen für eine effiziente Zusammenarbeit aller Beteiligten.
Durch Real World Data ließen sich aufgrund verbesserter Datengrundlage in der Behandlung individualisierte Ansätze mit höherer Erfolgswahrscheinlichkeit einbeziehen – dazu gehöre die Verwendung von Daten gesunder und erkrankter Patienten. Das könne auch kostensenkende Effekte haben: „Eine erfolgreiche Behandlung mit der ersten Therapie nach der Diagnose (Erstlinientherapie) reduziert den Einsatz von für Patienten unerwünschten und teuren weiteren Therapielinien“, so die These des BDI.