Erste WHO-Leitlinie

20 Empfehlungen zur Demenz-Prävention

Mehr körperliche Aktivität, Tabakentzug und eine gründliche Blutdruck- und Blutzuckerkontrolle – das sind nach Auffassung der WHO die wichtigsten Maßnahmen, um die drohende Demenzepidemie einzudämmen.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Maßnahmen zur kognitiven Stimulierung werden von der WHO als hilfreich zur Demenzprävention angesehen.

Maßnahmen zur kognitiven Stimulierung werden von der WHO als hilfreich zur Demenzprävention angesehen.

© Alexander Raths / Fotolia

GENF. Wirksame Medikamente zur Prävention einer Demenz sind derzeit nicht in Sicht – bei einer weiterhin wachsenden und zugleich alternden Bevölkerung könnte die Zahl der Demenzkranken bis zum Jahr 2050 weltweit von derzeit 50 Millionen auf 150 Millionen steigen und damit zu erheblichen Belastungen für die Gesundheitssysteme führen, mutmaßt die Weltgesundheitsorganisation WHO.

Vor zwei Jahren hat sie daher auf der Weltgesundheitskonferenz in Genf einen Aktionsplan vereinbart, um auf die drohende Demenzepidemie zu reagieren. Ein Bestandteil davon ist die Demenzprävention.

Am Dienstag hat die WHO in Genf erstmals konkrete evidenzbasierte Empfehlungen vorgelegt, um die Demenzinzidenz in den kommenden Jahren zu senken. Die Leitlinie ist damit wohl eine der ersten zur Demenzprävention, was sicher an der nicht ganz so guten Evidenz liegt – Daten dazu stammen primär aus Beobachtungsstudien.

Wenig überraschend konzentriert sich die Leitlinie „Risk Reduktion of Cognitive Decline and Dementia“ auf bekannte kardiometabolische Risikofaktoren wie Bewegungsmangel, Alkohol- und Tabakkonsum, Übergewicht, ungesunde Ernährung, Diabetes und Hypertonie; diese gehen alle auch mit einem erhöhten Demenzrisiko einher.

Unterteilung in "stark" und "eingeschränkt"

Interessant ist, welchen Stellenwert die WHO diesen Faktoren jeweils beimisst. Sie unterteilt ihre 20 Empfehlungen in „stark“ und „eingeschränkt“. An starke Empfehlungen sollten sich möglichst alle alternden Menschen halten, hier überwiegt der Nutzen die Risiken.

Für eingeschränkte Empfehlungen gibt es mitunter Alternativen oder sie sind nicht für jeden geeignet. Die wichtigsten Punkte im Überblick:

  • Körperliche Aktivität steht ganz oben auf der WHO-Liste. Dazu rät die WHO mit einer starken Empfehlung allen kognitiv gesunden Erwachsenen. Begründet wird dies mit Dekaden umfassenden Kohortenstudien, in denen die Demenzrate umso geringer war, je mehr sich die Teilnehmer im Laufe ihres Lebens bewegt hatten. Körperliche Aktivität scheint sowohl einen direkten günstigen Einfluss auf Hirnstrukturen zu haben als auch indirekt über verbesserte kardiometabolische Funktionen die Demenzgefahr zu senken.

Als geeignet wird aerobes Ausdauertraining, Krafttraining oder ein Multikomponententraining erachtet. Dabei wird auf bestehende WHO-Empfehlungen verwiesen, wonach Menschen über 65 Jahren mindestens 150 Minuten pro Woche moderat bis intensiv oder 75 Minuten intensiv trainieren sollten.

Von Vitaminsupplementen wird abgeraten

Für Menschen mit bereits bestehenden kognitiven Einschränkungen erachtet die WHO den Nutzen als nicht mehr so groß, hier gibt es nur noch eine eingeschränkte Empfehlung.

