Finanzen

Rückenwind für den Anlegerschutz

Fehlerhaft informiert in Sachen Geldanlage? Der Bundesgerichtshof hat in der Vergangenheit wiederholt die Rechte der Verbraucher gegenüber Geldinstituten gestärkt. Die Beraterhaftung dürfte Anleger-Klagen einen zusätzlichen Schub geben.

Von Dietmar Kälberer Veröffentlicht:
Bem Beratungsgespräch in Sachen Geldanlage herrscht meist eitel Sonnenschein.

Bem Beratungsgespräch in Sachen Geldanlage herrscht meist eitel Sonnenschein.

© Robert Kneschke / fotolia.com

BERLIN. Susanne G. (Name ist der Redaktion bekannt) wurde im Jahr 2000 Telekom-Aktionärin. Sie war damals beim dritten Börsengang dabei - bald darauf stürzte der Kurs der T-Aktie massiv ab.

Michael S. hatte sich 2006 mit 25.000 Euro an dem geschlossenen Immobilienfonds "IVG EuroSelect 14" beteiligt.

Heute steht er vor einem Totalverlust seines Investments. Martin W. nahm im Herbst 2007 einen Bankkredit über 150.000 Euro auf. Allerdings wurde er von seiner Bank nicht richtig über einen möglichen Widerruf belehrt.

Nach der gültigen Rechtsprechung musste die Bank ihm deshalb auch sieben Jahre später noch den Widerruf gestatten.

Dies sind nur drei Beispiele, wie Verbraucher durch fehlerhafte Informationen geschädigt wurden beziehungsweise ihnen Rechte vorenthalten werden, die ihnen aufgrund von Beratungsmängeln zustehen.

Das Thema Verbraucherrechte im Finanzmarkt ist spätestens seit der Pleite des Windkraftfinanzierers Prokon - um nur einen der jüngeren Skandale zu nennen - auch in der Politik angekommen.

Das von der Bundesregierung im November beschlossene Kleinanlegerschutzgesetz, mit dem Verbraucher besser vor hochriskanten und unseriösen Anlagen geschützt werden sollen, wird voraussichtlich noch dieses Frühjahr in Kraft treten.

Jetzt im Februar nehmen die sogenannten Finanzmarktwächter - Anlageexperten der Verbraucherschutz-Zentralen - ihre Arbeit auf mit dem Ziel, Kleinanleger vor dubiosen Angeboten am grauen Kapitalmarkt rechtzeitig zu warnen.

Musterverfahren funktioniert

Auch in der Rechtsprechung hat sich vieles getan. Nachdem in den vergangenen Jahren Anleger zunehmend häufiger vor Gericht gewannen, fielen auch kürzlich wieder einige Urteile mit großer Wirkung.

Eine besonders interessante Entwicklung zeigt sich bei Kapitalanleger-Musterverfahren, die allmählich Boden gewinnen. So hat der Bundesgerichtshof im November in einem Musterverfahren zum "Medienfonds VIP 3" grundlegende Prospektmängel festgestellt.

Daraus können Anleger nun Schadensersatzansprüche ableiten. Im Prospekt fehlten wichtige Hinweise für die Anleger im Zusammenhang mit einer angeblich bestehenden Bankgarantie.

Die wurde nicht nur von den Anlegern selbst bezahlt, sondern erstreckte sich lediglich auf einen Teil des eingesetzten Kapitals. Beides war für die Anleger nicht klar ersichtlich.

Am VIP 3 hatten sich rund 4900 Anleger mit Kapitaleinlagen in Höhe von insgesamt 235 Millionen Euro beteiligt.

Prospektfehler der Telekom

Der BGH-Beschluss hat weitreichende Folgen über den Fall hinaus auch für andere geschlossene Fonds mit ähnlichen Strukturen - und für die künftige Gerichtspraxis.

Er hat gezeigt, dass das Kapitalanleger-Musterverfahren (dazu noch später) auch bei wirklichen Massenverfahren funktioniert. Die Anzahl der Musterverfahren dürfte künftig sprunghaft steigen.

Dazu trägt auch ein viel beachtetes Urteil bei, das der BGH am 11. Dezember fällte. Er entschied, dass die Deutsche Telekom ihre Anleger im Emissionsprospekt zu ihrem dritten Börsengang im Jahr 2000 falsch informiert hat.

Insgesamt etwa 16.000 Kleinanleger, die dem früheren Staatskonzern irreführende Angaben vorwerfen und rund 80 Millionen Euro Schadensersatz fordern, haben damit einen Teilerfolg erzielt.

Der BGH erkannte im Verkaufsprospekt einen schwerwiegenden Fehler: Die Telekom habe die Anleger bezüglich einer konzerninternen Übertragung von Aktien des US-Unternehmens Sprint Corporation falsch informiert.

