Kooperation

Privatmedizin nach dem Hausarztmodell

Die Teilgemeinschaftspraxis MEDI-Gesundheitsnetz Rhein-Neckar hat Rechtsgeschichte geschrieben: Sie sorgte dafür, dass das in der Berufsordnung verankerte Kooperationsverbot von Teilgemeinschaften mit Apparatemedizinern gestrichen werden muss. Ein Porträt der auf Privatleistungen fokussierten Kooperation.

Von Ingeborg Bördlein Veröffentlicht:

Johannes Dietmar Glaser in seiner Praxis: Der Allgemeinmediziner ist Hauptgeschäftsführer der Teilgemeinschaftspraxis MEDI-Gesundheitsnetz Rhein-Neckar sowie TGP-Koordinator im baden-württembergischen Ärzteverbund MEDI.

HEIDELBERG. "Der ärztliche Einzelkämpfer stirbt aus. Die Zukunft - besonders für die jüngere Ärztegeneration - liegt in der Kooperation."

Für Johannes Dietmar Glaser, Facharzt für Allgemeinmedizin und Sportmedizin aus Leimen bei Heidelberg ist die fachübergreifende Zusammenarbeit in einer MEDI-Teilgemeinschaftspraxis (TGP) das Modell der Wahl im Privatzahlerbereich.

Auch für die älteren niedergelassenen Kollegen: Sie könnten weiterhin in ihrer Praxis als selbstständige Unternehmer arbeiten, ihren Patienten durch den Zusammenschluss von Haus- und Fachärzten verschiedenster Disziplinen aber ein breites Spektrum zusätzlicher privatärztlicher und IGeL- anbieten und damit auch wirtschaftlich profitieren.

Glaser zufolge lassen sich durch die Behandlung von Privat- und IGeL-Patienten "TGP-Fallwerte im zwei- bis dreistelligen Euro-Bereich erzielen", je nach Fachgruppe "ein Mehrfaches des KV-Fallwertes".

Nachfrage nach Privatmedizin

Vom fachübergreifenden Vernetzungsgedanken überzeugt, gründete Glaser als Sprecher der regionalen MEDI-GbR Rhein-Neckar-Süd nach 23-jähriger Praxistätigkeit 2007 zusammen mit den Sprechern der GbR Heidelberg und der GbR Rhein-Neckar-Kreis-Nord vor acht Jahren das "MEDI-Gesundheitsnetz Rhein-Neckar" unter dem Dach des MEDI-Verbundes, dem größten fachübergreifenden Ärzteverbund in Baden-Württemberg.

Inzwischen arbeiten 50 niedergelassene Haus- und Fachärzte aus 14 medizinischen Fachgruppen an 13 verschiedenen Orten im Rhein-Neckar-Kreis als "überörtliche" Teilgemeinschaftspraxis (TGP) zusammen. Die Patienten sollen noch "ihren Haus- und Facharzt" um die Ecke vorfinden und einen ärztlichen Lotsen haben, der sie kompetent durch "den Dschungel der vielfältigen Gesundheitsangebote" führt.

"Die zunehmende Nachfrage nach Vorsorgeleistungen und zusätzlichen Gesundheitsangeboten außerhalb des GKV-Leistungskatalogs können wir für Privatpatienten und Kassenpatienten als IGeL in der TGP bedienen", sagt Glaser. Neben Allgemeinmedizinern und hausärztlich tätigen Internisten sind hier nahezu alle Fachrichtungen von der Augenheilkunde bis zur Urologie vertreten. Glaser betont: "Alle haben in unserer TGP Facharztstatus - in den konkurrierenden Klinik-MVZ nur teilweise".

Jüngst hat MEDI für eine TGP im Neckar-Odenwald-Kreis nach jahrelangem Rechtsstreit mit der Bezirksärztekammer Nordbaden auch den höchstrichterlichen Segen dafür erstritten, Radiologen in ihr TGP-Netzwerk rechtmäßig zu integrieren.

