Prozessbeginn in Aachen

Pfleger in Würseler Palliativstation wegen Mordes vor Gericht

Er soll seinen Opfern tödliche Überdosen von Schmerz- und Beruhigungsmitteln gespritzt haben. In Aachen hat ein Prozess gegen einen Krankenpfleger mit schockierenden Vorwürfen begonnen.

Veröffentlicht:
Der angeklagte Krankenpfleger hält sich zwischen Anwälten und Justizangestellten einen Aktenordner vor sein Gesicht, während er zu seinem Platz im Aachener Landgericht gebracht wird.

Der angeklagte Krankenpfleger hält sich zwischen Anwälten und Justizangestellten einen Aktenordner vor sein Gesicht, während er zu seinem Platz im Aachener Landgericht gebracht wird.

© Oliver Berg/dpa

Aachen. Er schwang sich laut Anklage zum „Herrn über Leben und Tod“ auf: Ein Krankenpfleger soll in einer Klinik in Würselen reihenweise Patienten mit tödlichen Injektionen ermordet haben. Motiv: Er habe in seinen Nachtschichten „möglichst wenig Arbeitsaufwand“ haben wollen. „Er sprach den Patienten das Lebensrecht ab“, sagt Staatsanwalt Marius Saalmann zu Beginn des Prozesses vor dem Landgericht Aachen.

Der Deutsche ist wegen neunfachen Mordes und 34-fachen Mordversuchs angeklagt. Alle Taten soll er innerhalb weniger Monate begangen haben, zwischen Ende Dezember 2023 und Mai 2024. Laut Anklage soll er Patienten auf der Palliativ-Station stark sedierende Medikamente gespritzt haben, teils in Kombination mit Schmerzmitteln und in einigen Fällen mehrfach. Das habe in neun Fällen zum Tod der Patienten geführt.

Angeklagter verfügt über herausragendes fachliches Wissen

Der stark tätowierte Angeklagte im grauen Sweat-Shirt verfolgt die Ausführungen des Staatsanwalts aufmerksam und äußerlich ungerührt. Angaben vor Gericht will er zunächst nicht machen.

Lesen sie auch

Im Jahr 2007 hatte der Mann seine Ausbildung als Gesundheits- und Krankenpfleger abgeschlossen, arbeitete dann in verschiedenen Krankenhäusern. Auf der Palliativ-Station des Rhein-Maas Klinikums Würselen sei der Angeklagte, der über ein herausragendes fachliches Wissen verfüge, auf eigenen Wunsch ausschließlich im Nachtdienst eingesetzt worden, schildert der Staatsanwalt.

Lustlos und ohne Motivation bei der Arbeit

Seine Arbeit habe der Pfleger ohne Empathie und mit teils unangemessenem Verhalten den Patienten gegenüber erledigt, lustlos und ohne Motivation. Aufgrund seiner langjährigen Erfahrung habe er von sich „ein Selbstbild der Überlegenheit“ gegenüber Kollegen und Ärzten gehabt und sich nicht an ärztliche Anweisungen gehalten. „Er fühlte sich von den todkranken Patienten und ihren Bedürfnissen genervt und gestört“, sagt Saalmann. „Für ihn waren sie nur zum Sterben auf der Palliativ-Station.“

Lesen sie auch

Deshalb habe er seinen Opfern lebensbedrohliche Injektionen verabreicht – entweder als sie schliefen oder in wachem Zustand unter Ausnutzung ihres Vertrauens. „Dann verließ er das Krankenzimmer und überließ die Patienten sich selbst.“ Als Mordmerkmale sieht die Staatsanwaltschaft niedrige Beweggründe und Heimtücke. Die Ermittlungen waren durch einen Hinweis der Klinik ins Rollen gekommen.

Patienten verfielen in Koma, aus dem sie nicht mehr erwachten

In schneller Folge rattert Saalmann die einzelnen Fälle herunter. Einem 69-jährigen Parkinson-Patienten zum Beispiel soll der Angeklagte mehrfach auf eigene Faust ein starkes Schlafmittel und nicht indiziertes Morphin verabreicht haben. „Er verfiel in einen komatösen Zustand, aus dem er nicht erwachte, und den der Angeklagte durch die andauernde Vergabe der Mittel aufrechterhielt“ – bis die letzte Dosis schließlich zum Tod geführt habe.

„Wir haben es hier mit einem umfangreichen Verfahren und einer Vielzahl von Fällen zu tun“, sagt der Vorsitzende Richter Markus Vogt. „Aber es geht auch um Strukturen und allgemeine Zusammenhänge.“

Prozess soll den Angehörigen Gewissheit geben

In dem zunächst bis Juni terminierten Prozess werden neben medizinischen Sachverständigen voraussichtlich Dutzende Zeugen gehört, vor allem frühere Kollegen und Vorgesetzte des Angeklagten. Zudem gibt es mehrere Hinterbliebene, die als Nebenkläger zu Wort kommen sollen. Letztlich solle der Prozess „den Angehörigen die Unsicherheit nehmen, was geschehen ist“, sagt der Richter.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt unterdessen weiter und nimmt nach Angaben einer Sprecherin nun die früheren beruflichen Stationen des Angeklagten unter die Lupe. Unter anderem hatte der Pfleger in den städtischen Kliniken Köln gearbeitet. Möglicherweise könnte der Fall also noch größere Dimensionen annehmen. (dpa)

Jetzt abonnieren
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Dr. Antigone Fritz und Hubertus Müller sitzen trocken am PC. Dort zu sehen: ein Bild vom Hochwasser in Erftstadt vor drei Jahren.

© MLP

Gut abgesichert bei Naturkatastrophen

Hochwasser in der Praxis? Ein Fall für die Versicherung!

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: MLP
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

© HL

Herbstsymposium der Paul-Martini-Stiftung

Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

EvidenzUpdate-Podcast

Länger leben dank CT? Über die CAUGHT-CAD-Studie und Koronarkalk

Lesetipps
Gemeinsam Patienten gut versorgen – das ist das Ziel der Teampraxis.

© Daryna Terokhina / Getty Images / iStock

Entlastung für Ärztinnen und Ärzte

Physician Assistants: Tipps für den erfolgreichen Praxis-Einsatz

Die Ärzte Zeitung hat jetzt auch einen WhatsApp-Kanal.

© prima91 / stock.adobe.com

News per Messenger

Neu: WhatsApp-Kanal der Ärzte Zeitung