Med-Apps
Wie steht es um die Sicherheit?
Medizinische Apps sind auf dem Vormarsch. Doch können die regulatorischen Anforderungen an die Hersteller mit der Entwicklung Schritt halten? Experten sehen zumindest Diskussionsbedarf.
Veröffentlicht:BONN. Röntgenbildbefundung am Tablet-PC, Karzinomkontrolle mittels Smartphone, Beweglichkeits-Check für Parkinsonpatienten to go?
Die Funktionalität medizinischer Apps wird immer professioneller. IOS- und Android-Systeme zusammengenommen sind derzeit schon weit mehr als 50.000 Medical Apps auf dem Markt.
Die Zahl wurde bei einem Expertensymposium des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) am Dienstag dieser Woche in Bonn genannt.
Für Ärzte als Anwender oder auch nur Empfehler solcher mobilen Softwareprogramme stellt sich damit immer öfter die Frage nach Produktsicherheit aber auch nach dem eigenen Haftungsrisiko.
In Bonn wurde deutlich, dass trotz zweifelsfreier Zuordnung medizinischer Apps zu den Medizinprodukten regulatorische, vor allem aber Überwachungs-Defizite bestehen.
Überwachung überfordert?
Seit 2007 zählt das Medizinproduktegesetz auch Software, die vom Hersteller mit einer medizinischen Zweckbestimmung angeboten wird, zu den Medizinprodukten. Apps mit diagnostischen, präventiven oder therapeutischen Funktionen unterliegen damit den einschlägigen Marktzugangs-Regularien.
Medizinprodukte werden in Risikoklassen von I bis III eingeteilt. Ab Klasse IIa müssen sie ein Konformitätsbewertungsverfahren durchlaufen, bei dem Leistungsfähigkeit und Sicherheit geprüft werden.
Zuständig dafür sind sogenannte "Benannte Stellen", etwa der TÜV. Deren Problem: Der Hersteller gibt seinem Produkt die Zweckbestimmung und entscheidet damit zunächst selbst, ob seine App Medizinprodukt ist - und entsprechend geprüft wird - oder nicht.
Damit schlüpfen diejenigen durch die Maschen, "die meinen, sie hätten kein Medizinprodukt, haben aber doch eines", erläuterte bei einem Pressegespräch am Rande des Symposiums Dr. Markus Wagner vom TÜV Süd.
Für die Überwachung des Marktgeschehens sind in Deutschland die Bundesländer zuständig, unter anderem die Regierungspräsidien.
Branchenbeobachter bezweifeln jedoch, dass die Länder die Menge der heute schon angebotenen medizinischen Apps überblicken und sämtliche gemäß Medizinprodukterecht prüfpflichtigen Angebote identifizieren können.
Zusätzlich verschärft wird die unsichere Gemengelage durch den digitalen Vertriebsweg medizinischer Apps.
Anders als in den USA, wo die Zulassungsbehörde FDA Medizinprodukte freigibt - zwischen 2011 und 2013 erhielten 40 medizinische Apps von der FDA grünes Licht -, hat in Deutschland das BfArM keinen Einfluss darauf, welche Medizinprodukte in den Markt kommen oder ob eine App mit medizinischen Funktionen auch als Medizinprodukt validiert ist.
Erst wenn Produktmängel zu gravierenden Anwendungsproblemen führen, die eine Vorkommnismeldung an die Behörde auslösen, kann das BfArM Herstellern und Landesbehörden Korrekturmaßnahmen empfehlen.
Bislang hat das Bundesamt nach eigenem Bekunden überhaupt erst eine Vorkommnismeldung zu einer medizinischen App erhalten.
Dabei ging es um einen Anzeigefehler bei einer App zur Blutzuckerkontrolle. Behördenchef Professor Karl Broich erwartet allerdings, dass sich solche Meldungen in den nächsten Jahren häufen werden.
Amt will Debatte voranbringen
Mittlerweile kämen medizinische Apps auf den Markt, die ungleich elaboriertere Funktionen aufwiesen, als frühere Apps.
Bildgesteuerte Positionierungshilfen für Knie- und Hüftprothesen, Handlungsanweisungen für Laien zur ersten Hilfe oder selbst die Steuerung von Op-Geräten - mit schlichten Patiententagebüchern oder Vitalparameter-Selfies habe das nichts mehr zu tun.
Ärzte, Patienten und Verbraucher müssten sich "darauf verlassen können, dass Apps für medizinische Zwecke klar reguliert und verlässlich geprüft werden", so Broich.
Forderungen nach mehr Initiativrechten des Amtes in Sachen Medizinprodukte und insbesondere Medical Apps wurden zwar nicht laut. Dass Diskussionsbedarf besteht, blieb aber unverkennbar.
Man sehe sich "als Impulsgeber im Sinne des Gesundheitsschutzes", so Broich weiter, um die Diskussion zwischen Politik, Herstellern und Behörden über die regulatorischen Herausforderungen medizinischer Apps voranzubringen.
Auf Nummer sicher gehen
Ärzte sind als Anwender medizinischer Apps haftungsrechtlich auf der sicheren Seite, wenn sie nicht allein auf das CE-Kennzeichen achten, sondern auch auf die vierstellige Kennziffer darunter.
Die weist die "Benannte Stelle" aus, die eine Konformitätsbewertung nach Medizinprodukterecht durchgeführt hat, erläuterte Marcus Wenzel, Manager Regulatory Affairs bei Philips Healthcare.
Da eine solche Prüfung schon ab der Risikoklasse IIa erfolgen muss, tragen die meisten anspruchsvolleren Medizin-Apps - wenn sie denn geprüft sind - immer auch diese Kontrollnummer.