Roboter in der Medizin
Können Chirurgen bald über das Internet operieren?
Medizinroboter, die Chirurgen bei Ops helfen oder Roboter, die Behinderten das Leben erleichtern: Das zeigt die Robotikfachmesse Automatica in München. Schon bald könnten Ärzte ferngesteuert per Internet arbeiten.
Veröffentlicht:MÜNCHEN. Roboter könnten Operateure im OP künftig noch präziser assistieren. Technische Assistenzsysteme könnten Patienten mit Behinderungen oder pflegebedürftigen Menschen helfen, den Alltag im häuslichen Umfeld besser zu bewältigen. Wie, das zeigen Forscher und Anbieter noch bis zu diesem Freitag auf der 7. internationalen Fachmesse für Automation und Mechatronik Automatica in München.
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) präsentiert zum Beispiel sein MiroSurge-System, mit dem minimalinvasive Eingriffe nach eigenen Angaben einfacher und risikoärmer für den Patienten durchgeführt werden können.
Das System wird, wie Diplom-Ingenieur Julian Klodmann aus dem Bereich Mechatronische Komponenten und Systeme des DLR-Instituts für Robotik und Mechatronik im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung" erläutert, über Telepräsenz gesteuert und ermöglicht dem operierenden Chirurgen so erleichterte Arbeitsbedingungen.
Op per Telemedizin soll sich "direkter" anfühlen
Der Arzt führe die Op an einer Konsole aus, sehe währenddessen über einen Bildschirm die Endoskop-Aufnahmen in 3D und steuere gefühlt die Spitzen seines Werkzeuges - und nicht die umständlichen, aber notwendigen Verlängerungen der Instrumente. Zahlreiche Sensoren im Inneren des Roboterarms sorgten dabei dafür, dass alle seine Kontakte mit der Umgebung in Echtzeit an das Eingabegerät des Operateurs zurückgemeldet werden.
Für den Chirurgen bedeutet dies laut DLR ein intuitiveres und gefühlt direkteres Operieren. Messebesucher haben die Möglichkeit, selbst an einer Simulation teilzunehmen und sich von dem Roboterarm die Grenzen aufzeigen zu lassen.
Die Wissenschaftler haben das Interesse der Medizintechnikindustrie geweckt. Wie das DLR anlässlich der Automatica mitteilt, hat Branchenriese Medtronic die Lizenz zur kommerziellen Nutzung des Medizinroboters MIRO gekauft. Das Unternehmen wolle das Robotersystems weiterentwickeln und in den nächsten Jahren auf den Markt bringen. Mit diesem Roboter wolle Medtronic zunehmend von der invasiven zur minimal-invasiven Op-Technik übergehen.
Rollstuhl mit Roboterarm
Auf großes Interesse der Besucher stößt auch der elektrische Rollstuhl EDAN des DLR. Das Institut für Robotik und Mechatronik entwickelt zurzeit einen Rollstuhl mit integriertem Roboterarm, der Menschen mit körperlichen Behinderungen im Alltag unterstützen soll. So könnten diese ohne fremde Hilfe Dinge greifen oder Türen öffnen. Auf dem Messestand dürfen Besucher auch mal einen Handschlag mit dem Greifarm wagen.
Gesteuert wird der Greifarm dabei über Sensoren am Oberarm, wie Diplom-Ingenieurin Annette Hagengruber demonstriert. Bis zur Marktreife des Rollstuhls dauere es allerdings noch einige Zeit, wie die Forscherin für kognitive Robotik auf Nachfrage erläutert.
Getränkeflaschen öffnen, ein Trinkglas befüllen und es danach an den Mund des Patienten reichen, diese Idee verfolgen auch weitere Anbieter, die ihre Lösungen in München auf dem Service Robotics Demonstration Park und Show vorführen.
Bedienung muss geübt werden
Eines wird sofort klar: Die Bedienung dieser kollaborativen Roboter erfordert Übung. Schnell kann der Greifarm einen leeren Pappbecher zerstören, wenn der Druck zu hoch angesetzt wird - bei der Messe sorgt das für ein erheitertes Publikum.
Nach Angaben der B International Federation of Robotics stieg die Zahl der weltweit verkauften Robotersysteme zur Unterstützung von Menschen mit Behinderungen von 688 im Jahr 2013 auf 4416 in 2014. Neuere Zahlen liegen noch nicht vor.
Der Branchenverband sieht jedoch noch großes Wachstum für diese technisch anspruchsvollen Assistenzsysteme, da hier viel Forschung betrieben werde.