Neue Studienerkenntnisse

Diese Faktoren begünstigen eine Demenz

Wer im mittleren Alter keinen Sport treibt, hat offenbar ein deutlich erhöhtes Risiko, später an Demenz zu erkranken. Und das ist nicht der einzige Risikofaktor im Zusammenhang mit dem Lebensstil, den Forscher entdeckt haben.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Vaskuläre Faktoren und der Lebensstil könnten bei der Entstehung von Demenzerkrankungen eine Rolle spielen.

Vaskuläre Faktoren und der Lebensstil könnten bei der Entstehung von Demenzerkrankungen eine Rolle spielen.

© pathdoc / stock.adobe.com

CHICAGO. Auf die Ergebnisse großer Alzheimer-Präventionsstudien wird man noch ein paar Jahre warten müssen. Doch selbst dann, wenn eine Anti-Amyloid-Behandlung eine Alzheimerdemenz wirksam hinauszögern kann, wird das mitunter nicht genügen.

Aktuelle Studien, die beim internationalen Kongress der Alzheimer's Association (AAIC) in Chicago vorgestellt worden sind, legen nahe, dass vaskuläre Faktoren und der Lebensstil einen ähnlich wichtigen Beitrag zur Alzheimerpathologie leisten wie Amyloidablagerungen und unabhängig von diesen die Neurodegeneration begünstigen.

Es könnte also wichtig bleiben, solche Faktoren nicht aus den Augen zu verlieren. Da es andere Möglichkeiten zur Alzheimerprävention noch nicht gibt, nahmen Beiträge zu Lebensstilfaktoren großen Raum beim Kongress ein.

Stressabbau gegen Demenz

So kam Dr. Ekaterina Zotcheva von der Universität in Trondheim zu dem Schluss, dass regelmäßiger Sport im mittleren Lebensalter das Demenzrisiko senken könnte, viel psychischer Stress das Risiko hingegen erhöht (AAIC 2018; Abstract 23086).

Zotcheva bezog sich auf Angaben zu rund 28.000 Teilnehmern der Nord-Tr¢ndelag Health Study (HUNT). Diese waren zwischen 1984 und 1986 in die Studie aufgenommen und dabei auch nach ihrer körperlichen Aktivität und ihrem psychischen Stress befragt worden.

Wie sich zeigte, erkrankten sporttreibende Teilnehmer später zu 20 Prozent seltener an einer Demenz, und zwar auch dann, wenn andere Demenzrisikofaktoren berücksichtigt worden waren.

Als Sport wurde jegliche schweißtreibende körperliche Tätigkeit anerkannt.

Geldprobleme korrelieren mit Demenzinzidenz

Bei Teilnehmern mit auffälligen Werten auf Angst- und Depressionsskalen fanden die Forscher hingegen ein Drittel häufiger eine Demenz als bei solchen ohne.

Trieben die Ängstlichen und Depressiven ebenfalls Sport, war die Demenzinzidenz ähnlich gering wie bei den Sportlern ohne solche Probleme.

"Eine moderate bis anstrengende körperliche Tätigkeit reduziert die Demenzinzidenz sowohl bei Personen mit als auch ohne psychischen Stress", schlussfolgerte Zotcheva.

Oder anders ausgedrückt: Wer den Stress mit Sport abbaut, beugt möglicherweise einer Demenz vor.

Stress im mittleren Lebensalter scheint auch nach einer Auswertung des US-Versicherers Kaiser Permanente eine Demenz zu begünstigen (Abstract 22648).

Wie Dr. Paola Gilsanz von der Universität in San Francisco berichtete, erkrankten von rund 12.300 Teilnehmern eines regelmäßigen Gesundheit-Check-ups Anfang der 1970er-Jahre später gehäuft solche an einer Demenz, die in der Befragung ernste Sorgen zugaben.

Vor allem finanzielle und berufliche Probleme korrelierten mit der Demenzinzidenz, diese war bei den Betroffenen um rund ein Viertel erhöht.

Demenz bei Afroamerikanern doppelt so häufig

Stress könnte damit auch ein Grund sein, weshalb Menschen mit geringem sozioökonomischem Status gehäuft an einer Demenz erkranken oder eine Demenz bei Afroamerikanern mehr als doppelt so häufig auftritt wie bei weißen US-Bürgern, erläuterte Dr. Laura Zahodne von der Universität in Ann Arbor ihre Studie (Abstract 22139).

