Reaktion auf Umfrage

Radioonkologen brechen Lanze für informierte Patienten

Die Strahlentherapeuten widersprechen UmfrageErgebnissen, wonach informierte Patienten Ärzte zunehmend verunsichern. Sie erachten das Interesse der Patienten als Chance.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:

BERLIN. "Wir schätzen Patienten, die sich selbst umfassend informieren und ermuntern beispielsweise Patienten mit Prostatakrebs, sich vor der Therapiewahl eine Zweitmeinung einzuholen", bringt es Professor Jürgen Debus, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) auf den Punkt.

Die DEGRO reagiert damit auf eine im Juni vorgestellte gemeinsame Online-Umfrage der Bertelsmann Stiftung und der Barmer GEK unter 804 niedergelassenen Vertragsärzten der verschiedensten Fachdisziplinen. Viele niedergelassene Ärzte halten demnach Patienten, die sich vor dem Praxisbesuch umfassend online über ihr Krankheistbild informiert haben, für "problematisch".

Ihre Sorge ist, dass Informationen aus dem Netz das Vertrauensverhältnis gefährden und falsche Erwartungen an Arzt und Therapie wecken.

Fast alle befragten Ärzte bestätigten, dass sich ihre Patienten stärker informieren als noch vor fünf Jahren. Etwa ein Viertel gab an, sich an einem normalen Arbeitstag mit mehr als 30 Prozent der Patienten über solche Informationen auszutauschen. Das begrüßt etwas mehr als die Hälfte der Ärzte; die andere bewertet diesen Trend negativ.

Kompetente Therapieentscheidung

Die DEGRO knüpft an einem positiven Punkt der Befragung an. Immerhin etwas mehr als ein Drittel der Befragten habe angegeben, dass informierte Patienten sich leichter an Entscheidungen für ihre Gesundheit beteiligen könnten.

"Das ist genau der Punkt, an dem wir ansetzen: Wer Grundsätzliches über Krebstherapien weiß – sei es Operation, Chemo- oder Strahlentherapie –, kann zusammen mit dem behandelnden Arzt die für ihn beste Therapieentscheidung treffen und diese auch mittragen", verdeutlicht Debus.

Professor Stephanie Combs, Direktorin der Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie und Radiologische Onkologie am Klinikum rechts der Isar in München, erläutert die Wichtigkeit von Vorab-Informationen am Beispiel des Prostatakarzinoms, an dem in Deutschland jedes Jahr 64 500 Männer neu erkranken.

"Alternative Therapieoptionen müssen besprochen werden"

Für die Behandlung des Prostatakrebses stünden verschiedene Alternativen zur Verfügung. Die Strahlentherapie werde beispielsweise seit langem als schonende Alternative zur Op angeboten. Mit modernen Bestrahlungstechniken träten sehr geringe Nebenwirkungen auf, wie Harninkontinenz oder Potenzstörungen, so die DEGRO-Pressesprecherin.

"Daher müssen Therapiealternativen sowie die Risiken und Nebenwirkungen gemeinsam besprochen und gegeneinander abgewogen werden", erläutert Combs mit Blick auf den Praxisalltag. Aber das erführen längst nicht alle Patienten, wenn sie die Diagnose erhalten, so die Radioonkologin.

Persönliches Gespräch ist wichtig

Dabei gehe es nicht darum, eine Therapie gegen die andere auszuspielen, sondern die für den Patienten am besten geeignete auszuwählen. Das gehe nur in einem persönlichen Gespräch. Das Alter und die persönliche Definition von Lebensqualität seien unter anderem wichtige Entscheidungsparameter.

"Der vorinformierte Patient kann eigene Kriterien einbringen und wir können auf Augenhöhe miteinander sprechen", so Combs weiter. Den ärztlichen Kollegen rät sie, informierte Patienten als Chance zu begreifen:

"Mitunter finden sich sachlich nicht richtige Informationen im Web. Da ist es unsere Aufgabe, unseren Patienten gutes Infomaterial an die Hand zu geben – uns also vorab gegebenenfalls selbst zu informieren, welche Internetseiten oder auch Broschüren gut und seriös sind."

Arzt bleibt der Experte

Wenn ein Patient Krankheit, Behandlungsansätze und mögliche Folgen kenne, könne es ihm auch helfen, mit der Erkrankung besser zurechtzukommen.

"Der Arzt ist und bleibt der Experte – das steht nicht infrage. Dennoch darf der Patient eine Therapieempfehlung hinterfragen und sollte dies vor allem dann tun, wenn er nicht hinter der Therapieentscheidung steht", ergänzt DEGRO-Präsident Debus.

Patienten, die Zweifel an der Einschätzung des Arztes haben, empfiehlt der Radioonkologe, eine zweite Meinung einzuholen. "Und kommt der Patient dann wieder zurück, behandle ich ihn natürlich genauso gern und engagiert wie zuvor auch".

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