MedTech nimmt Kurs auf Saudi-Arabien

Der Nahe und Mittlere Osten birgt für deutsche Medizintechnikunternehmen großes Potenzial. Im Fokus steht für die exportabhängige Branche unter anderem SaudiArabien. Die Berliner Politik steht als Türöffner zur Seite.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Pilger nach Mekka oder wie hier im Bild zur Prophetenmoschee in Medina - der zweitwichtigsten im Land - sorgen mitunter für einen zusätzlichen Nachfrageschub nach medizinischen Leistungen in Saudi-Arabien.

Pilger nach Mekka oder wie hier im Bild zur Prophetenmoschee in Medina - der zweitwichtigsten im Land - sorgen mitunter für einen zusätzlichen Nachfrageschub nach medizinischen Leistungen in Saudi-Arabien.

© Ahmad Faizal Yahya /fotolia.com

BERLIN. Auf dem Heimatmarkt kämpft die deutsche Medizintechnikbranche unter den Rahmenbedingungen von globaler Finanz- und Wirtschaftskrise sowie einem nach wie vor bestehenden, milliardenschweren Investitionsstau in den Krankenhäusern der Republik mit niedrigen, einstelligen Wachstumsraten.

Langfristig gesehen hängt Wohl und Wehe der MedTech-Anbieter vom Exportgeschäft ab. Das verdeutlicht zum Beispiel die Exportquote von 66 Prozent im ersten Halbjahr des laufenden Jahres, die der Deutsche Industrieverband für optische, medizinische und mechatronische Technologien (SPECTARIS) für seine Mitgliedsunternehmen ausgewiesen hat.

Nicht jedes Land eignet sich als Exportziel für MedTech

Auf der Suche nach geeigneten Exportmärkten gilt es für die MedTech-Branche, die Chancen und Risiken jedes einzelnen Landes unter rechtlichen, wirtschaftlichen wie auch politischen Gesichtspunkten abzuwägen.

Denn: Ein Medizinprodukt "made in Germany" genießt fast weltweit einen besonders guten Ruf - auch in Ländern, in denen der Begriff "Zahlungsmoral" allenfalls im Fremdwörterlexikon auftaucht.

Lukrative Geschäfte für die deutsche MedTech-Branche versprechen die Länder des Nahen und Mittleren Ostens, wie Helene Rang, Geschäftsführender Vorstand des Nah- und Mittel-Ost-Vereins (NuMOV), im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung" prognostiziert.

Unabdingbarkeit des politischen Beistands

Deswegen setze die vor Kurzem gemeinsam von Bundeswirtschafts- und -gesundheitsministerium gemeinsam ins Leben gerufene, "Health made in Germany" getaufte Exportinitiative einen ihrer Schwerpunkte auf genau diese Region - unter anderem mit einer fünftägigen Road Show im September nach Saudi-Arabien und Katar.

Rang verdeutlicht die Unabdingbarkeit des politischen Beistands als Türöffner für ein Business deutscher MedTech-Anbieter vor Ort - zum Beispiel in SaudiArabien. "Ohne die politische Flankierung geht gerade in den Ländern dieser Region meist gar nichts", so Rang, die auch das Engagement des Gesundheitsministers Daniel Bahr und seines Vorgängers Philipp Rösler (beide FDP) in diesem Zusammenhang hervorhebt.

Das vom saudischen Königshaus al Saud sowie der strengen wahhabistischen Auslegung des Islam geprägte, autoritativ geführte Land nimmt in der Region eine Sonderstellung ein.

Im Vergleich zu anderen Staaten im Nahen und Mittleren Osten legt Saudi-Arabien großen Wert auf die Gesunderhaltung seiner Bevölkerung und investiert laut einer aktuellen Studie des Deutschen Orient-Instituts 19 Prozent des Staatshaushaltes in den Gesundheitssektor.

46,4 Milliarden Euro für Gesundheitsausgaben sind vorgesehen

Im aktuellen Fünf-Jahres-Plan, der bis 2014 reicht, sind laut Studie umgerechnet 46,4 Milliarden Euro für Gesundheitsausgaben vorgesehen. Bis 2016 sollen 138 neue Kliniken entstehen.

Wie die Autoren hervorheben, wurde Saudi-Arabien von den finanziellen Segnungen des Ölbooms geprägt. Viele junge Saudis studierten in Europa oder den USA und seien somit kosmopolitisch ausgerichtet.

Auf der anderen Seite gelte die Gesellschaft im Land als streng islamisch sowie wertekonservativ und berufe sich auf die tribale Historie. Die Familie bleibe das Rückgrat des Individuums. Diese Dichotomie bestimme auch die saudische Gesundheitspolitik, heißt es in der Studie.

Gegenwärtig verfüge das Gesundheitssystem über eine hohe Abdeckung in die Fläche hinein und erreiche so die größten Teile der Bevölkerung. In den Kliniken wird modernste Medizintechnik vorgehalten - von Spezialisten erbracht.

Private Akteure hätten sich in den vergangenen Jahren verstärkt im Gesundheitswesen engagiert, blieben aber deutlich in der Minderheit. Für die Zukunft plane die Regierung, privatwirtschaftliches Engagement im Healthcaresektor zu forcieren, schreiben die Studienverfasser, und weisen darauf hin, dass die Einführung einer Krankenversicherungspflicht das größte Potenzial bieten könnte.

Wohlstand im Land fördert die Zivilisationskrankheiten

Der rohstoffbasierte Wohlstand des Landes habe sich unmittelbar auf die Bevölkerung ausgewirkt. So litten überproportional viele Einwohner Saudi-Arabiens an Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Übergewicht, Herz-Kreislauf-Krankheiten oder psychischen Störungen.

Sport und körperliche Aktivitäten seien verpönt und würden als Zeichen der Armut gedeutet. Da die saudische Bevölkerung noch immer um zwei Prozent pro Jahr wachse, ergebe sich daraus ein enormer Bedarf an medizinischer Grundversorgung - gestützt auf Medizinprodukte und -geräte.

Einen zusätzlichen, saisonal bedingten Nachfrageschub nach medizinischer Notfallversorgung löse die jährliche Hadsch - die große Pilgerfahrt nach Mekka, die im nächsten Jahr in den Zeitraum vom 24. bis 27. Oktober fällt - aus.

Die Studie "Das Gesundheitssystem in Saudi-Arabien - Wechselwirkung zwischen gesellschaftlicher Transformation und Gesundheit" zum Download unter: http://bit.ly/qz1LUT

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