Schreckgespenst Deflation
Sind US-Aktien nun eine Option?
Die hohen Schulden lassen Europas Wirtschaft schrumpfen. An den Finanzmärkten wächst die Angst vor einer Deflation. Anleger müssen sich auf Jahre niedriger Renditen vorbereiten. Nun schweift der Blick auf US-Aktien als Alternative.
Veröffentlicht:NEU-ISENBURG. Bislang vermeidet Mario Draghi das D-Wort. Der Präsident der Europäischen Zentralbank spricht stattdessen von einer "Inflation, die zu lange zu niedrig bleibt".
Auch Christine Lagarde, Chefin des Internationalen Währungsfonds, bedient sich einer Umschreibung: "Eine potenziell längere Phase mit geringer Inflation kann die Nachfrage und das Angebot unterdrücken - und Wachstum sowie die Entstehung von Arbeitsplätzen verhindern." Beide meinen jedoch dasselbe: Deflation.
"Deflation bedeutet eine Spirale fallender Preise, die die Wirtschaft immer weiter lähmt", erläutert Günter Vornholz, Professor für Immobilienökonomie an der EBZ Business School in Bochum.
"Auslöser sind meist kreditfinanzierte geplatzte Blasen an den Aktien- oder Immobilienmärkten." Verbraucher müssen sparen, um ihre Schulden abzutragen und schränken ihren Konsum ein.
Der Warenabsatz stockt. Unternehmen entlassen Mitarbeiter. Die Kaufkraft sinkt weiter. Produzenten reduzieren erneut ihre Preise und kündigen noch mehr Beschäftigten.
Deflationsopfer Japan
Japan steckt seit 1990, als zeitgleich Blasen an Aktien- und Immobilienmärkten im Land platzten, in der Deflation. Verbraucher waren hoch verschuldet, konnten nicht mehr konsumieren.
Nur der Export nach Europa und in die USA hielt die Wirtschaft am Leben. In Europa ist die Situation heute ähnlich. Von Spanien bis zu den Niederlanden sind die Immobilienmärkte implodiert.
Milliardenschwere Schulden lasten auf Haushalten. Um die Banken zu retten, haben sich die Staaten massiv verschuldet und lähmen mit ihrer rigiden Sparpolitik die Wirtschaft - auch in Deutschland.
Im zweiten Quartal schrumpfte hierzulande das Bruttoinlandsprodukt um 0,2 Prozent. In Frankreich und der Schweiz stagnierte die Konjunktur. Italien ist mit zwei Quartalen negativen Wirtschaftswachstums wieder in die Rezession geraten.
Unternehmen senken deshalb die Preise, um noch Käufer zu finden. Im August fiel die Inflationsrate in der Eurozone auf 0,3 Prozent. Um die Teuerung anzutreiben, will Draghi nun "unkonventionelle Maßnahmen einsetzen" und massiv Staatsanleihen kaufen, um deren Rendite zu drücken.
Das Ziel: Banken sollen ihr Kapital nicht in Anleihen investieren, sondern stattdessen als billige Kredite an Unternehmen und Konsumenten ausreichen. Japans Notenbank versucht dies seit mehr als 20 Jahren - ohne Erfolg: Wer spart, verschuldet sich nicht.
Draghis Ankündigungen zeigen jedoch Folgen: Profiinvestoren flüchten derzeit massiv in langlaufende Staatsanleihen. Dadurch sind die Renditen zehnjähriger Bundesanleihen unter 0,9 Prozent gesunken.
Über Rentenfonds können Anleger dem Beispiel folgen und sich so zumindest noch geringe Zinserträge sichern. Damit stärken sie dennoch ihre Kaufkraft, weil die Preise in der Deflation fallen.
Eine weitere Möglichkeit sind Aktien von US-Unternehmen. Amerikas Wirtschaft brummt. Das Bruttoinlandsprodukt ist im zweiten Quartal mit einer annualisierten Rate von 4,2 Prozent gewachsen.
Währungsgewinne locken
Das verspricht nicht nur steigende Aktienkurse jenseits des Atlantiks.
"Der US-Dollar dürfte auch deutlich gegen den Euro aufwerten", sagt Michael Beck, Leiter Portfolio Management bei der Privatbank Ellwanger & Geiger. Zusätzlich zu Kursgewinnen könnten Anleger so auch noch Währungsgewinne verzeichnen.
Immobilienaktien und -fonds sollten Anleger hingegen meiden. "Immobilien verlieren in der Deflation an Wert, weil Unternehmen und Haushalte immer kleinere Flächen anmieten, um ihre Kosten zu senken", sagt Vornholz.
In Japan sind die Immobilienpreise seit dem Hoch 1990 um mehr als 60 Prozent gesunken. Gold bietet auch keinen Schutz in der Deflation, weil die Nachfrage nach Schmuck sinkt.
Seit März ist die Notierung des Edelmetalls bereits um 8,7 Prozent gefallen.