Bundesgerichtshof: Verbot ist verfassungswidrig

Der Bundesgerichtshof hatte es im Sinne der Berufsfreiheit nach Grundgesetz Artikel 12 für verfassungswidrig erachtet, Teilgemeinschaftspraxen die Zusammenarbeit mit Radiologen zu verbieten, wie dies die Berufsordnung von Baden-Württemberg in Anlehnung an die Musterberufsordnung vorgab. Die Landesärztekammer hat dieses Kooperationsverbot daraufhin inzwischen aufgehoben.

Für MEDI-Funktionär Glaser, war dieses Urteil längst überfällig. Endlich würden für niedergelassene kooperierende Haus- und Fachärzte, die in einer TGP organisiert sind, die gleichen Kooperationsbedingungen mit Radiologen gelten wie für MVZ.

Was zeichnet eine TGP-Praxis aus? Ein Privat- oder Kassen-IGeL-Patient möchte beispielsweise einen erweiterten Gesundheitscheck - etwa einen Halsgefäß-Vorsorge-Check vornehmen lassen. "Ich berate ihn ausführlich über Sinn und Zweck der Verfahren, händige ihm zusätzlich ein Infoblatt mit Beschreibung der Behandlungsmöglichkeiten und eine genaue Kostenaufstellung aus und biete ihm aus unserem Facharzt-Pool geeignete Adressen an", erläutert Glaser.

Entscheidet er sich für einen TGP-Kollegen, so unterschreibt er eine Aufklärungsvereinbarung, in der er zunächst über sein Recht auf freie Arztwahl sowie die Konditionen als TGP-Patient informiert wurde und sich einverstanden erklärt, von einem Partnerarzt behandelt zu werden.

Nun kann er dort selbst einen Termin vereinbaren oder die Primärpraxis damit beauftragen. Sind bereits Vorbefunde vorhanden, werden sie dem Kollegen als Zweitbehandler bereits bei Terminvereinbarung per Mail oder Fax übermittelt oder dem Patienten mitgegeben. Der Patient hat bei dem Facharztkollegen einen Terminanspruch innerhalb von acht bis zehn Tagen mit einer Wartezeit von maximal 30 Minuten.

Der erstbehandelnde Arzt wiederum bekommt vom Zweitbehandler spätestens acht bis zehn Tage nach Beendigung der Behandlung den schriftlichen Befund per Fax oder Post. Der Patient erhält eine gemeinsame Rechnung der TGP über die gesamten ärztlichen Leistungen ausschließlich von der Privatärztlichen Verrechnungsstelle, welche die Einzelrechnungen zusammenführt.

120 IGeL-Angebote

Der Leistungskatalog der TGP umfasst ein breites Spektrum von 120 Privatleistungen beziehungsweise IGeL - beispielsweise Akupunktur, Reisemedizin (Beratung, Impfungen), Stressbewältigungsmanagement und Autogenes Training (Gruppenkurse), Heilhypnose, Berufs- und Sporttauglichkeitsuntersuchung, erweiterte Diagnostik etwa bei der Krebs- oder KHK-Vorsorge sowie ambulant operative Wunschleistungen.

 In einem passwortgeschützten internen Mitgliederbereich der TGP-Homepage können die Kollegen die genauen Inhalte und Kosten der IGeL aller TGP-Mitglieder abrufen.

Die kollegiale Zusammenarbeit "der kurzen Wege und kurzen Zeiten" per Telefon, Mail, Fax oder persönlich funktioniert Glaser zufolge komplikationslos und zur vollen Zufriedenheit der Patienten. Seit der TGP-Gründung 2007 habe er über 400 Patienten an seine Praxis-Partner überwiesen und umgekehrt von den Kollegen auch selbst zahlreiche Patienten beispielsweise für seine Stressbewältigungsgruppen überwiesen bekommen.

"Durch die gebündelte Kompetenz in der TGP können wir mit unseren Wahlleistungen Privatpatienten und Kassen-IGeL-Patienten in den eigenen Reihen halten".

