Notfall vorm Krankenhaus

Wann Klinikärzte auf dem Bürgersteig Hilfe leisten müssen

Müssen Klinikärzte bei einem Notfall direkt vor den Toren des Krankenhauses Hilfe leisten? Oder dürfen sie dies vielleicht gar nicht? Ein Todesfall in Düsseldorf wirft zahlreiche Fragen auf - und zeigt, dass Ärzte sich auf solche Situationen vorbereiten sollten.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
RTW vor der Klinik: Für Notfälle außerhalb der Klinik sind zunächst einmal die Träger des Rettungsdienstes zuständig.

RTW vor der Klinik: Für Notfälle außerhalb der Klinik sind zunächst einmal die Träger des Rettungsdienstes zuständig.

© Jan Woitas / dpa

KÖLN. Die besonderen Umstände eines Todesfalls sorgen in Düsseldorf für Aufregung: Vor dem Augusta-Krankenhaus bricht ein Mann zusammen und verletzt sich am Kopf, ein Passant bittet den Klinikpförtner um Hilfe.

Dieser informiert keinen Arzt, sondern ruft einen Rettungswagen, der den Patienten nach sieben Minuten in dieselbe Klinik bringt. Er stirbt wenige Stunden später.

Der Tod des Mannes habe nichts mit dem Hergang auf dem Bürgersteig zu tun, hat das Krankenhaus erklärt. "Die Gesamtverfassung des Patienten hat unabhängig von dem Vorfall dazu geführt, dass sein Leben nicht mehr gerettet werden konnte", sagt der Sprecher des Verbunds Katholischer Kliniken Düsseldorf Martin Schicht.

Die Klinik bedauert den Vorfall, geht aber davon aus, dass sie sich medizinisch und juristisch korrekt verhalten hat. Allerdings schließt sie ein Fehlverhalten des Mitarbeiters nicht aus, weil er es versäumt hatte, den diensthabenden Arzt zu informieren. Dieser hätte sich selbst ein Bild von der Lage machen können.

Der zuständige Oberstaatsanwalt Uwe Kessel sieht im Moment keinen Anfangsverdacht einer Straftat. "Ich gehe nach dem derzeitigen Stand weder von unterlassener Hilfeleistung noch von fahrlässiger Tötung aus", sagt er der "Ärzte Zeitung".

Zur Abklärung der Todesursache hat die Staatsanwaltschaft eine Obduktion veranlasst, deren Ergebnisse Freitag Nachmittag noch nicht vorlagen.

Keine berufsrechtliches Fehlverhalten

Die Krankenhausgesellschaft NRW (KGNW) verweist darauf, dass es grundsätzlich eine Abwägung im Einzelfall ist, inwieweit Ärzte und nicht-ärztliche Mitarbeiter im Dienst außerhalb des Krankenhauses Hilfe leisten. "Entscheidend ist die Versorgungssituation im Krankenhaus", sagt Sprecher Mirko Miliniewitsch.

Eine Versorgungspflicht der Klinik besteht nach Angaben der KGNW ausschließlich für aufgenommene Patienten und Patienten, die im Krankenhaus vorstellig oder durch den Rettungsdienst eingeliefert werden. Notfallleistungen außerhalb des Krankenhauses liegen bei den Trägern der kommunalen Rettungsdienste.

Der tragische Vorfall am Augusta-Krankenhaus sollte nach Einschätzung von Miliniewitsch zum Anlass genommen werden zu überprüfen, ob die Krankenhausmitarbeiter auf das Verhalten in solchen Situationen ausreichend vorbereitet sind.

Ein straf- oder berufsrechtliches Fehlverhalten von Ärzten liege offenbar nicht vor, sagt Christina Hirthammer-Schmidt-Bleibtreu, Justiziarin der Ärztekammer Nordrhein. Grundsätzlich hänge es vom jeweiligen Arbeitsvertrag ab, ob davon auch Erste Hilfe außerhalb der Klinik erfasst wird.

