Roche / Novartis

Schweizer Pharmadeal verpufft an der Börse

Roche zahlt 17,9 Milliarden Euro, um 33 Prozent seiner Anteile von Novartis zurückzukaufen. Doch Investoren sind skeptisch: Denn das eine Unternehmen drücken hohe Schulden, dem anderen entgehen millionenschwere Dividendenzahlungen.

Von Richard Haimann Veröffentlicht:
Dank des Verkaufs seiner Roche-Anteile wird Novartis in der 2021-Bilanz einen hohen Sondergewinn verbuchen können.

Dank des Verkaufs seiner Roche-Anteile wird Novartis in der 2021-Bilanz einen hohen Sondergewinn verbuchen können.

© Novartis

Neu-Isenburg. Es ist ein milliardenschwerer Deal – und die Börse reagiert kaum darauf. Am Donnerstag vergangener Woche teilt der Schweizer Pharmagigant Novartis mit, seinen Anteil von 33 Prozent – 53,3 Millionen Aktien – am eidgenössischen Mitbewerber Roche an diesen für 17,9 Milliarden Euro zu verkaufen. Doch Investoren sind nur kurzfristig beeindruckt. Binnen Minuten steigt die Novartis-Aktie um zwei Prozent, das Roche-Papier sogar um vier Prozent. Doch am Ende des Folgetages sind die Kursgewinne beider Aktien wieder perdu, dahingeschmolzen wie Schnee in der Märzsonne.

Das überrascht auf den ersten Blick. „Die bilaterale Transaktion ist für beide Pharmakonzerne positiv“, sagt Keyur Parekh, Analyst der US-Investmentbank Goldman Sachs und stuft beide Werte mit „Kaufen“ ein. Die gemeinsam vereinbarte Aktienrückgabe verhilft Novartis zu einem stolzen Buchgewinn von 14 Milliarden Franken (12,1 Milliarden Euro). Von 2001 bis 2003 hatte Novartis ein Drittel der Anteile an seinem Baseler Wettbewerber für insgesamt fünf Milliarden Franken erworben – und erhält dafür nun das Vierfache zurück.

Reines Finanzinvestment

Die Beteiligung sei ein reines Finanzinvestment gewesen, hieß es immer und wieder – und heißt es auch jetzt. Da der Aktienkurs von Roche jüngst neue Höchststände erreicht habe, sei das Novartis-Management „zum Schluss gekommen, dass nun der richtige Zeitpunkt gekommen ist, um die Beteiligung zu monetisieren“, so Novartis-Chef Vas Narasimhan.

Für Roche wiederum bedeutet der Rückkauf einen Neugewinn an unternehmerischer Freiheit. Die weltweite Nummer Eins im Pharmamarkt – Antikörperspezialist und führender Hersteller von In-vitro-Diagnostika – unterliegt in seinen Entscheidungen künftig nicht mehr dem Vetorecht des bisherigen benachbarten Großaktionärs. „Damit sind wir in Zukunft strategisch noch besser aufgestellt“, beteuert Christoph Franz, Verwaltungsratspräsident von Roche.

Die von Novartis zurückgekauften Aktien will Roche im Rahmen einer Kapitalreduzierung vernichten. Dadurch erfolge eine „Gewinnverdichtung für alle Aktionäre“, sagt Franz. Die bisher auf 159,9 Millionen Aktien ausgeschüttete Dividenden werde künftig auf nur noch 106,6 Millionen Aktien verteilt. Dadurch wächst die Dividende pro Aktie um 49,98 Prozent. Darüber hinaus steige der Streubesitz, der Anteil der frei an der Börse handelbarer Roche-Aktien, von bislang 16,6 auf 24,9 Prozent.

Nur wenn Novartis die Erlöse aus dem Verkauf der Roche-Inhaberaktien für Aktienrückkäufe nutze, könnten die Ergebniseinbußen der Aktionäre kompensiert werden.

Richard Vosser, Analyst der US-Bank JPMorgan

„Dies ermöglicht die Aufnahme der Aktien in den Swiss Performance Index (SPI) sowie weitere Indizes“, teilt Roche mit. Damit ist der Pharmakonzern insbesondere auch gegen künftige Übernahmen gefeit, da 67,5 Prozent der Aktien im Besitz der Gründerfamilie sind, weitere 7,6 Prozent in Händen institutioneller Investoren, die sich langfristig an das Unternehmen gebunden haben. Auf den zweiten Blick erscheint der Deal aus Sicht vieler Börsianer jedoch nicht so attraktiv. Richard Vosser, Analyst der US-Bank JPMorgan, hat nach der Ankündigung die Roche-Aktien mit „Neutral“ eingestuft.

Im Börsenjargon bedeutet dies, dass sich der Kurs in den kommenden zwölf Monaten im Einklang mit dem breiten Markt entwickeln dürfte. Zwar habe „der Rückkauf der bei Novartis liegenden Roche-Aktien einen positiven Einfluss auf das Ergebnis und die Dividende von Roche“, so Vosser. Allerdings muss der Pharmariese Kredite aufnehmen, um den Rückkaufpreis von 19 Milliarden Franken zu stemmen. Zins und Tilgung dürften jahrelang Unternehmensgewinn und Dividende weit drücken.

Dividenden fehlen

Für das Novartis-Papier hat Vosser sogar das Urteil „Untergewichten“ gefällt, was als Verkaufsempfehlung gilt. Laura Sutcliffe, Analystin der Schweizer Großbank UBS, hat die Novartis-Aktie nach der Ankündigung von „Kaufen“ auf „Neutral“ zurückgestuft. Grund für die Skepsis: Novartis zeige organisch nur „ein langsames Umsatzwachstum“, sagt Sutcliffe.

Zudem fehlen dem Unternehmen nun die Dividenden, die es bislang von Roche erhalten hat. Die beliefen sich über den gesamten Zeitraum der Beteiligung auf 5,18 Milliarden Euro. Betrug die von Roche gezahlte Dividende 2019 noch 8,53 Euro pro Aktie, waren es im vergangenen Jahr 8,62 Euro. Für dieses Jahr erwarten Analysten im Schnitt 8,86 Euro und für 2022 sogar 9,20 Euro. Das sind erhebliche Beträge, die Novartis beim eigenen Gewinn und für Dividendenausschüttungen an seine eigenen Aktionäre fehlen werden. Allein 2020 kassierte das Unternehmen 459,45 Millionen Euro Dividenden von Roche. Nur wenn „der Konzern die Erlöse aus dem Verkauf der Roche-Inhaberaktien für Aktienrückkäufe nutze, könnten die Ergebniseinbußen der Aktionäre kompensiert werden“, erläutert Vosser.

Novartis-Vorstandschef Narasimhan gibt sich vorerst vage, was die Verwendung des Erlöses aus dem Verkauf der Roche-Aktien betrifft: „Wir wollen den Erlös aus der Transaktion bei der Kapitalallokation verwenden, um den Wert für unsere Aktionäre zu maximieren.“

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