Privatpatienten unabdingbar

Für ihn sei das eine elementare Grundlage für das wirtschaftliche Überleben der niedergelassenen Ärzte in Praxen mit alleiniger Unternehmerverantwortlichkeit: "40 Prozent des Umsatzes machen wir mit unseren im Schnitt zehn Prozent Privatpatienten gegenüber nur noch 60 Prozent mit 90 Prozent Kassenpatienten, zitiert er eine aktuelle Studie des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung.

"Auch deswegen wollen wir die Privatpatienten nicht an die vom Steuerzahler finanzierten Universitätsambulanzen oder Klinik-MVZ verlieren", so Glaser.

Strikte Regeln sorgen für den Zusammenhalt

Die TGP-Kollegen sind als Zweitbehandler verpflichtet, die Patienten an den Erstbehandler zurückzuschicken. Außerdem dürfen Patienten, die Privat- oder IGeL erhalten, nicht gleichzeitig per GKV-Chipkarte abgerechnet werden. Die gemeinsamen Leistungskataloge und die entsprechenden Abrechnungsziffern ausschließlich nach GOÄ sind von den Mitgliedern zu beachten und gemeinsam über die PVS abzurechnen. Bei steuerrechtlichen und berufsrechtlichen Fragen haben sich die Mitglieder zuerst an die TGPGeschäftsführung zu wenden, die diese zur Beantwortung an die Experten des MEDI-Verbundes weiterreicht.

Ärzte könnten sich zur Neuaufnahme in die TGP bewerben oder werden von TPG-Kollegen vorgeschlagen. Um Konkurrenz innerhalb der TGP zu vermeiden, wird die Anzahl der aufgenommenen Ärzte je nach Fachgruppe beschränkt : "Wir suchen unsere Partner danach aus, wie sie hinsichtlich ihres Leistungsangebotes und des Praxissitzes zu uns passen und auch bereit sind, sich aktiv einzubringen", sagt Johannes Dietmar Glaser, der als Hauptgeschäftsführer des "MEDI Gesundheitsnetz-Rhein-Neckar" die Vorgespräche mit den Bewerbern führt, bevor sie sich der Mitgliederversammlung vorstellen. Mindestens zwei Drittel der TGP-Mitglieder müssen der Aufnahme zustimmen. Voraussetzung für eine Aufnahme ist die Mitgliedschaft im Ärzteverbund MEDI Baden-Württemberg.

Kosten für die TGP-Mitgliedschaft: 400 Euro einmalige Aufnahmegebühr und 24 Euro Monatsbeitrag. Dafür werden die gemeinsame Homepage gepflegt sowie Mitgliederversammlungen und regelmäßige interne Fortbildungsveranstaltungen organisiert. Eine gewählte Geschäftsführung mit drei ärztlichen Vorständen (Haus- und Fachärzte) vertritt die Interessen der TGP nach außen.

Wie wichtig eine Ärztekooperation mit einem großen Verband im Rücken für den einzelnen Arzt sei, habe das jüngst von MEDI erstrittene BGH-Urteil vom 15.5.2014 zu TGP gezeigt, so Glaser. Der lange Rechtsweg durch mehrere Instanzen sei nur dadurch finanziell zu stemmen gewesen.

Eine endgültige rechtliche Klärung der Gewinnverteilung innerhalb der TGP durch das OLG Karlsruhe steht noch aus. Entspricht die Verteilung nicht dem Anteil der von den Partnerärzten erbrachten persönlichen Leistungen, so sieht die Musterberufsordnung darin eine "verbotene Zuweisung gegen Entgelt".

Anderen TGP in Baden-Württemberg sei seitens der Kammer unterstellt worden, sie hätten sich nur gegründet, um das Verbot der Zuweisung gegen Entgelt zu umgehen, erbost sich Glaser. Er hofft auch diesbezüglich auf eine Gleichstellung der Teilgemeinschaftspraxen mit anderen Gemeinschaftspraxen und Klinik-MVZ sowie anderen freien Berufen wie Rechtsanwalts- oder Steuerberatersozietäten, die ihre Honorarverteilung selbst bestimmen, statt sie einer Kammer vorlegen zu müssen. (bd)

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