Verlässt ein Arzt das Krankenhaus, muss er eine Hilfeleistung möglicherweise auf die eigene Kappe nehmen. Je nach Vertrag ist das nicht von der Haftpflichtversicherung des Krankenhauses erfasst.

Deshalb empfiehlt die Kammer allen Ärzten - auch denjenigen ohne ärztliche Tätigkeit - eine Minimalversicherung abzuschließen. "Sie sind durch ihre Garantenstellung zum Handeln verpflichtet, und jedes ärztliche Handeln muss versichert sein", betont Hirthammer-Schmidt-Bleibtreu.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 29.04.201416:00 Uhr

@ Dr. Christoph Luyken und @ Thomas van de Kolk

Jetzt weiß ich endlich, warum sich die Kitteltaschen der Klinik-Ärztinnen und -Ärzte immer mehr und mehr ausbeulen: Rechts neben dem Stethoskop eine zusammenklapp- und fahrbare Transportliege, ein "Doctors-Kit". Auf dem Kopf ein Miniatur-Blaulicht und -Martinshorn, damit der gute Doktor bei der Ersthilfe im gesamten Klinikviertel nicht versehentlich überfahren wird. Links neben dem Reflexhammer und dem Piepser, mit dem mitgeteilt werden kann, dass man für eine hausinterne Reanimation gerade n i c h t zur Verfügung steht, eine kleine O2-Flasche nebst Maske und das Mini-EKG mit integriertem DEFI. Aus der Reverstasche lugt ein Laryngoskop samt passenden Intubations-Schläuchen heraus. Das Skalpell für die Notfall-Tracheotomie quer zwischen die Zähne geklemmt können "Helfer ohne Grenzen" ausschwärmen, um das Klinik-Umfeld im Sinne aufsuchender Sanitätsarbeit nach potentiellen "Opfern" abzuklappern.

Auweia, da muss ich doch in meinem Praxis-Sessel tagträumend kurz eingenickt sein, dass ich so einen Unsinn zusammenfantasiere!

Doch Spaß beiseite, die Unfallkassen von Ländern, Städten und Gemeinden sind selbstverständlich gleichberechtigt mit Berufsgenossenschaften (hier Gesundheitswesen und Wohlfahrtspflege) Träger der BG-Unfallversicherungen nach SGB 7. Und die Ausführung einer "begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit)" besagt doch gerade, dass man dieser nicht u n b e g r ü n d e t fernbleiben darf, ohne seinen Versicherungsschutz zu gefährden.

"Notarztdienste, Beriebsfeiern, Betriebsport etc. nicht versichert", erinnert schon ein wenig an "Quatsch-Comedy-Club": NAW und RTW-Besatzungen sind im Rahmen ihrer Arbeitsverträge und -aufträge voll versichert. Der vertragsärztlich im Notdienst Tätige nur, wenn er über seine Praxistätigkeit eigene BGUV-Beiträge entrichtet. Betriebsfeiern, Betriebssport etc. sind wie ihr Name schon sagt, betrieblich veranlasst und somit BG-versichert; Ausnahme: Betriebsferien. Aber schon wenn jemand nach einer Betriebsfeier betrunken nach Hause fährt, erlischt dieser BGU-Schutz u. U..

Zum Schluss ein juristisches Trostpflaster: Wer als Erst- und Katastrophenhelfer auch völlig berufsfremd Unfallopfern und Verletzten spontan hilft, wird bei diesen u. U. risikoreichen Tätigkeiten durch den Berufsgenossenschaftlichen Unfallversicherungsschutz automatisch abgedeckt. Die Entscheidung zu dieser Hilfeleistung kann und darf unter Rechtsgüter-Abwägung und konkurrierenden Eigen- und Dritt-Interessen erfolgen: Eigensicherung, Fremdsicherung, Garantenstellung, Haftung für andere Schutzbefohlene, Interessensausgleich und Verfahrensabwägung sind möglich. Der Arzt/die Ärztin müssen nicht alleine retten, bergen, schützen und behandeln, sondern dürfen sich getrost am Ufer zur Reanimation bereithalten, wenn schon andere einen Ertrinkenden aus dem Wasser ziehen wollen.

