Umfrage zeigt

Dr. Google setzt Ärzte unter Druck

Erst Symptome googeln, dann zum Doktor: Viele Patienten kommen informiert in die Arztpraxis. Das belastet das Verhältnis zwischen Arzt und Patient, meinen Mediziner.

Von Marco Hübner Veröffentlicht:
Gesundheitliche Probleme führen viele Patienten nicht zuerst zum Arzt, sondern ins Internet.

Gesundheitliche Probleme führen viele Patienten nicht zuerst zum Arzt, sondern ins Internet.

© apops / fotolia.com

BERLIN. Vor dem Termin in der Praxis auf der Suche nach der Krankheit, die hinter den Schmerzen stecken könnte und nach der Diagnose vom Arzt auf der Suche nach Therapieoptionen: Für einen Großteil der Patienten ist Dr. Google zum alltäglichen Begleiter geworden.

Viele niedergelassene Ärzte hingegen erachten übers Netz informierte Patienten als "problematisch". Ihre Sorge ist, dass Informationen aus dem Netz das Vertrauensverhältnis gefährden und falsche Erwartungen an Arzt und Therapie wecken.

Das ist Ergebnis einer Online-Umfrage der Bertelsmann Stiftung und der Krankenkasse Barmer GEK.

Umfrage unter 804 niedergelassenen Ärzten

In der Studie wurden den Autoren zufolge 804 niedergelassene Ärzte in Deutschland aus unterschiedlichen Fachbereichen befragt. Unter den Teilnehmern befanden sich unter anderem Allgemeinmediziner, Internisten, Gynäkologen sowie Chirurgen.

Als Autorin der Studie wird Anja Bittner genannt. Sie ist als Gründerin des Internetportals www.washabich.de bekannt geworden. Dort können Patienten ihre Befunde zum Beispiel in leicht verständliche Sprache übersetzen lassen.

Hauptbeweggrund für die Bedenken der Ärzte zu informierten Patienten: 45 Prozent der Umfrageteilnehmer stimmten den Studienautoren zufolge der Aussage zu, dass die Selbstinformation der Patienten vielfach unangemessene Ansprüche und Erwartungen wecke.

Das belaste die Arbeit in der Therapie. Fast ein Drittel (30 Prozent) der befragten Ärzte sei zudem der Ansicht, dass die Selbstinformation Patienten häufig verwirre und das Vertrauen zum Arzt beeinträchtige. Knapp ein Viertel der Ärzte rät Patienten sogar aktiv von der eigenständigen Suche nach Informationen ab.

Die Studieenergebnisse legen nahe, das Selbstinformation im Internet inzwischen mehr ist, als nur ein Trend unter Internetenthusiasten.

Fast ein Viertel der teilnehmenden Ärzte bestätigte in der Umfrage, an einem normalen Arbeitstag mit mehr als 30 Prozent der Patienten über deren selbst recherchierte Medizininformationen zu sprechen.

Das sich verändernde Informationsverhalten der Patienten über die letzten fünf Jahre nahmen folglich fast alle Teilnehmer wahr (98 Prozent).

Werden Ärzte im Alltag mit den Eigenrecherchen konfrontiert, fällt das Echo unterschiedlich aus, wobei laut den Umfrageergebnissen das positive Empfinden überwiegt.

Mit Beantwortung zeitlich überfordert

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Die Masse der befragten Ärzte freut sich über das Interesse der Patienten. Mehr als 80 Prozent stimmten dem ganz oder teilweise zu. Aber: Viele sagten, mit der Beantwortung und Beratung zeitlich überfordert zu sein (mehr als 60 Prozent).

Etwa zehn Prozent ärgerten sich darüber, dass der Patient sich mit seiner Frage nicht zuerst an sie gewandt habe. Rund sieben Prozent der Ärtzte haben laut Studie das Gefühl, das der Patient ihnen nicht vertraut.

Klar wurde den Studienautoren zufolge auch, dass die zunehmende Eigenrecherche der Patienten nur bedingt einen positiven Einfluss auf die Arbeit der Ärzte hat.

Nur etwa ein Drittel habe angegeben, Patienten zukünftig noch mehr in Behandlungsentscheidungen einzubeziehen. Und: Nur etwa 50 Prozent der Teilnehmer sagten, sie würden ihre Patienten selbst auf gute Informationsquellen hinweisen.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Praxishelfer Dr. Google

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 19.06.201621:21 Uhr

Verbesserte Arzt-Patienten Kommunikation mit E-Health-Allokation?

Traumhaft, wenn sich die Patienten-Arzt-Patienten Kommunikationen mit E-Health-Allokationen weiter verbessert würde!