Forscher um Zahodne haben die Blutwerte von C-reaktivem Protein von mehr als 11.000 Teilnehmern der Health and Retirement Study ausgewertet. Diese waren Anfang der 1990er-Jahre bestimmt worden. Die Teilnehmer waren damals im Schnitt 52 Jahre alt.

Afroamerikaner und Latinos hatten zu Studienbeginn deutlich häufiger erhöhte Werte des C-reaktivem Proteins (CRP) als Weiße (48 und 40 versus 35 Prozent), auch fühlten sie sich öfter diskriminiert.

Wer sich jedoch diskriminiert fühlte, baute in den folgenden Jahren geistig schneller ab und zeigte auch meist zu Beginn schon eine schlechtere kognitive Leistung.

Dies ließ sich jedoch nur zum Teil mit den erhöhten CRP-Werten erklären. Zahodne schloss daraus, dass Stress wohl nicht nur über entzündliche Prozesse den kognitiven Abbau fördert.

Wenig Omega-3-Fette, wenig graue Substanz

Zu den protektiven Faktoren könnte eine gesunde Ernährung zählen. Diskutiert wird viel über den Nutzen von Omega-3-Fettsäuren zur Demenzprävention, wenngleich sich in den meisten größeren Studien keine Vorteile durch eine Supplementierung mit solchen Fettsäuren feststellen ließen.

Einige Forscher gehen inzwischen davon aus, dass sowohl die Resorption als auch der Stoffwechsel von Omega-3-Fettsäuren bei älteren Menschen und solchen mit Alzheimer gestört sind.

Aussagekräftiger als Ernährungsangaben könnten daher Serumwerte sein: Wie Dr. Claudia Satizabal von der Boston University School of Medicine berichtete, korrelieren Serumwerte von Omega-3-Fettsäuren im mittleren Lebensalter recht gut mit den Volumina von Hirnarealen, die bei Demenz von großer Bedeutung sind (Abstract 22139).

Satizabal bezog sich dabei auf eine Auswertung der dritten Generation der Framingham Heart Study. Bei rund 2200 Teilnehmern im mittleren Alter von 48 Jahren bestimmten die Forscher die Fettsäurezusammensetzung in der Membran roter Blutkörperchen und die Hirnvolumina mittels struktureller MRT.

Dabei zeigte sich, dass die Volumina der grauen Substanz insgesamt sowie des Kortex und des Hippocampus bei den Teilnehmern am größten waren, die in ihren roten Blutkörperchen den höchsten Omega-3-Fettsäureanteil aufwiesen.

In Subgruppenanalysen ergab sich ein Vorteil beim Hippocampus jedoch nur für ApoE4-Träger, diese wiesen zudem bei hohen Omega-3-Fettsäure-Werten weniger Läsionen der weißen Substanz auf und schnitten in Kognitionstests etwas besser ab als ApoE4-Träger mit niedrigen Omega-3-Fettsäure-Konzentrationen.

Einen kausalen Zusammenhang vorausgesetzt, könnte eine gute Versorgung mit Omega-3-Fettsäuren im mittleren Lebensalter die "strukturelle Reserve" des Gehirns stärken und damit einer Demenz vorbeugen – besonders bei Risikopatienten mit ApoE4.

Allerdings ist der Zusammenhang nicht ganz klar, möglicherweise führt ein insgesamt ungesunder Lebensstil zu geringen Omega-3-Fettsäure-Werten im Blut, diese wären dann lediglich ein Marker und nicht unbedingt ein protektiver Faktor.

Zuckerhaltige Getränke erhöhen wohl Alzheimerrisiko

Einen gewissen Spielraum bei der Interpretation lässt auch der Zusammenhang zwischen zuckerhaltigen Getränken und Alzheimerrisiko zu. Ein übermäßiger Konsum solcher Getränke war in großen Kohortenstudien bereits mit einem kleineren Hirnvolumen und einem schlechten episodischen Gedächtnis assoziiert.

Forscher um Dr. Yian Gu von der Columbia University in New York fanden nun auch Hinweise aus der WHICAP-Studie, wonach Personen, die viel gesüßte Getränke konsumieren, vermehrt an Alzheimer erkranken (Abstract 24027).

In der Studie wurden knapp 2300 ältere Menschen mehr als sieben Jahre untersucht, bei rund 430 von ihnen diagnostizierten die Ärzte in dieser Zeit Morbus Alzheimer.

Im Terzil mit dem höchsten Konsum an zuckerhaltigen Getränken nahmen die Teilnehmer etwa 20 Gramm Zucker täglich über solche Getränke zu sich, im Terzil mit dem geringsten Konsum nur 0,4 Gramm am Tag.

