E-Health

Jetzt sind die Sanktionen sicher

Der Bundestag hat grünes Licht fürs E-Health-Gesetz gegeben. Und damit nicht nur die Grundlage für eine sektorübergreifende elektronische Patientenakte geschaffen. Sondern auch für schmerzhafte Sanktionen

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:

BERLIN. Mit den Stimmen der Koalitionsparteien hat der Bundestag am Donnerstagabend das Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen - auch als E-Health-Gesetz bekannt - beschlossen.

Da das Gesetz im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig ist, kann es damit pünktlich zum 1. Januar 2016 in Kraft treten.

Dabei hat der Bundestag, wie erwartet, die noch kurzfristig von den Koalitionsparteien eingebrachten Änderungsanträge nahezu vollständig übernommen.

Konkret heißt dies, dass auf die Betreibergesellschaft der Telematikinfrastruktur, die gematik, und damit ihre Gesellschafter, zu denen auch die KBV und der GKV-Spitzenverband gehören, nun mehr Fristen und Sanktionen beim Aufbau der Datenautobahn fürs Gesundheitswesen zukommen. Und auch die Ärzte müssen letztlich mit zusätzlichen Fristen rechnen.

Digitaler Arzneiplan ab 2019

So steht nun fest, dass die Patienten ab Oktober 2016 Anspruch auf einen Medikationsplan haben (ab drei verordneten Arzneimitteln). Dieser ist vom betreuenden Arzt zu erstellen, Apotheker wirken jedoch auf Wunsch des Patienten bei der Aktualisierung mit.

Ab 2019 muss der Medikationsplan dann mithilfe der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) tatsächlich digital gespeichert werden. Die Technik dafür soll allerdings schon Ende 2017 stehen, gelingt dies nicht, drohen Kassen und KBV Haushaltskürzungen.

Außerdem schreibt das Gesetz vor, dass Ärzte selbst für die Verordnung von Arzneimitteln nur eine Software verwenden dürfen, die die für die Erstellung und Aktualisierung des Medikationsplans erforderlichen Funktionen und Informationen erhält. Dafür zuständig, dass die Software dies kann, ist die KBV, denn sie soll die Systeme entsprechend zertifizieren.

Stärker einbezogen in die Telematikinfrastruktur (TI) werden mit dem verabschiedeten Gesetzestext die Patienten: Bis Ende 2018 muss die gematik die erforderlichen Voraussetzungen geschaffen haben, damit die Daten des Patienten in einer sektor-übergreifend funktionsfähigen elektronischen Patientenakte (E-Patientenakte) bereitgestellt werden können.

Läuft doch auf Patientenfach hinaus

Das noch in den Änderungsanträgen explizit geforderte Patientenfach steht zwar nicht wörtlich im Gesetzestext. Der Patient kann aber bei Ärzten und anderen Leistungserbringern einfordern, dass diese ihm seine Daten zur Verfügung stellen.

Außerdem hat die gematik bis 31. Dezember 2018 Maßnahmen durchzuführen, damit auch der Patient selbst ermittelte Gesundheitsdaten in die Telematikinfrastruktur einspielen kann. Damit wird es wahrscheinlich doch auf ein Patientenfach hinauslaufen.

Ärzte, die auf die Förderung beim elektronischen Versand von Arztbriefen hoffen, können damit erst und nur fürs Jahr 2017 rechnen, mehr gibt der Gesetzestext nicht her. Und: Die Förderung gibt es nur, wenn der Arzt auch die qualifizierte elektronische Signatur (QES) nutzt.

Dadurch sollen die Briefe rechtssicher werden. Tatsächlich gestrichen wurde nun die Förderung für den elektronischen Entlassbrief. Dafür sollen Ärzte und Apotheker von Zuschlägen für die Aktualisierung des Medikationsplans profitieren, diese sind aber noch festzulegen und gelten erst ab 2018.

Video-Sprechstunde bald im EBM

Positiv zu werten ist, dass mit Aufnahme der Video-Sprechstunde in den Gesetzestext die telemedizinischen Leistungen nun mehr gefördert werden. Ab 1. Juli 2017 soll es für die Video-Sprechstunde dann auch tatsächlich eine EBM-Ziffer geben.

Bis Ende 2016 muss die gematik zusätzlich prüfen, inwieweit mobile und stationäre Endgeräte der Versicherten in die Kommunikation auf der Gesundheitsdaten-Autobahn eingesetzt werden können. Spätestens im März 2017 will das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) einen entsprechenden Bericht vorliegen haben.

Sanktionen greifen nach wie vor auch dann, wenn die Online-Anbindung der Praxen und die erste Online-Anwendung, der Abgleich der Versichertenstammdaten, nicht fristgerecht ab Juli 2018 bundesweit umgesetzt werden können. Die Technik muss jedoch schon bis Ende Juni 2016 soweit sein, dass die Erprobungsphase und der schrittweise Rollout laufen können.

Auf die Kritik von KBV- und Kassenseite an diesen Fristen hin erklärte die Sprecherin des Gesundheitsministeriums Katja Angeli: "Die Zeitpläne, die Kassen und Ärzte jetzt beanstanden, haben sie selbst verhandelt. Sie sind Vertragspartner der Industrie.

Statt jetzt die Versicherten büßen zu lassen, sollten Kassen, Ärzte und Industrie lieber ihre Arbeit machen. Dann gibt es auch keine Sanktionen. Der Patientennutzen gehört endlich in den Mittelpunkt.

"KBV-Chef Dr. Andreas Gassen sagte bei der KBV-Vertreterversammlung am Freitag, grundsätzlich sei die Einführung einer sektorenübergreifende IT-Technologie zu begrüßen. Allerdings müsse diese sicher sein. Dies setze eine intensive Erprobung voraus. Das scheine aber wegen der Lieferschwierigkeiten nicht gegeben zu sein.

 

Der GKV-Spitzenverband ging noch weiter und warnte angesichts der drohenden Haushaltskürzungen davor, die Kassen für die Lieferprobleme der Industrie zu bestrafen. "Am Ende der Sanktionskette würden die Versicherten und die Beitragszahler anstelle der Industrie büßen", so Verbandschefin Dr. Doris Pfeiffer.

Positive Resonanz auf das Gesetz kommt hingegen vom Deutschen Hausärzteverband. "Die Digitalisierung des Gesundheitswesens bietet immense Chancen um die Versorgung zu verbessern, bisher profitieren die Patienten aber kaum davon", sagte der Bundesvorsitzende des Verbandes, Ulrich Weigeldt.

Unsere europäischen Nachbarn seien hier deutlich weiter. Weigeldt. "Grund dafür ist, dass die Akteure der Selbstverwaltung nicht in der Lage sind, sich zu einigen und stattdessen ihren Einzelinteressen den Vorrang geben. Die never ending story um die elektronische Gesundheitskarte hat mehr als deutlich gemacht, dass es so nicht weitergehen kann."

Daher begrüße man es ausdrücklich, dass die Politik jetzt mit dem Gesetz mehr Druck entwickelt.Die Hausärzte werden mit dem Gesetz nun übrigens auch festes Mitglied im Beirat der gematik. (mit Material von dpa)

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