Tabaksteuermodernisierungsgesetz
Scholz will Tabaksteuer auf E-Liquids erheben
Bundesfinanzminister Olaf Scholz will künftig Rauchalternativen wie Erhitzer und E-Dampf verstärkt besteuern. Die Industrie findet den Plan gar nicht gut.
Veröffentlicht:Berlin/Frankfurt. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) will das seit 2011 geltende Tabaksteuermodell anpassen und damit explizit Tabakerhitzer und E-Zigaretten adressieren. Tabakerhitzer werden derzeit unter Anwendung des Steuertarifs für Pfeifentabak als Rauchtabak besteuert. Nikotinhaltige Substanzen zur Verwendung in E-Zigaretten – E-Liquids – unterliegen derzeit nicht der Tabaksteuer. „Vor dem Hintergrund der Änderung der Konsumgewohnheiten und des Rückgangs des Absatzes von herkömmlichen Tabakwaren ist das Tabaksteuergesetz“ zu ändern, heißt es auf der Website des Bundesfinanzministeriums (BMF).
Das Tabaksteuermodell soll, wie dem Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Tabaksteuergesetzes (Tabaksteuermodernisierungsgesetz – TabStMoG) zu entnehmen ist, ab dem 1. Januar 2022 fortgeschrieben werden. Für Tabak-Erhitzer solle ab dem 1. Januar 2022 damit eine zusätzliche Steuer eingeführt werden, so dass diese zukünftig wie Zigaretten besteuert werden. E-Liquids sollen ab dem 1. Juli 2022 Steuergegenstand im Sinne des Tabaksteuergesetzes werden und als solche der Tabaksteuer unterliegen.
E-Liquid teurer als zwei Schachteln Verbrennungszigaretten?
Als vollkommen unverhältnismäßig wertet Michal Dobrajc, Erster Vorsitzender des Verbandes des eZigarettenhandels (VdEH), das Ansinnen des Finanzministers, wie aus einer noch unveröffentlichten VdEH-Stellungnahme zum Referentenentwurf hervorgeht, die der „Ärzte Zeitung“ vorliegt. Laut Entwurf solle die Steuer auf E-Liquids zunächst 0,02, später 0,04 Euro pro in der Flüssigkeit enthaltenem Milligramm Nikotin betragen. „Für ein handelsübliches und nach Tabakerzeugnisgesetz (TabakerzG) maximal zulässiges E-Liquid in einer Zehn-Milliliter-Flasche mit einem Nikotingehalt von 20 mg pro ml ergibt dies einen Nikotingesamtgehalt von 200 mg und somit eine Steuerlast von 4,00 Euro bzw. 8,00 Euro pro Flasche zzgl. Umsatzsteuer – insgesamt also bis zu 9,52 Euro. Ausgehend von einem durchschnittlichen Verkaufspreis von ca. fünf Euro für ein handelsübliches E-Liquid, bedeutet die Besteuerung eine Verdreifachung des Verkaufspreises“, rechnet Dobrajc im Gespräch mit der „Ärzte Zeitung“ vor.
Der VdEH versperre sich jedoch nicht dem Dialog, gibt sich der VdEH konziliant. „Wenn und falls eine Steuer auf das Produkt beschlossen werden soll, waren und sind wir zu konstruktiven Gesprächen hinsichtlich einer vernünftigen, auch von gesundheitspolitischen Aspekten getragenen, Ausgestaltung bereit“, so Dobrajc.
Auch das Bündnis für Tabakfreien Genuss (BfTG), das die klein- und mittelständischen Unternehmen der deutschen E-Zigarettenbranche und rund 75 Prozent des deutschen E-Ziga rettenmarktes vertritt, mahnt Scholz in seiner Stellungnahme zum Umdenken. „Eine unverhältnismäßige Steuer schwächt das gesundheitspolitische Ziel des Tabak-Stopps. Nikotinkonsumenten sind auch preissensibel. Von dieser unverhältnismäßig hohen Steuer profitiert letztendlich nur die Tabak-Industrie, da die Konsumenten keine finanzielle Ersparnis erleben und trotz der 95-prozentigen Risikoreduzierung bei E-Zigaretten weiterhin bei der Tabakzigarette bleiben werden“, schreibt das BfTG.
„Es besteht kein Handlungszwang, jetzt eine E-Zigarettensteuer einzuführen. Die EU arbeitet derzeit an einer Novelle der Tabaksteuerrichtlinie – inkl. E-Zigarettensteuer. Es spricht nichts dagegen, die Ergebnisse abzuwarten. Diese werden derzeit ab dem dritten Quartal 2021 erwartet. Bereits jetzt leidet der hiesige E-Zigarettenhandel unter der unterschiedlichen Auslegung von EU-Vorgaben durch die EU-Staaten. Eine europapolitisch unkoordinierte Steuer würde die Situation zusätzlich verschärfen“, ergänzt BfTG-Vorsitzender Dustin Dahlmann im Gespräch mit der „Ärzte Zeitung“.
Konsumverhalten hängt vom Preisgefüge ab
Beide Verbände mahnen eindringlich, die geplante Nikotinsteuer resultierte darin, dass Tabakwaren günstiger würden als E-Liquids. „Ausweichbewegungen von weniger schädlichen E-Zigaretten zum viel schädlicheren Zigarettenkonsum sind die unvermeidliche Folge“ , heißt es in der Stellungnahme des VdEH – mit Verweis auf Erfahrungen aus anderen EU-Mitgliedstaaten.
So sei in Italien 2014 ebenfalls eine Steuer eingeführt geworden, die bei etwa der Hälfte der in Deutschland geplanten Höhe gelegen habe (knapp 4 Euro pro 10 ml). Die Folge binnen kurzer Zeit sei gewesen, dass die Zahl der E- Zigarettenkonsumenten um 70 Prozent gesunken sei, 75 Prozent der Fachhandelsgeschäfte geschlossen hätten, gleichzeitig der Umsatz mit Tabakzigaretten deutlich angestiegen sei – und der Schwarzmarkt floriert habe. 2018 habe sich dann die italienische Regierung gezwungen gesehen, die Steuer um 90 Prozent zu senken, um den unerwünschten Auswirkungen entgegenzutreten. Ähnliche Erfahrungen seien auch in Estland und Ungarn gemacht worden.
Schwarzhandel drückt Steuereinnahmen
Auch die „Studie zur Richtlinie 2011/64/EU des Rates über die Struktur und die Sätze der Verbrauchsteuern auf Tabakwaren“ gehe auf die hohe Kreuzpreiselastizität bei der Versteuerung ein.
Mitgliedstaaten, die derzeit eine nationale Steuer auf E-Zigaretten erheben, hätten Probleme mit der Kontrolle von nicht versteuerten Produkten, die schwarz über die Grenze gebracht werden, hätten. Dies habe sich als eine der Hauptursachen für die begrenzten Steuereinnahmen zum Beispiel in Italien, Portugal und Litauen herausgestellt.