Gesundheits-Apps
Regierung hüllt sich in Nicht-Wissen
Unterwandern Bonusprogramme oder spezielle App-Tarife, die eine gesunde Lebensweise belohnen, das Solidarprinzip der GKV? Nein, meint die Regierung. Sie gibt sich ahnungslos über neue Entwicklungen.
Veröffentlicht:BERLIN. Von gesetzlichen Krankenkassen aufgelegte Bonusprogramme, die das gesundheitsbewusste Verhalten von Versicherten belohnen, höhlen nicht das Solidarprinzip aus. Nach Ansicht der Bundesregierung gibt es gegenwärtig auch keinen Handlungsbedarf bei der Nutzung von Gesundheitsdaten durch private Krankenversicherungen.
In ihrer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen im Bundestag hüllt sich die Regierung überwiegend in Nichtwissen: Weder kann sie etwas über Zahl und Struktur von Bonusprogrammen der Kassen mitteilen, noch hat sie nach eigenen Angaben Kenntnis, ob gesundheitsbezogene Einzelwerte in diesen Programmen berücksichtigt werden.
Und dies, obwohl die bundesunmittelbaren Kassen dem Bundesversicherungsamt (BVA) regelmäßig Bericht über ihre Bonusprogramme erstatten müssen. Nach Auffassung der Grünen-Fraktion wirft die Regierungsstellungnahme mehr Fragen auf, als sie Antworten gibt.
"Kein weiterer Handlungsbedarf"
Mit Blick auf den Einsatz der immer beliebter werdenden Fitness- und Gesundheitsapps zieht sich die Regierung auf die Position des Bundesversicherungsamts zurück: Personenbezogene Daten, die von GKV-Versicherten selbst an eine Kasse übermittel werden, seien "nicht als valider Nachweis" der Teilnahme an einer Präventionsmaßnahme anzusehen.
Das BVA habe in der Vergangenheit die Übermittelung solcher Daten an die Kassen beanstandet. Darauf wurden die Angebote eingestellt, "so dass kein weiterer Handlungsbedarf besteht".
Wenn weder die Datenübermittlung an die Kassen noch die Speicherung von Daten durch externe Dienstleister wie etwa App-Anbieter rechtlich möglich ist, bleibt aus Sicht der Grünen unklar, in welchem Rechtsrahmen Gesundheits-Apps in der GKV überhaupt statthaft sind.
Generali-Pläne seit 2014 bekannt
Noch unwissender gibt sich die Regierung bei verhaltensbasierten Versicherungstarifen in der PKV. Bereits im November 2014 hatte die Generali Pläne für solche Tarife bekannt gegeben. "Über etwaige Planungen der Versicherungsunternehmen hat die Bundesregierung keine Kenntnisse", heißt es – ungeachtet der Tatsache, dass das Unternehmen seine "Vitality"-Produkte im Juli gestartet hat.
Generali zufolge können gesundheitsbewusste Kunden Prämiennachlässe von bis zu 16 Prozent in der Berufsunfähigkeits- und bis zu elf Prozent in der Risikolebensversicherung erzielen. In den Krankenversicherungen soll das Programm 2017 starten.
Mit Blick auf die PKV weicht die Regierung inhaltlichen Positionierungen aus: Die Erhebung und Nutzung der Gesundheitsdaten sei nur nach "vorheriger ausdrücklicher Einwilligung und einer vollständigen und verständlichen Information des Versicherten zulässig".
"Die Bundesregierung wird ihrer Verantwortung in keiner Weise gerecht", kritisiert Maria Klein-Schmeink, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen. Sie fürchtet um die Solidarität unter GKV-Versicherten.
In der PKV sei "der Einsatz von Apps und Wearables ein Einfallstor für die fortschreitende Aushöhlung des sowieso nur rudimentär vorhandenen Solidargedankens".
Bundesregierung: Prinzip Hoffnung
Die Bundesregierung scheint auf das Prinzip Hoffnung zu setzen: Versicherte müssten in die Lage versetzt werden, die Bedeutung ihrer Gesundheitsdaten zu erkennen und "sorgsam und zurückhaltend mit der Weitergabe umzugehen", heißt es.
Die Verbraucherschutzminister der Länder wurden bei ihrer Konferenz im April deutlicher: Um die Diskriminierung von Verbrauchern vorzubeugen, sollte die "Verarbeitung von Gesundheitsdaten aus Wearables und Gesundheits-Apps durch private und gesetzliche Krankenversicherer gesetzlich eingeschränkt werden". Sie sahen "dringenden Handlungsbedarf der Bundesregierung". (Mitarbeit fst)