  • Die Raucherentwöhnung erhält ebenfalls eine starke Empfehlung, basierend auf Kohortenstudien. Es wird davon ausgegangen, dass im Tabak enthaltende Substanzen das Gehirn direkt schädigen, zusätzlich trägt Rauchen als kardiovaskulärer Risikofaktor zur Demenzentstehung bei. Gewisse Nebenwirkungen seien allenfalls bei einem pharmakologisch unterstützten Tabakentzug zu befürchten, sodass auch hier der Nutzen der Entwöhnung deren Risiken übertreffe, stellt die WHO fest.
  • Eine gute Blutdruckkontrolle bei Hypertonikern erhält ebenfalls eine starke Empfehlung. Nach Studiendaten ist eine Hypertonie vor allem im mittleren Lebensalter für das spätere Demenzrisiko relevant, weniger deutlich ist der Zusammenhang nach der WHO-Analyse für eine Hypertonie in der späten Lebensphase. Wichtig wäre es, eine Hypertonie durch einen gesunden Lebensstil mit viel Bewegung und gesunder Ernährung zu vermeiden und Hypertoniker leitliniengerecht medikamentös zu versorgen, fordern die WHO-Autoren.
  • Von Vitamin- und Fettsäuresupplementen wird ausdrücklich abgeraten, gegen die isolierte Einnahme von Vitamin B, E und mehrfach ungesättigten Fettsäuren gibt es eine starke Empfehlung, Studien hätten hier keine günstigen Effekte auf die Kognition oder das Demenzrisiko ergeben. Hohe Vitamin-E-Dosierungen seien zudem problematisch. Dagegen gibt es eine eingeschränkte Empfehlung für die mediterrane Ernährung sowie eine ausgewogene Ernährung basierend auf vorhandenen WHO-Leitlinien. Dazu gehören viel Obst, Gemüse, Nüsse, Vollkornprodukte, wenig Zucker, wenig Salz und wenig ungesättigte Fettsäuren.
  • Alkoholreduktion, kognitives Training, soziale Aktivität und Gewichtsmanagement erhalten jeweils eine eingeschränkte Empfehlung. Ärzte sollten auch zur Demenzprävention alkoholabhängigen Personen oder solchen mit riskantem Konsum eine Verhaltens- oder Psychotherapie anbieten und dicke Patienten auf Interventionen zum Abnehmen verweisen. Maßnahmen zur kognitiven Stimulierung und gegen soziale Isolierung werden ebenfalls als hilfreich angesehen, die Evidenz für solche Interventionen wird jedoch als schwach bis moderat bewertet.
  • Diabetes, Dyslipidämie, Depression und Hörverlust stehen ebenfalls auf der WHO-Liste der Demenzrisikofaktoren. Hier verweist die Organisation auf bestehende Therapieleitlinien, die es bestmöglich einzuhalten gilt, wobei als Nebeneffekt ein reduziertes Demenzrisiko wahrscheinlich ist.
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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 27.05.201912:12 Uhr

Etwas sehr Vernünftiges von der Weltgesundheitsorganisation WHO

Aber ausgerechnet die Hauptelemente der "20 Empfehlungen der WHO zur Demenz-Prävention" wie

- Körperliche Aktivitätssteigerung
- Raucherentwöhnung
- keine Vitamin- und Fettsäure-Supplementation bei ausgewogener Ernährung
- Alkoholreduktion und -Entwöhnung
- kognitives Training
- soziale Aktivität
- Gewichtsmanagement (Schlagwort: mediterrane Ernährung)

sind nicht ausdrücklich Gegenstand ärztlicher Leistungskataloge bzw. Honorarvereinbarungen in Deutschland. Sie werden dafür umso mehr in blumigen Sonntagsreden von meist medizin-bildungs und -versorgungsfernen Politikern und Funktionären beschworen.

Lediglich

- gute Blutdruckkontrollen
- Diabetes- bzw. Asthma- und COPD-Kontrollen
- Dyslipidämien
- Depressionen
- Hörverlust

sollen im Fokus unserer ärztlichen Bemühungen stehen: Echte Primär und Sekundärprävention der Demenz sehen anders aus!

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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