Mf+kG, Dr.med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Dr. Christoph Luyken 28.04.201422:21 Uhr

Kein Verständnis

Mag die Arbeitsanweisung in der Klinik auch anders lauten - man wird keinem Außenstehenden verübeln können, wenn er für solches (Nicht-) Handeln keinerlei Verständnis aufbringt. Es kann und darf nicht sein, daß einem Notleidenden vor der Tür des Krankenhauses der Zugang in dasselbe nur durch den RTW gestattet wird! Dann muß der Algorithmus eben so erweitert werden, daß die Klinik-Ersthelfer selbstverständlich nicht nur auf dem Klinikgelände, sondern auch auf den unmittelbar angrenzenden Straßen tätig werden können und müssen!

Dr. Thomas Georg Schätzler 28.04.201407:49 Uhr

Bloß keine Missverständnisse: Algorithmus

und nicht irgendwas zwischen Algen, "Tithonos" und Titoismus. MfG

Dr. Thomas Georg Schätzler 26.04.201413:10 Uhr

Glasklarer Algotithmus

Es gibt einen glasklaren Algorithmus und mein völliges Unverständnis für den multimedial unnötig demagogisch aufgebauschten Düsseldorfer Fall:

1. Notfall-Patienten a u f dem Klinikgelände und i n n e r h a l b der Klinikgebäude werden von Klinik-Ersthelfern geborgen, transportfähig gemacht und klinisch in den Funktionsräumen bzw. an Ort und Stelle versorgt.

2. A l l e s andere, was z. B. an öffentlichen Straßen und Plätzen auch direkt an der Klinik angrenzend passiert, kann und darf nur durch die dafür vorgesehenen p r ä k l i n i s c h e n Rettungskräfte und Notärzte versorgt werden bzw. geschieht bei leichteren Fällen durch ambulant tätige Vertragsärzte bzw. Notfallambulanzen.

Beides hat seine juristisch wohl auch einer Justiziarin der Ärztekammer Nordrhein bekannten Gründe:

a) Alle Krankenhausmitarbeiter haben rund um die Uhr eine umfassende G a r a n t e n p f l i c h t den ihnen anvertrauten Patientinnen und Patienten gegenüber. Sie können diese nicht nach Belieben für die Versorgung externer Fälle im Stich lassen.

b) Das gesamte Krankenhauspersonal ist durch die Berufsgenossenschatliche Unfallversicherung (BGU) für Gesundheitswesen und Wohlfahrtspflege geschützt.

c) Dieser Schutz e r l i s c h t automatisch, wenn das Betriebsstättengelände außer zum Zwecke des d i r e k t e n Hin- und Rückwegs von und zur Arbeitsstätte verlassen wird. Klassiker: Die Besorgung am ''Büdchen'' und der Verkehrsunfall bei der Straßenquerung im Dienst und auf dem Heimweg.

d) Die vom Krankenhausträger abgeschlossenen Berufs-Haftpflichtversicherungen beziehen sich nur auf Tätigkeitsmerkmale aus dem Dienst- bzw. Arbeitsvertrag.

Dass der zuständige Oberstaatsanwalt Uwe Kessel im Moment keinen Anfangsverdacht einer Straftat sieht, ist organisiertes ''Kasperle-Theater''. "Ich gehe nach dem derzeitigen Stand weder von unterlassener Hilfeleistung noch von fahrlässiger Tötung aus", heißt doch nichts anderes, dass an der Klinik, dem Träger und dem Krankenhauspersonal irgendetwas ''hängen'' bleiben soll.

Ein straf- oder berufsrechtliches Fehlverhalten von Ärzten auch nur prüfen zu wollen, ist m. E. abwegig. Denn wo kommen wir hin, dass jedwede Passanten mit vermeintlichen oder realen Akutbeschwerden auf der Hospitalstraße nur die Zunge rausstrecken müssen, damit Krankenhausärzte in der Klinik alles stehen und liegen lassen, um zur Rettung aller Kranken außerhalb der Klinikmauern ausschwärmen sollen?

Mf+kG, aber das musste mal gesagt werden! Ihr Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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