Für Anleger wie Susanne G. bedeutet das erhöhte Chancen auf Schadensersatz. Das seit Jahren laufende Kapitalanleger-Musterverfahren gegen die Telekom gilt als der größte Anlegerschutzprozess Deutschlands.

Wenige Tage nach dem Telekom-Termin fällte zudem das OLG München einen mit Spannung erwarteten Musterentscheid gegen die Hypo Real Estate Holding (HRE).

Darin heißt es, die HRE habe 2007 dem Kapitalmarkt die hohen bilanziellen Risiken ihrer milliardenschweren Bestände in sogenannten strukturierten Wertpapieren (insbesondere im US-Subprime-Segment) verschwiegen.

Der Börsenzulassungsprospekt der HRE sei falsch gewesen, da er ein zu optimistisches Bild der Unternehmenslage gezeichnet habe.

Mit diesem Entscheid zur Prospekthaftung schuf das OLG München die Voraussetzungen für konkrete Entschädigungszahlungen an anspruchsberechtigte Investoren.

Beraterhaftung im Fokus

Das Gesetz über Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten ("Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz" - KapMuG) soll geschädigten Anlegern die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen erleichtern.

In Musterverfahren können Tatsachen- und Rechtsfragen, die sich in mindestens zehn individuellen Schadensersatzprozessen gleichlautend stellen, einheitlich durch das Gericht - mit Bindungswirkung für alle Kläger - entschieden werden.

Das KapMuG-Verfahren hat für die Kläger große Kostenvorteile und erspart ihnen den Weg durch die Instanzen. Ein Erfolgsfaktor für Musterprozesse dürfte die inzwischen im KapMuG berücksichtigte Beraterhaftung darstellen.

Geschätzt 95 Prozent der Anlegerprozesse vor deutschen Gerichten betreffen nämlich die Beraterhaftung. Die konnte früher im Rahmen des Musterverfahrens aber gar nicht überprüft werden.

Erst seit Ende 2012 ist das KapMuG nicht nur bei der Prospekthaftung im engeren Sinne, sondern auch bei der Beraterhaftung zulässig, sofern diese auf die Verwendung eines fehlerhaften Prospekts gestützt wird.

Risiko Währungsverlust

Gegenstand zahlreicher Gerichtsverfahren sind auch geschlossene Fonds. Mangelhafte Aufklärung von Anlegern über Vertriebsprovisionen und Risiken führen immer wieder zu Urteilen in Schadensersatzprozessen.

Trotz eines kürzlich erzielten Top-Verkaufspreises für den berühmten Londoner Büroturm "The Gherkin" bleibt für die Anleger des Fonds ¨"IVG EuroSelect 14", dem die Immobilie zur Hälfte gehörte, nichts oder kaum etwas übrig.

Ursache: Währungsverluste in der Kreditfinanzierung durch den starken Schweizer Franken. Kürzlich bekamen geschädigte Anleger von den Landgerichten München und Stade Schadensersatz zugesprochen.

Zudem hatte im Oktober 2014 bereits das LG Frankfurt zum IVG 14 entschieden, dass eine Bank ihre Kunden vor einem Investment über die Verbindung zwischen Treuhänder und Emissionshaus informieren muss.

Gehört der Treuhänder zum Konzern des Emissionshauses, dann besteht ein Interessenkonflikt. Das trifft auf viele geschlossene Fonds zu.

Fehlerhafte Widerrufsbelehrung

Ein Klassiker unter den Streitfällen mit Geldinstituten sind fehlerhafte Widerrufsbelehrungen. Daraus eröffnet sich für viele Bankkunden noch nach Jahren die Möglichkeit, ihre Kreditverträge zu widerrufen und so zu den heute sehr niedrigen Zinsen günstig umzuschulden.

 Obwohl Gerichte immer wieder Klägern in solchen Verfahren Recht gaben, stellen sich manche Banken quer. Dagegen hat das Landgericht Köln im Oktober 2014 die Rechte von Bankkunden erneut gestärkt.

Die Bank hatte einem Kunden mitgeteilt, er dürfe seinen Kreditvertrag nicht widerrufen. Daraufhin hatte die Schutzgemeinschaft für Bankkunden beantragt, der Bank falsche Aussagen in ihrem Schreiben zu untersagen.

Der Kunde hatte bei der Bank 2007 einen Immobilienkredit aufgenommen. Die Widerrufsbelehrung war fehlerhaft, was der Kunde erst im Juli 2014 erfuhr.

Dietmar Kälberer ist Rechtsanwalt und Partner der Berliner Kanzlei Kälberer & Tittel, die darauf spezialisiert ist, geschädigte Kapitalanleger bei Prozessen zu vertreten.

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