Doch die Bertelsmann Stiftung betreibt anlässlich ihrer 2. Gesundheitsmonitor-2016-Studie erneut undifferenziertes Ärzte-"Bashing". Die Autorin der Monitor-Studie, Anja Bittner, kann ihre lnterpretation von "genervten Ärztinnen und Ärzten" nicht ansatzweise belegen. Sie hat niemals in eigener Praxis als Vertragsärztin gearbeitet und keinen Forschungsschwerpunkt über bio-psycho-soziale Erkenntnisse zu Arzt-Patienten-Interaktionen entwickelt.

„Hat sich die Medizin für den mündigen Patienten geöffnet?", fragt die Autorin der Monitor-Studie, Anja Bittner selbst. Ihre Antwort lautet schon im Ansatz völlig schief: "Nein, jedenfalls dann nicht, wenn der Patient seine Informationen aus dem Internet hat. So gab zwar ein Viertel der niedergelassenen Ärzte an, dass sich rund 30% ihrer täglichen Patientinnen und Patienten über das Internet vorinformiert haben. Die 4 häufigsten Themen, über die sich die Patienten informierten, sind laut Umfrage die Therapien, die Symptome, die Behandlungen allgemein und die Kassenleistungen."

Denn professionell interagierende niedergelassene Ärzte stellen zunächst offene Fragen wie "Was führt sie zu mir?" Oder "Was kann ich für sie tun?". Und es geht von der Vorgeschichte (Anamnese) zunächst zu den Krankheits-
B e s c h w e r d e n! Danach erst zu den medizinischen Symptomen und der klinischen Untersuchung. Die Patienten informierten sich am häufigsten "laut Umfrage (über) die Therapien, die Symptome, die Behandlungen allgemein und die Kassenleistungen", noch b e v o r sie sich über ihre eigene Krankheits-Vorgeschichte und die zu schildernden Beschwerden im Klaren geworden sind.

Das ist der entscheidende Grund für Kommunikations-Schieflagen in der Arztpraxis. Die angemessene Detektion von Syndromen, eine zielgerichtete apparativ-technische und labor-chemische Diagnostik, Differenzialdiagnostik, Arbeitsdiagnosen, pathophysiologisch begründete Krankheits-Hypothesen usw. brauchen das vorherige Gespräch mit dem Arzt und Patienten bzw. die Abklärung, worum es eigentlich geht.

"Dr. Google" und das Internet kennen solche qualitätsgesicherten, professionellen Vorgehensweisen nicht: Nahezu alle physiologischen Lebensweisen, normales und abweichendes Verhalten, Varianten der Natur werden unmittelbar pathologisiert, dämonisiert, diskriminiert und mit zwingendem Alarmismus belegt. Der medizinisch-ärztliche Sachverstand bleibt außen vor.

Sogar unter http://www.patienten-information.de/kurzinformationen/seltene-erkrankungen/marfan-syndrom der BÄK und KBV, welche EDV-scheue niedergelassene Ärztinnen und Ärzte angeblich ignorieren wollen, finden sich fragwürdig-falsche Informationen: Auf Seite eins wird das extrem seltene Marfan-Syndrom aufgeführt. Ich selbst habe 2 Patientinnen in meiner Praxis bei 20.000 bisher Behandelten.

Unter www.patienten-information.de
Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) - Im Auftrag von: Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) und Bundesärztekammer (BÄK) findet sich:

"DIE ERKRANKUNG - Das Marfan-Syndrom ist eine erblich bedingte Erkrankung. Durch einen genetischen Fehler wird das Bindegewebe nicht normal gebildet. Bindegewebe kommt fast überall im Körper vor. Betroffen sind daher viele verschiedene Organe und Körperstrukturen, wie Knochen und Gelenke, Augen oder Herz und Blutgefäße. Nach Schätzungen sind etwa 1 bis 2 von 10000 Menschen am Marfan-Syndrom erkrankt. Die Krankheit wird unabhängig vom Geschlecht vererbt. Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen. Ist ein Elternteil erkrankt, besteht eine Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent, dass auch das Kind erkrankt. Bei etwa jedem Vierten wird die Krankheit nicht vererbt, sondern die Erbinformation hat sich zufällig verändert. Das Marfan-Syndrom tritt dann in dieser Familie neu auf."

Bei Erkrankung eines Elternteils

Detlef Bunk 14.06.201612:00 Uhr

Der fehlinformierte Patient – ein ewiges Thema

Im Zusammenhang mit der beginnenden Verbreitung fragwürdiger psychologischer online-Testverfahren im Internet und der Zunahme teil- und fehlinformierter, geängstigter Patienten in Ambulanzen und Praxen schrieb der Kommentator bereits 1999 im Kinder- und Jugendarzt:

„Es ist durchaus möglich, daß zukünftig in den psychiatrisch-psychologischen Praxen Patienten mit selbstgestellten `Internet-Diagnosen` erscheinen und der Kliniker dadurch zunehmend gezwungen sein wird, seine diagnostische Einschätzung dem Patienten gegenüber noch ausführlicher wissenschaftlich fundiert zu begründen. … “ (Bunk 1999)

Der richtig informierte Patient scheint eher die Minderheit zu repräsentieren. Die Zeit ist überreif, für sensible Bereiche wie das Gesundheitswesen Regeln zu schaffen, um die Objektivität und Seriosität von Informationen im Internet erkennen zu können – ein erster Schritt: Angabe von Quellen und Gütekriterien.

