„Doc Caro“
Notärztin versucht, Hass und Drohungen im Internet auszublenden
Als „Doc Caro“ ist eine Oberärztin des Uniklinikums Essen inzwischen bundesweit bekannt. Mit ihren Internetauftritten will sie die Bevölkerung informieren. Dafür erntet sie viel Lob – aber auch Hass.
Veröffentlicht:Köln. Wie kommt es eigentlich zur Unterzuckerung? Kann man von der Corona-Impfung COVID-19 bekommen? Verändert der Impfstoff meine Genetik? Diese und viele weitere Fragen beantwortet Dr. Carola Holzner in den Sozialen Medien. Sie ist leitende Oberärztin in der Zentralen Notaufnahme Nord des Universitätsklinikums Essen.
Holzner hat im Oktober 2019 angefangen, sich als „Doc Caro“ auf Facebook, Instagram und YouTube über medizinische Themen zu äußern. Damit hat sie viele positive, aber auch einige unschöne Reaktionen ausgelöst. „Meine Beiträge sind für die breite Allgemeinheit, die sich informieren möchte und vielleicht auch nicht immer versteht, was die Ärzte sagen“, sagt die Medizinerin.
Angefangen hat sie mit dem „Diagnose-Dienstag“, an dem Holzner einfach verständlich medizinische Diagnosen erklärt. Der Zuspruch und der Zulauf für ihre Informationsbeiträge kamen schnell. Auf Facebook hat sie mittlerweile fast 160.000 Abonnenten, auf Instagram sind es um die 84.500 und auf YouTube 26.000.
„Überraschend, welche Basisfragen kommen“
„Und dann kam Corona – und was bietet sich mehr an für eine Ärztin, die an der Front arbeitet und einen Internetblog hat, als darüber zu berichten?“ Der Informationsbedarf in Deutschland ist hoch, besonders was die neuen Impfstoffe angeht. „Es ist schön, wenn es Informationsbroschüren gibt oder FAQ auf der Seite des Bundesgesundheitsministeriums, nur liest das die breite Masse nicht“, sagt Holzner. Hinzu kommt, dass viele Fragen nicht in Broschüren und unter den FAQ beantwortet werden.
„Manchmal ist es überraschend, welche Basisfragen da kommen, zum Beispiel in welches Körperteil eine Impfung erfolgt und warum.“ Das Ziel ihres Engagements in den sozialen Medien ist es, für mehr Aufklärung zu sorgen. Die Anästhesistin ermuntert auch andere Ärzte, das Internet mehr zu nutzen. „Jeder, der Informationen vermitteln oder Menschen erreichen möchte, ist mit dem Internet als Medium gut bedient, beziehungsweise muss es sogar nutzen.“
Internetauftritt beansprucht viel Zeit
Allerdings warnt sie auch davor, unbedacht einen Internetauftritt zu starten. „Das ist nicht mal eben so gemacht“, betont sie. Für sie ist es eine Art Hobby, in das man viel Zeit investieren muss. Einen Beitrag zu erstellen allein koste noch nicht so viel Zeit, aber es folgten Kommentare und Anfragen. „Das nimmt schon mehrere Stunden in Anspruch, wenn nicht Tage in der Woche von der eigenen Freizeit.“ Viele Nutzer sind begeistert.
Doch nicht alle Reaktionen auf Doc Caros Beiträge sind positiv. Sie hat neben viel Lob auch viele Hasskommentare bekommen, unter anderem wurde sie als Lügnerin bezeichnet und ihre medizinische Kompetenz in Frage gestellt. „Mir wäre nie in den Sinn gekommen, dass wenn man als Ärztin über medizinische Tatsachen aufklärt, in diesem Ausmaß beschimpft und bedroht wird“, so Holzner.
Die ersten Hasskommentare hätten sie schon getroffen, berichtet sie. „Ich hatte die Wahl, diesen Kommentaren Beachtung zu schenken und meine Energie darein zu stecken, mit Leuten zu diskutieren, die gar nicht diskutieren, sondern mich nur fertig machen wollten“, sagt Holzner. „Oder ich konnte mich auf das Positive konzentrieren und meine Energie weiterhin für die Aufklärung verwenden.“
Auch Morddrohungen gegen die Ärztin
Seitdem ignoriert die Ärztin die Reaktionen auf ihre Beiträge. Außerdem hat sie bei Facebook einen Filter aktiviert, der automatisch rassistische, beleidigende oder bedrohende Kommentare blockiert. „Aufhören kam für mich nicht infrage, weil ich weiß, dass viel mehr Leute davon profitieren, als es Menschen gibt, die einen fertig machen wollen – das ist dann doch nur eine verschwindend kleine Minderheit.“
Allerdings waren unter den Hasskommentaren auch Morddrohungen gegen die Ärztin. Persönlich behandelt Holzner diese wie alle anderen negativen Reaktionen und ignoriert sie weitestgehend. „Nichtsdestotrotz wird das von entsprechender offizieller Seite beobachtet“, berichtet sie.
Besondere Aufmerksamkeit hatte ein offener Brief an Armin Laschet, Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, und Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann erregt. In ihm kritisiert Doc Caro, dass Personal in Notaufnahmen, auf Intensivstationen und auf Corona-Stationen, obwohl es zur Prioritätengruppe 1 gehört, keinen Impftermin bekommt.
Ärzte bei Impfung mit Vorbildfunktion
Am 18. Januar sollen nun Impfungen auch für Beschäftigte in Krankenhäusern starten. Das hat Laumann angekündigt. Doc Caro hat mittlerweile ihre erste Impfung erhalten – allerdings nicht aufgrund ihres Briefes.
Als Notärztin steht sie auf der Prioritätenliste ihrer Heimatstadt. Das bedeutet, wenn Impfstoff in Altenheimen übrig ist, wird diese Liste abtelefoniert. „Ich hatte das große Glück, dass ich letzten Freitag angerufen wurde und dann geimpft werden konnte.“
Sie sieht Ärzte gerade bei der Impfung mit ihrer Schutzfunktion für Risikogruppen als Vorbild. „Selbst Ärzte, die dem kritisch gegenüberstehen, sollten kein Öl ins Feuer gießen.“ (noe)