Ärzte vor Gewalt schützen
NRW will härtere Strafen für Pöbler
Viele Ärzte kennen das: Sie werden respektlos angepöbelt und aggressiv attackiert. Die Zeit der Appelle an die Täter soll nun vorbei sein: NRW will gemeinnützige Berufsgruppen besser schützen – mit einem Vorstoß im Bundesrat.
Veröffentlicht:BERLIN/DÜSSELDORF. Tagtäglich erleben Polizisten Angriffe. Schon ein banales Knöllchen kann einen Gewaltexzess auslösen. Rettungskräfte, Notärzte und Feuerwehrleute werden landauf landab beim Einsatz gestört und angepöbelt.
Diffamierung und Belästigung von Lehrern scheinen ebenso zum Alltagsphänomen zu werden wie Attacken gegen Ehrenamtliche, die im Flüchtlingsheim helfen, die sich für die Gesellschaft engagieren. Anfeindungen auch gegen Kommunalpolitiker, Ratsleute oder Mitarbeiter in Job-Centern schrecken auf.
Der Respekt ist vielfach abhanden gekommen, die Aggression wächst. Weil alle Mahnungen und Appelle keine Wirkung zeigen, soll nun ein verschärftes Strafrecht her. Der Vorstoß kommt aus NRW.
Die Initiative für die Bundesratssitzung am Freitag werde sicher die Zustimmung der Länder finden, glaubt Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD). "Jedes Verhalten, das eine gemeinwohlgefährdende Haltung erkennen lässt, muss zu einer höheren Bestrafung des Täters führen", betonte sie kürzlich.
Wer Polizisten, Sanitäter, Rettungskräfte oder Amtsträger beleidige, behindere oder bedrohe, begehe bereits eine Straftat. Das müsse das Strafrecht "mit der gebotenen Härte" zum Ausdruck bringen. Gerichte sollten solche Taten "deutlich strafverschärfend" ahnden können.
Die Pläne im Detail
Konkret heißt das: Im Strafgesetzbuch soll Paragraf 46 ergänzt und dort eine "dem Gemeinwohl feindliche oder gleichgültige Haltung" als "strafschärfender Umstand" aufgenommen werden. Straftaten, die dem gesellschaftlichen Zusammenhalt schaden, haben demnach einen "erhöhten Unrechtsgehalt".
Auch Lehrer, Gerichtsvollzieher oder ehrenamtliche Helfer sollten von der Verbesserung profitieren, erläutert ein Sprecher des Düsseldorfer Justizministeriums. "Hier ist das Schutzbedürfnis nicht geringer." Man greife eben nicht einzelne Berufsgruppen heraus, sondern wolle eine "ganzheitliche Lösung".
Wichtig außerdem: Eine härtere Bestrafung setze nicht erst ein, wenn es schon zu einer "körperlichen Widerstandshandlung" oder einem gewalttätigen Übergriff gekommen sei. Die Änderung solle schon ab der ersten Stufe, Beleidigung, greifen.
Bundesjustizminister Heiko Maas strebt ebenfalls Verbesserungen an, allerdings mit anderem Schwerpunkt. Zielrichtung seines angekündigten Gesetzentwurfs ist ein erhöhter Schutz für Polizisten, Feuerwehr- und Rettungskräfte im Dienst. Dazu will der SPD-Mann an den Paragrafen 113 - Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte - im Strafgesetz ran.
Laut Bundeskriminalamt ist die Zahl der Gewalttaten gegen Polizeibeamte gestiegen. 2015 seien rund 64 370 Opfer erfasst worden. Die NRW-Initiative halte er für "richtig und notwendig", lobt der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt.
"Volkssport Beamtenbeleidigung"
Auch die GdP, Gewerkschaft der Polizei, ist zufrieden. Wüste Beschimpfungen bleiben nach Angaben des Landesvorsitzenden Arnold Plickert für die Täter derzeit noch allzu oft folgenlos, weil Gerichte sie als minderschwere Vergehen werteten und nicht bestraften. Das werde mit dem NRW-Konzept wohl nicht mehr möglich sein, ein Dolchstoß für den "Volkssport Beamtenbeleidigung".
Auch der Verband Bildung und Erziehung (VBE) freut sich über das Vorhaben: "Die Bundesländer sollten diese Initiative unterstützen", appelliert der Bundesvorsitzende Udo Beckmann. Denn: "Die Gewalt gegen Beschäftigte im Öffentlichen Dienst nimmt schockierende Ausmaße an".
Der Malteser Hilfsdienst spricht von einer "wünschenswerten politischen Aussage und Wertschätzung von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten". Auch wenn es eigentlich keine neuen Gesetze brauche, sondern eine strikte Umsetzung des bestehenden Rechts, wie Benedikt Tiefländern meint, der Bereichsleiter Notfallvorsorge.
Rund 5000 Übergriffe auf die Helfer seien bei jährlich mehreren Millionen Einsätzen zwar keine gewaltige Zahl. Aber: "Jeder Einzelfall ist tragisch und für die Kollegen belastend." (dpa)