Kommentar zur Verschiebung der novellierten EU-Medizinprodukteverordnung
Nur die Notbremse gezogen
EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides hat die Verschiebung des Geltungsbeginns der novellierten EU-Medizinprodukteverordnung um ein Jahr bekannt gegeben – ein wichtiges Signal. Am Dilemma der MedTech-Branche ändert das aber nichts.
Veröffentlicht:Es ist müßig – und wahrscheinlich auch nicht unbedingt erkenntnisfördernd –, genau herausfinden zu wollen, ob nun die Corona-Pandemie EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides dazu gebracht hat, den für den 26. Mai dieses Jahres terminierten Geltungsbeginn der novellierten EU-Medizinprodukteverordnung (MDR) um ein Jahr nach hinten zu verschieben, oder ob die perpetuierend vorgetragenen Warnhinweise aus der europäischen MedTech-Branche der Stein des Anstoßes für die zypriotische Gesundheitsexpertin waren.
Fakt ist: Kyriakides hat die Notbremse im europäischen MDR-Zug gezogen, damit dieser nicht auf den letzten Metern vor der Scharfschaltung der wesentlich höheren rechtlichen Anforderungen an die Zulassung von Medizinprodukten entgleist.
Sicher haben die Unternehmen jetzt die Zeit, sich um die Verhinderung respektive Behebung von corona-bedingten Lieferengpässen bei zum Beispiel Schutzausrüstung sowie Beatmungsgeräten zu kümmern. Wie es hieß, seien ja viele Ingenieure und Wissenschaftler in den Unternehmen aus den MDR-Projekten abgezogen und den Corona-Projekten zugeteilt worden.
Zeit gewonnen
Je nachdem, wie lange die Pandemie auch die MedTech-Branche noch im Griff hat, werden vor allem die kleinen und kleinsten Unternehmen wenigstens etwas Zeit gewinnen, sich auf die Erfüllung der Anforderungen an ihre Produkte im Hinblick auf die MDR-Zertifizierung konzentrieren zu können. Es bleibt nur zu hoffen, dass in dem gewonnenen Jahr auch die Zahl der für die Zulassung relevanten Benannten Stellen signifikant auf die angepeilte Zahl von europaweit 50 steigen wird – derzeit sind es gerade einmal ein Dutzend. Knackpunkt: Auch diese Notifizierungsstellen müssen sich erst wieder zertifizieren lassen, um die Zulassungsgeschäfte tätigen zu dürfen – und deren Personal hadert auch in Teilen mit SARS-CoV-2, wie es heißt.
Fragt sich nur, was passiert, wenn die nächste globale Gesundheits-Herausforderung kommt. Wird der Geltungsbeginn der MDR dann wieder um ein Jahr verschoben? Zur Erinnerung: Die MDR-Novelle für mehr Patientensicherheit sollte im Markt wie auch bei den Patienten EU-seitig nach eigenem Bekunden als maßgebliche Reaktion auf den Skandal um mit Industriesilikon befüllte, minderwertige Brustimplantate des inzwischen insolventen französischen Anbieters PIP verstanden werden!