Wurden alle bekannten Risikofaktoren für kardiometabolische Erkrankungen und die Kalorienaufnahme berücksichtigt, ergab sich im Terzil mit dem höchsten Konsum eine um rund 50 Prozent erhöhte Alzheimerrate.

Möglicherweise schadet zu viel Zucker dem Insulinstoffwechsel im Gehirn – vielleicht ist ein ausgeprägter Konsum zuckerhaltiger Getränke trotz aller Adjustierungen aber auch wieder nur ein Marker für einen ungesunden Lebensstil.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 24.08.201812:30 Uhr

Studienlage zur Demenz-Prävention nicht auf Allgemeinplätze beschränken!

M. E. sind die Studienerkenntnisse zu den Faktoren, welche eine Demenz begünstigen, viel zu beliebig und unverbindlich.

Frau Prof. Miia Kivipelto weist als Expertin darauf hin, dass Demenzerkrankungen und speziell die Alzheimer-Demenz komplexe, multifaktorielle Erkrankung und keine einfache, monokausale Stoffwechselerkrankungen des Gehirns sind. Neben der spezifischen Pathologie mit Ablagerung von Amyloid Aß42, Tau-Aggregation und Neurodegeneration spielen auch konventionelle Gefäßrisikofaktoren wie Alter, Dyslipidämie, Inflammation und oxidativer Stress eine Rolle. Nicht zuletzt spielt auch die Immunologie der Blut-Hirn-Schranke eine wesentliche Rolle im ursächlichen Krankheitsgeschehen.

„Etwa 30 Prozent des Alzheimer-Risikos lassen sich durch sieben Risikofaktoren erklären, die wir mehr oder minder wirksam beeinflussen können“, betonte Frau Kivipelto. Dazu gehören:
•Diabetes,
•Hypertonie,
•Adipositas,
•Depression,
•körperliche Inaktivität,
•Rauchen, Alkoholabusus und
•geringe Bildung.

Die positiven Entwicklungen in der allgemeinen Krankheitsprävention haben schon zu einer deutlichen Verminderung der Demenz-Inzidenz geführt. Vgl.
http://www.springermedizin.de/demenzinzidenz-in-30-jahren-fast-halbiert/6193892.html von Thomas Müller.

Aber Allgemeinaussagen, dass psychischer Stress das Risiko erhöht (AAIC 2018; Abstract 23086) bedeutet keineswegs automatisch, dass Sport dagegen hilft. Leistungssport ist z.B. auch ein Stressfaktor.

Angst- und Depressionsskalen helfen diagnostisch wenig, weil die Betroffenen zu Ausgleichssport oft gar nicht zu motivieren sind.

Wenn "vor allem finanzielle und berufliche Probleme...mit der Demenzinzidenz korrelieren", erhöht dies bei den Betroffenen die Demenzhäufigkeit um rund ein Viertel, ohne dass wir Ärztinnen und Ärzte dagegen wirklich etwas ausrichten könnten.

Demenz würde bei Afroamerikanern mehr als doppelt so häufig auftreten, wie bei weißen US-Bürgern, erläuterte Dr. Laura Zahodne von der Universität in Ann Arbor ihre Studie (Abstract 22139). Aber woher kommt dann die Erkenntnis, dass Stress und CRP-Erhöhung wirklich kausal korrelieren?

Vollends lächerlich machen sich Forscher, die den objektiv gar nicht vorhandenen Nutzen von Omega-3-Fettsäuren zur Demenzprävention zum Anlass nehmen, ersatzweise zu behaupten, dass sowohl die Resorption als auch der Stoffwechsel von Omega-3-Fettsäuren bei älteren Menschen und solchen mit Alzheimer gestört seien.

Aus der wissenschafts- und erkenntnistheoretischen "Schmuddelecke" wird auch wieder die Zuckertheorie hervorgeholt: Forscher um Dr. Yian Gu von der Columbia University in New York fanden Hinweise aus der WHICAP-Studie, wonach Personen, die viel gesüßte Getränke konsumieren, vermehrt an Alzheimer erkranken (Abstract 24027). Wobei damit das "Henne-Ei-Problem" ungelöst bleibt:
Wie Thomas Müller von der ÄZ zutreffend schreibt, "möglicherweise schadet zu viel Zucker dem Insulinstoffwechsel im Gehirn – vielleicht ist ein ausgeprägter Konsum zuckerhaltiger Getränke trotz aller Adjustierungen aber auch wieder nur ein Marker für einen ungesunden Lebensstil".

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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