Cit:
Bunk, Detlef (1999) Psychologische Screening-Diagnostik zum Ausschluss oder zur Bestätigung von Teilleistungsstörungen. Kinder- und Jugendarzt, 30. Jg, Nr. 11, S.1131-1140.

Dr. phil. Detlef Bunk,
Dipl. Psych. PP, KJP,
Essen

Wolfgang P. Bayerl 14.06.201610:59 Uhr

google möchte wohl, kann aber Ärzte nicht ersetzen, da hilft auch kein Meckern gegen Ärzte!

Auch nicht von anderen Laien.
Ich habe nicht das Allergeringste gegen Patienten, die über sich selbst gut informiert sind, je mehr um so besser,
das erleichtert mir die Arbeit.
Was das mit Augenhöhe zu tun hat, habe ich bis heute nicht verstanden.
Nunja, manchmal ist ja auch Dummheit mit Frechheit kombiniert.
Bei mir ist es extrem selten vorgekommen, dass ein Patient mir vorschreiben wollte wie ich ihn zu operieren hätte.
Ich erinnere mich nur an einen einzigen Fall, da hab ich freundlich nein gesagt und letztlich hat er zugestimmt und es anschließende auch nicht bereut.
Wer hat denn heute "Augenhöhe" gegenüber einem Elektriker oder Flugzeugpilot?
Ganz abgesehen von einem Mitarbeiter der AOK oder gar einer Staatsbehörde oder einem Richter, bei dem man aufstehen muss, wenn er etwas entscheidet.
Der Arzt ist heute zum großen Teil ferngesteuert durch AOK, Staat und Justiz
und nun möchte auch google was von dem Kuchen.

Karl-Georg Vaith 13.06.201619:37 Uhr

" Tempora muatantur, nos et mutamur in illis "

Die Zeiten ändern sich und wir uns mit ihnen !

Nolens volens - ob man will oder nicht.

Die spitze Feder

Clemens M. Hürten 13.06.201613:27 Uhr

Falsche Schlussfolgerung: In Wirklichkeit erfährt man von Ärzten zu wenig!

Ich habe es selbst als Patient sowohl bei Hausärzten als auch bei Fachärzten erlebt:
Ich fühle mich als Patient nicht als vollwertiger mensch wahrgenommen und erhalte dementsprechend viel zu wenige Informationen über eine Krankheit und vor allem deren Folgen und weitere Therapie-Ansätze und Behandlungsmöglichkeiten.

Die Ursache sehe ich in dem Leistungsdruck, unter dem die Ärzte stehen, denn die Pauschale, die sie für ein eingehendes, intensives Gespräch mit dem Patienten erhalten (=sprechende Medizin) ist viel zu knapp bemessen. Zudem warten schon 15 andere Patienten ungeduldig im Wartezimmer.

Vielleicht ist der Arzt auch meist so erschöpft und hat damit einreduziertes Einfühlungsvermögen (Marketing-Menschen würden jetzt sagen: so geringe Kunden-Orientierung), dass er sich nicht die Mühe macht, nachzuspüren, welche Informationen ein Patient denn nun benötigt.

Beim Patienten kommt es dann so an, als ob der Arzt auf einer übergeordneten fachlichen Sphäre schwebt und nicht auf Augenhöhe kommunizieren kann / will.

Um diesem Frust und eventuellen Befürchtungen, mangels eigener Kompetenzen nicht ernst genommen zu werden, "rüstet" der Patient seinerseits auf, indem er versucht, sich im Internet fachkundig zu machen.
Dem Patienten jetzt daraus einen Vorwurf zu machen, wäre ein Vermeidungsverhalten, auch mal selbstkritisch das eigene Verhalten zu prüfen.

Dass die Informationen im Internet oftmals dubios sind und sehr häufig von Interessengruppen wie z.B. der Pharma-Lobby unterwandert sind (z.B. in Selbsthilfeforen) wissen die meisten Patienten nicht, wohl aber die Ärzte. Da fällt es dann leicht, jegliche Äußerungen des Patienten schon allein deshalb abzuwehren, weil er die Informationen dazu aus dem Internet recherchiert hat.

Clemens M. Hürten - Heilpraktiker der Psychotherapie, Rottweil

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