Neue Studien
Mangel an Pflegekräften: Kliniken glauben nicht an schnelle Besserung
Bundesweit fehlen in fast jedem Krankenhaus Pflegekräfte auf den Allgemeinstationen – und auf den Intensivstationen sieht es nicht viel besser aus, so eine Studie.
Veröffentlicht:Hamburg/Düsseldorf. Die allermeisten Krankenhäuser gehen laut einer Studie von einer Verschärfung des Personalmangels bei Pflegekräften aus. 86 Prozent der befragten Kliniken meinen, dass die Stellensituation auf den Allgemeinstationen sich in den nächsten drei Jahren verschlechtern werde, zeigt eine am Montag veröffentlichte Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO und des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI), die der Deutschen Presse-Agentur vorlag. „Für die nahe Zukunft sehen die Kliniken schwarz“, heißt es dort.
Den befragten Kliniken fehlen den Studienergebnissen zufolge vor allem geeignete Bewerberinnen und Bewerber. Außerdem seien bevorstehende Renteneintritte von Pflegenden ein häufiger Grund für die schlechten Zukunftsaussichten. Auch die allgemeine Erschöpfung der Beschäftigten spiele eine wichtige Rolle.
Vergrößert die Ausbildungsreform das Problem?
Derzeit fehlen der Untersuchung zufolge in fast jedem Krankenhaus (94 Prozent) Pflegerinnen und Pfleger auf Allgemeinstationen. In den betroffenen Kliniken seien durchschnittlich acht Prozent der Vollkraftstellen unbesetzt. Auf Intensivstationen haben demnach fast drei Viertel der Kliniken Probleme, offene Pflegestellen zu besetzen. Zwölf Prozent der vollen Stellen blieben dort frei.
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Die Krankenhäuser versuchen etwa mit Übernahmegarantien für Auszubildende dem Ausbau der Ausbildungskapazitäten und Pflegekräften aus dem Ausland gegen den Personalmangel vorzugehen. „Trotz aller Bemühungen sind die Lücken derzeit kaum zu schließen“, sagt Karl Blum, Vorstand und Leiter des Bereichs Forschung beim DKI.
Weder die geplante große Krankenhausreform noch andere gesundheitspolitische Maßnahmen wie die Reform der Pflegeausbildung würden die Situation verbessern, meint die Mehrheit der Befragten der Studie. Ein Drittel geht sogar davon aus, dass die Zusammenlegung der Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflegeausbildung den Mangel eher vergrößern werde. „Wenn das so weiterläuft, werden Krankenhäuser Abteilungen schließen müssen, nicht weil das Geld ausgeht, sondern weil nicht mehr ausreichend Pflegepersonal verfügbar ist“, sagt Volker Penter, Leiter des Fachbereichs Healthcare bei BDO.
Große Sorgen auch in Bayern
Untermauert wird die schwierige Situation von einer weiteren Studie aus Bayern. Demnach steht die Pflege in Bayern nach Ansicht von Fachleuten noch in diesem Jahrzehnt personell auf der Kippe. Es werde vermutlich noch vor 2030 der Punkt erreicht, an dem die Zahl der erfolgreich ausgebildeten neuen Pflegepersonen die Zahl der aus Altersgründen ausscheidenden Beschäftigten nicht mehr ersetzen könne, heißt es in einer Studie, die die Vereinigung der Pflegenden in Bayern (VdPB) am Montag in Nürnberg vorstellte. Selbst wenn sich Bezahlung, Arbeitsbedingungen und weitere Faktoren deutlich verbessern würden, werde sich an der demografisch bedingten Personalknappheit nichts ändern, schreiben die Autoren der Studie.
Der Anteil von Menschen über 75 Jahren an der Bevölkerung werde bis 2040 deutlich steigen. In 24 von 96 Landkreisen und kreisfreien Städten liege die Steigerungsrate bei mehr als 50 Prozent, am deutlichsten im Landkreis Bamberg mit 63,6 Prozent.
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Die Zahl der Beschäftigten in der Pflege sei in den vergangenen Jahren ebenfalls nach oben gegangen. Im Jahr 2022 seien 117.384 Menschen in Bayern sozialversicherungspflichtig in der Pflege tätig gewesen. Das seien 4.116 mehr als noch 2019 gewesen.
Arbeitslosenquote liegt bei 0,49 Prozent
Jedoch ist der Arbeitsmarkt praktisch leer gefegt. 2022 waren in Bayern 604 Angehörige von Pflegeberufen in der Krankenpflege arbeitslos gemeldet, die Arbeitslosenquote lag bei 0,49 Prozent. Dem standen 2.999 offene Stellen gegenüber. 4.676 Menschen aus Staaten außerhalb der EU erhielten 2022 in Bayern eine Arbeitserlaubnis für Pflegeberufe, allein in der Betreuung von Kranken.
„Die Ergebnisse unserer Monitoringstudie widerlegen zwar deutlich den Mythos vom sogenannten Pflexit, der den Ausstieg aus dem Pflegeberuf als signifikante Größe zu beschreiben versucht. Aber sie zeigen eben auch, dass wir selbst bei steigender Ausbildungskapazität schon in wenigen Jahren nicht mehr so viele Pflegefachpersonen in den Beruf bringen, wie uns die Demografie kosten wird, wenn die Boomer-Jahrgänge in Rente gehen“, sagte VdPB-Präsident Georg Sigl-Lehner. Die Branche müsse um jeden Ausbildungsplatz kämpfen, der etwa durch schließende Krankenhäuser verloren gehen könnte. Vorhandene Ressourcen müssten deutlich besser als bisher genutzt werden.
Die Vereinigung der Pflegenden in Bayern war 2017 als Körperschaft des öffentlichen Rechts gegründet worden und soll die Situation in den Pflegeberufen verbessern und die Qualität der Pflege erhöhen.
Kreativität ist gefragt
„Wir müssen dafür sorgen, ausgebildete Pflegekräfte langfristig im Beruf zu halten. Dafür müssen die Arbeitsbedingungen vor allem durch die Arbeitgeber attraktiv gestaltet werden“, kommentierte Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) die Studie. . Dazu gehörten neben einer angemessenen Bezahlung – die mit der Einführung der Tariflohnbindung bereits erreicht worden sei – auch individuell passende Arbeitszeitmodelle mit verlässlichen Freizeiten, Weiterbildungsmöglichkeiten und Angebote zur Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention.
Vor allem ein verlässlicher Dienstplan sei ein wichtiger Baustein für mehr Gesundheit und Zufriedenheit des Pflegepersonals. Die bayerische Landesregierung finanziere daher das Modellprojekt ‚Springerkonzepte in der Langzeitpflege‘ mit bis zu 7,5 Millionen Euro. Das bayerische Gesundheits- und Pflegeministerium stelle zudem knapp 18 Millionen Euro für Präventionsmaßnahmen wie kostenfreie Resilienz-Trainings und Team-Coachings zur Verfügung. Damit würden stark belastete Beschäftigte in der ambulanten und stationären Langzeitpflege sowie in Einrichtungen von erwachsenen Menschen mit Behinderung zusätzlich unterstützt. Zudem werde im Krankenhausbereich ein Projekt zur Etablierung innovativer, partizipativ gestalteter Dienstplanmodelle unterstützt, so Gerlach. (dpa/eb)