Interoperabilität
Prozedere entzweit die Protagonisten
Die gematik ist mit dem Aufbau des Interoperabilitätsverzeichnisses betraut. Nicht jeder IT-Experte sieht diese Aufgabe bei der Betreibergesellschaft der Telematikinfrastruktur in den richtigen Händen.
Veröffentlicht:BOCHUM. Wissenschaftler und Vertreter der Industrie sehen es kritisch, dass die Bundesregierung das geplante Interoperabilitätsverzeichnis für Gesundheits-IT-Systeme in die Hände der Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte (gematik) gelegt hat.
Sie fürchten um die notwendige Unabhängigkeit, da die Betreibergesellschaft der Telematikinfrastruktur die Interessen ihrer Gesellschafter vertritt. Das zeigte sich auf dem "1. Deutschen Interoperabilitätstag" in Bochum.
In dem Verzeichnis sollen laut dem neuen Paragrafen 291e SGB V "technische und semantische Standards, Profile und Leitfäden für informationstechnische Systeme im Gesundheitswesen" festgehalten werden.
Ziel des Verzeichnisses sei es, die Zusammenarbeit und den Datenaustausch zwischen den IT-Systemen zu verbessern, Transparenz über verwendete Standards herzustellen und die Nutzung vorhandener Standards für neue Anwendungen zu unterstützen, berichtete Dr. Christof Gessner von der gematik.
Dabei geht es zum einen um Standards für die elektronische Gesundheitskarte (eGK) und zum anderen um solche für andere Anwendungen. Für sie müssen die Anwender oder Hersteller von IT-Systemen, wissenschaftliche Einrichtungen und andere Organisationen die Aufnahme in das Verzeichnis beantragen.
gematik gibt Referenzempfehlungen
Die gematik soll nicht nur das Verzeichnis aufbauen, sondern auch ein Informationsportal, in dem Inhalt, Verwendungszweck und Finanzierung von elektronischen Anwendungen im Gesundheitswesen beschrieben werden. Dabei sammelt die gematik nicht nur die relevanten Infos, sondern sie bewertet sie auch.
So legt sie fest, welche Standards für welche Anwendungen der eGK verwendet werden. Sie bewertet die Standards, deren Aufnahme beantragt wurde. "Wir wählen daraus bestimmte Standards aus und empfehlen sie als Referenz für IT-Systeme", berichtete Gessner.
Die gematik werde Stellungnahmen einholen, die zusammen mit den Entscheidungen veröffentlicht werden, kündigte er an. "Das Verzeichnis schafft Transparenz und Öffentlichkeit." Das Interoperabilitätsverzeichnis soll Mitte 2017 aufgebaut sein.
Danach muss die gematik das Bundesgesundheitsministerium regelmäßig über das Projekt informieren. Das Ministerium könne nachsteuern und prüfen, ob es in die richtige Richtung geht, betonte der gematik-Experte. Er ist überzeugt: "Das Verzeichnis wird einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Interoperabilität im Gesundheitswesen leisten."
Statt das Interoperabilitätsverzeichnis in die Hände der gematik zu legen, würde es der Medizininformatiker Professor Martin Staemmler für besser halten, eine eigenständige, unabhängige Struktur für die verbindliche Festlegung von Standards und Profilen in einem offenen Verfahren zu schaffen.
"Ich würde mir die Bevorzugung internationaler Standards, Profile und Terminologien gegenüber nationalen, regionalen oder proprietären Vorgaben wünschen", sagte er.
Ruf nach unabhängiger Struktur
Die Aussage Gessners, dass die gematik immer nur für die abgestimmten Interessen ihrer Gesellschafter sprechen kann, ist für Staemmler der beste Beleg für die Notwendigkeit einer unabhängigen Struktur. "Wenn es immer bei irgendwelchen Stakeholdern bleibt, kommen wir nicht weiter."
Auch der Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands Gesundheits-IT Matthias Meierhofer ist skeptisch. "Solange die gematik-Gesellschafter in der Lage sind, eigene Standards zu definieren, wird es zu keiner Akzeptanz kommen." Er sieht hier auch die Politik in der Pflicht.
"Der Gesetzgeber hätte sagen müssen: Wenn es internationale Standards gibt, sollten sie verwendet werden", sagte Meierhofer. Die gematik arbeite mit internationalen Standardisierungsorganisationen zusammen, betonte Gessner. "Die gematik verschließt nicht die Augen vor dem, was in der Welt passiert."