Frag einen Juristen
Ist es diskriminierend, wenn nur Frauen Chefin werden, Anwalt Görzel?
Dürfen Vereine ausschließlich Frauen mit der Leitung ihrer Einrichtungen beauftragen? Arbeitsrechtler Volker Görzel sieht darin keine Diskriminierung – wenn es sich um eine „Weltanschauung“ handelt.
Veröffentlicht:Die Münchener Rotkreuzschwestern besetzen die Leitungsposition ihrer Kliniken ausschließlich mit ihren eigenen Mitgliedern – also zu 100 Prozent mit Frauen, Männer dürfen in den Einrichtungen lediglich andere Führungsaufgaben übernehmen. Verstößt dieses Modell gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)? „In diesem Fall nicht“, erläutert der Kölner Arbeitsrechtler Volker Görzel. Denn bei der Schwesternschaft handle es sich um einen weltanschaulichen Verein, der sich die Förderung von Frauen zur Aufgabe gemacht habe.
Eine Benachteiligung – in diesem Fall von Männern – ist laut Paragraf 9 des AGG zulässig, wenn „Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften oder ihnen zugeordnete Einrichtungen bei der Stellenbesetzung eine bestimmte Religion oder Weltanschauung verlangen“. Derartige Arbeitgeber („Tendenzbetriebe“) können also eine besondere Loyalität gegenüber ihren Werten voraussetzen. Wichtig: Die Weltanschauung muss in den Statuten des Vereins oder der Einrichtung festgehalten sein.
Arbeitsverhältnisse können unwirksam sein
Üblicherweise dürfen Unternehmen Bewerber nicht aufgrund ihres Geschlechts ablehnen oder von bestimmten Positionen ausschließen. „Ich kann mich also als Firmenchef nicht hinstellen und beschließen, nur noch Frauen einzustellen“, betont der Rechtsanwalt. Denn das AGG schützt die Bürgerinnen und Bürger explizit vor Diskriminierung bezüglich ihres Geschlechts (Paragraf 1). Arbeitsverhältnisse, die dagegen verstoßen, sind unwirksam.
Aus Görzels Sicht gibt es keine Profession, die nicht sowohl von Männern als auch von Frauen ausgeübt werden könne. Klagen gegen eine entsprechende Benachteiligung müssen immer die Betroffenen selbst. Er weist darauf hin, dass die Gerichte regelmäßig Fälle auf dem Tisch haben, in denen es um (vermeintliche) Diskriminierung geht. Geschützt sind laut Gesetz neben dem Geschlecht nämlich auch die Rasse, die ethnische Herkunft, Behinderungen, das Alter und die sexuelle Identität.
Diskriminierung ist grundsätzlich nicht verboten
In allen anderen Bereichen gilt aber: Diskriminierung am Arbeitsplatz ist grundsätzlich nicht verboten. Vor allem, was die Bevorzugung bestimmter Qualifikationen oder Berufsgruppen bei der Stellenbesetzung betrifft, haben die Arbeitgeber freie Hand. Dies trifft auch auf die Münchener Rotkreuzschwestern zu: Sie dürfen also bestimmen, dass die Klinikdirektoren ausschließlich aus den eigenen Reihen kommen – und damit automatisch einen pflegerischen Hintergrund haben.
Doch nicht alle Vorgänge, die zunächst wie eine Benachteiligung erscheinen, sind aus rechtlicher Sicht auch eine. Görzel erinnert sich an einen Fall, in dem sich ein Mann aus Sachsen als Mitarbeiter eines Callcenters beworben hatte. Die Firma lehnte ihn ab, aufgrund seines starken Dialekts hielt man ihn für ungeeignet. Der Bewerber klagte und führte dabei nach Paragraf 1 AGG eine Diskriminierung wegen seiner ethnischen Herkunft an. Erfolg hatte er damit allerdings nicht, Sachsen fiel dem Gericht nach nicht unter ethnische Herkunft (AG Stuttgart, 17 Ca 8907/09).
Reformen im kirchlichen Arbeitsrecht
Bewegung gibt es aktuell im kirchlichen Arbeitsrecht. Bislang galt, dass Mitarbeiter, die privat gegen die katholische Glaubens- und Sittenlehre verstießen, also beispielsweise homosexuell oder geschieden sind, mit harten Konsequenzen bis hin zur Kündigung rechnen mussten. Ende vergangenen Jahres hat die katholische Deutsche Bischofskonferenz nun eine Neufassung beschlossen. Danach sollen die Beschäftigten mehr Spielraum bei ihrer privaten Lebensführung haben, die Loyalitätspflichten insbesondere für katholische Beschäftigte wurden entschärft.
Hier geht es aber vor allem um Beschäftigte, die seelsorgerisch tätig sind, weiß Görzel. Auf Ärzte treffe dies nicht zu. 2019 hatte das Bundesarbeitsgericht bereits die Kündigung eines katholischen Chefarztes aufgehoben, der sich erneut verheiratet hatte. Das Bundesverfassungsgericht hatte dem kirchlichen Arbeitgeber zuvor noch das Selbstbestimmungsrecht zugebilligt. Mit der Neufassung des kirchlichen Arbeitsrechts will sich die Bundesregierung im Frühjahr befassen. (kaha)