Berufsmonitoring Medizinstudierende
Wie ticken Deutschlands Medizinstudenten?
Ein Großteil der Medizinstudenten möchte später in einer Arztpraxis arbeiten – und nicht im Krankenhaus. Eine Umfrage zeigt auch: Viele können sich eine Niederlassung vorstellen, jeder Zweite strebt aber in eine Gemeinschaftspraxis.
Veröffentlicht:BERLIN. Trotz Bürokratie und Regressgefahr: Drei Viertel aller Medizinstudenten können sich eine Niederlassung vorstellen – auch deshalb, weil sie die Arbeitsbedingungen in Krankenhäusern immer weniger mögen.
Das geht aus dem „Berufsmonitoring Medizinstudierende“ und dem Berufsmonitor Medizinstudium der Berufsvertretung der Medizinstudenten (bvmd) hervor, die die Universität Trier, der bvmd und die Kassenärztliche Bundesvereinigung am Mittwoch in Berlin vorgestellt haben.
Die Befragungen von rund 13.000 Medizinstudenten zeigt Trends auf. Demnach ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nach wie vor der wichtigste Anspruch an das Berufsleben als Ärzte, den die jungen Frauen und Männer an den Universitäten derzeit haben (94,6 Prozent).
Geregelte oder zumindest flexible Arbeitszeiten in ihrem Sinne wünschen sich ebenfalls jeweils mehr als 80 Prozent der Studenten. Gegenüber den Ergebnissen von 2014 ergeben sich hier kaum Unterschiede (siehe nachfolgende Grafik).
Fast Jeder würde angestellt sein
Was ein Arbeitsleben als Inhaber in der eigenen Praxis angeht, sind die Ansprüche von 60,3 Prozent in 2014 auf 53,5 Prozent in 2018 deutlich zurückgegangen.
Mehr als die Hälfte der Befragten (50,6 Prozent) würden sowieso Gemeinschaftspraxen als Arbeitsorte bevorzugen.
Gleich 90 Prozent könnten sich auch vorstellen, angestellt zu arbeiten. Mehr als zwei Drittel würde das auch in einer ambulanten Arztpraxis tun.
Teamarbeit scheint ohnehin ein Zukunftstrend zu sein. 68,2 Prozent der Befragten (2014: 50,6 Prozent) stehen einer Übertragung bislang ärztlicher Aufgaben auf qualifizierte Arztassistenten, Pflegekräfte und Medizinische Fachangestellte offen gegenüber. Nur 15,2 Prozent lehnen diesen Paradigmenwechsel ab.
Der ambulante Sektor insgesamt profitiert von einem eher schlechten Bild der Arbeitsbedingungen in den Kliniken, das die Studenten pflegen. "Es geht nicht mehr nur darum, was für die Praxis, sondern auch darum, was gegen die Tätigkeit in der Klinik spricht", sagte Jana Aulenkamp vom bvmd.
Abschreckende Kliniken
Knapp vier von fünf (78 Prozent) schreckt die hohe Arbeitsbelastung in den Krankenhäusern ab, hat eine eigene Erhebung der Vertretung der Medizinstudierenden ergeben. Auch eine als autoritär wahrgenommene Führungsstruktur, starre Hierarchien und ein starker ökonomischer Druck lässt die angehenden Mediziner vor einer Tätigkeit in der Klinik zurückschrecken.
Um die Allgemeinmedizin ist es wieder etwas besser bestellt. Die Imagepflege der Allgemeinmedizin in den vergangenen Jahren trage Früchte, sagte KBV-Vize Dr. Stephan Hofmeister bei der Vorstellung der Ergebnisse. Waren 2010 noch weniger als 30 Prozent (29,3) von der Allgemeinmedizin als beruflicher Zukunft überzeugt, sind es inzwischen wieder 34,6 Prozent (siehe nachfolgende Grafik).
Das bedeutet jedoch nicht, dass damit auch der Landarzt als Berufsbild ein großes Comeback feiern kann. Für mehr als zwei Fünftel der Befragten ist die Aversion gegen ein Leben auf dem Land so ausgeprägt, dass sie dort nicht als Arzt arbeiten wollen. Ein Drittel würde nicht einmal in eine Stadt mit 10.000 Einwohnern gehen.
Auf der Verliererstraße ist die Chirurgie. Im Praktischen Jahr sehen nur noch 18,1 Prozent der Studierenden Perspektiven in der Chirurgie. Es gebe kein „patriarchalischeres, brutaleres Fach, auch was die Arbeitszeiten angehe“, sagte Hofmeister. In Einklang mit der angestrebten Familienfreundlichkeit der Arbeitsbedingungen lasse sich das oft nicht mehr bringen.
Gespalten bei Digitalisierung
Die Digitalisierung ist ein wenig das Stiefkind der Medizinerausbildung. Mögliche Verbesserungen bei Diagnose, Arbeitsorganisation und Behandlung durch digitale Helfer finden bei den Studenten hohe Zustimmungswerte. Die tatsächlichen Kenntnisse zu Telemedizin, Digitalisierung und Informations- und Wissensmanagement dümpeln bei Werten um zehn Prozent und darunter.
Für KBV-Chef Dr. Andreas Gassen ein willkommener Anlass für eine Spitze gegen die Politik, die neuerdings in der gematik ja die Hauptrolle spielen will: „Die niedrigen Werte beim digitalen Wissen unter den Studenten decken sich mit denen der Politiker zur Digitalisierung in der Medizin. Die haben auch keine Ahnung.“ (af)
Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Jugend gegen Skeptiker