KfZ-Versicherung

Vorfahrt missachtet? – Die Masche der Unfall-Betrüger

Zum Repertoire bandenmäßigen Betrugs gehören auch geschickt herbeigeführte Autounfälle. Die Versicherungswirtschaft schätzt, dass um die zehn Prozent aller Kfz-Schäden mutwillig herbeigeführt wurden.

Anne-Christin GrögerVon Anne-Christin Gröger Veröffentlicht:
Auffahrunfälle zu provozieren, zählt zu den schwer zu beweisenden Spezialitäten des organisierten Unfall-Betrugs.

Auffahrunfälle zu provozieren, zählt zu den schwer zu beweisenden Spezialitäten des organisierten Unfall-Betrugs.

© benjaminnolte/Fotolia

KÖLN. Irgendwann wurde der Sachbearbeiter der Versicherungsgesellschaft misstrauisch. Innerhalb weniger Wochen lagen immer wieder Schadensmeldungen bei ihm auf dem Tisch, denen Fotos eines Unfallautos vor einer Garage beigelegt waren. Die Garage kam ihm bekannt vor.

Er recherchierte in älteren Unterlagen – und tatsächlich: Im Jahresverlauf waren regelmäßig Bilder von Unfallwagen vor immer derselben Garage aufgenommen und an den Versicherer geschickt worden. Der Sachbearbeiter vermutete zu Recht Betrug – durch eine sogenannte Autocrasher-Bande.

Versicherungsmakler Johannes Brück aus Düsseldorf kann sich noch gut an den Fall erinnern. „Die Masche der Betrüger ist immer gleich.“ Sie lauern mit dem Auto an einer unübersichtlichen Stelle wie einem Kreisverkehr oder mit Rechts-vor-Links-Regelung und überlassen per Handzeichen dem Opfer die Vorfahrt.

Präparierte Zeugen

Wenn der ahnungslose Fahrer losfährt, geben sie ebenfalls Gas und verursachen so absichtlich einen Auffahrunfall. Das Handzeichen bestreitet der Betrüger später. Dann kommen Komplizen in Person präparierter Zeugen, Gutachter und Rechtsanwälte ins Spiel. Brück: „Sie behaupten, das Opfer hätte die Vorfahrt missachtet oder abrupt gebremst und so den Unfall verursacht“.

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) geht davon aus, dass knapp zehn Prozent aller Kfz-Schäden sogenannte Dubiosschäden sind, dazu gehören unter anderem die Fälle der Autocrasher oder Autobumser. „Der Schaden, der Kfz-Versicherern durch Betrug entsteht, liegt geschätzt bei gut zwei Milliarden Euro jährlich“, sagt Andreas Müller-Pahl, Kriminalitätsexperte beim GDV. Davon entfallen rund 1,3 Milliarden Euro auf die Kfz-Haftpflicht, der Rest auf die Kasko-Versicherung. „Die Betrüger bereichern sich auf Kosten unserer ehrlichen Kunden.“

Die Täter sind in der Regel organisierte Banden mit vielen Mitgliedern, bei denen die Beteiligten mal als vermeintliches Opfer und mal als Unfallzeuge auftreten. „Kommt es zu einem Crash, legt der Betrüger der Versicherung des Unfallgegners ein Gutachten vor, das die Reparaturkosten beziffert“, sagt eine Allianz-Sprecherin.

Der Betrag werde kassiert, der Schaden aber nur provisorisch repariert. „Schnell wird der nächste Unfall provoziert, wieder kassiert – und immer die Schuld dem anderen Autofahrer zugeschoben.“ Da unterschiedliche Kfz-Versicherer betroffen seien, fielen die Täter oft jahrelang nicht auf.

Für Polizei und Versicherer ist es deswegen extrem schwierig, einen solchen Betrugsfall zu erkennen. „In der Regel kommt das nur durch Zufall ans Licht“, sagt Makler Brück. Aus diesem Grund sollten Autofahrer selbst wachsam sein und Polizei und Versicherer informieren, wenn ihnen nach einem Unfall etwas seltsam vorkommt, raten Versicherer und Verbraucherschützer.

Der GDV und die Stiftung Warentest haben Indizien gesammelt, die auf einen provozierten Unfall hindeuten. Beliebte Stellen sind Einmündungen paralleler Fahrstreifen, Kreisel, große Parkplätze wie die vor Supermärkten oder Kreuzungen, an denen vor Kurzem die Vorfahrtsregel geändert wurde.

Beweise sichern!

Oft fahren die Betrüger ein Auto der Oberklasse, das meist schon diverse Dellen hat. Laut dem Gutachter, der zur Bande gehört, werden hohe Reparaturkosten fällig. „Täter suchen sich gerne junge unerfahrene Fahrer oder ältere Fahrer aus“, weiß die Stiftung Warentest. Auch Ortsfremde sind leichte Opfer.

Ein weiteres Indiz: „Der Gegner wirkt nach dem Zusammenstoß ruhig und routiniert, wie jemand, der das nicht zum ersten Mal erlebt.“ Und: „Wie aus dem Nichts tauchen Zeugen auf, die den Unfallgegner zu kennen scheinen“.

Wer glaubt, Opfer eines beabsichtigten Unfalls geworden zu sein, sollte auf jeden Fall die Polizei rufen, auch wenn es sich nur um einen Blechschaden handelt. Wichtig ist auch, Beweise zu sichern und Fotos von beiden Unfallfahrzeugen zu machen, bevor die Unfallstelle geräumt wird.

Damit können sich Betroffenen selbst helfen. „Wird der Betrug durch polizeiliche Ermittlungen bewiesen, verweigern wir die Zahlung des gegnerischen Schadens“, so eine Sprecherin der HUK-Coburg. „Stoßen wir während der Regulierung selbst auf Ungereimtheiten, leiten wir bei entsprechenden Erfolgsaussichten Ermittlungen ein, um die Unschuld unseres Kunden beweisen zu können.“ Sei das der Fall, verweigere der Versicherer die Zahlung.

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