HIV-Therapie

Ärzte können aus dem Vollen schöpfen

Mehr als 25 antiretrovirale Wirkstoffe und mehrere Fixkombinationen sorgen für den Erfolg der modernen Behandlung von HIV-positiven Menschen. Deren Lebenserwartung hat sich drastisch erhöht.

Peter LeinerVon Peter Leiner Veröffentlicht:
Positiver HIV-Test. Vor Therapiebeginn wird ein HIV-Genotyp-Resistenztest empfohlen.

Positiver HIV-Test. Vor Therapiebeginn wird ein HIV-Genotyp-Resistenztest empfohlen.

© jarun011/stock.adobe.com

Derzeit leben in Deutschland etwa 85.000 Menschen, die mit dem Aids-Erreger HIV infiziert sind. Die medikamentöse Therapie dieser Infizierten mit antiretroviralen Medikamenten ist im Vergleich zum Beginn der Pandemie Anfang der 1980er-Jahre ausgesprochen effektiv geworden. Mit dieser Behandlung haben HIV-Infizierte inzwischen eine fast normale Lebenserwartung.

Heute stehen den Therapeuten mehr als 25 Einzelsubstanzen aus fünf verschiedenen Wirkstoffgruppen zur Verfügung: NRTI (nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren), NNRTI (Nicht-NRTI), Proteasehemmer, Entry-Inhibitoren und Integrasehemmer sowie zwei Booster-Substanzen, also Wirkverstärker. Inzwischen gibt es mehrere Fixkombinationen, die bis zu vier Substanzen in einer Tablette vereinen. 18 Monopräparate liegen auch in Form kindgerechter Darreichungsformen vor.

Genotyp-Resistenztest vor ART

Die antiretrovirale Behandlung (ART) wird allen chronisch mit dem Aids-Erreger infizierten Erwachsenen empfohlen, wie es in der aktuellen Leitlinie der europäischen Aids-Gesellschaft EACS (European Aids Clinical Society) vom Januar 2017 heißt, und zwar unabhängig davon, wie hoch die Zahl der CD4-positiven T-Helferzellen ist. Je niedriger jedoch die Zellzahl sei, umso dringender sei ein frühzeitiger Therapiebeginn. Vor Beginn der antiretroviralen Behandlung wird ein HIV-Genotyp-Resistenztest empfohlen, am besten zum Zeitpunkt der Diagnose, spätestens beim Therapiestart. Sollte es erforderlich sein, die ART noch vor dem Vorliegen des Genotyptests zu beginnen, empfiehlt die EACS, mit einem Präparat zu beginnen, bei dem in der Ersttherapie kaum mit einer Resistenz zu rechnen ist, etwa mit einem geboosterten Proteasehemmer oder Dolutegravir.

Für die initiale Therapie werden stets Kombinationen mehrerer Präparate empfohlen. Drei Optionen fürs Kombinieren schlägt die Gesellschaft in ihrer Leitlinie vor: 2 NRTIs plus 1 Integrasehemmer, 2 NRTIs plus 1 NNRTI oder 2 NRTIs plus einen geboosterten Proteasehemmer. Ist eine Behandlung mit den initial ausgewählten Kombinationen nicht möglich, empfiehlt die Gesellschaft, auf andere Substanzen der jeweils selben Wirkstoffgruppe auszuweichen. Ein Versagen der ART liegt der Leitlinie zufolge vor, wenn die HIV-Viruslast innerhalb von sechs Monaten nach Therapiebeginn über 50 HIV-RNA-Kopien/ml liegt.

Empfehlungen für sofortige ART

Für die primäre HIV-Infektion empfiehlt die Leitlinie in bestimmten Fällen einen sofortigen Therapiebeginn. Dabei ist eine primäre HIV-Infektion anzunehmen, wenn Personen innerhalb der vergangenen sechs Monate einem erhöhten Expositionsrisiko ausgesetzt waren und zudem im Plasma das p24-Ag und/oder die HIV-RNA nachweisbar ist und/oder sich eine Anti-HIV-Antikörper-Reaktivität entwickelt. Zwischen 23 und 92 Prozent der primär Infizierten haben klinische Symptome. Leitsymptome sind Lymphknotenschwellung, Fieber, ein makulopapulöses Exanthem und Myalgien. Zu einer sofortigen ART sollte der Leitlinie zufolge bei einer akuten Infektion, bei ausgeprägten Symptomen, Symptomen einer neurologischen Erkrankung und bei über 50-Jährigen sowie bei einer CD4-T-Helferzellzahl unter 350/µl geraten werden.

Große Hoffnungen setzen HIV-Therapeuten auf die Anwendung breit neutralisierender Antikörper nicht nur in der Vakzineentwicklung, sondern auch für die Therapie. Diese Antikörper sind in der Lage, viele unterschiedliche HI-Viren zu neutralisieren. In einer aktuellen Studie, an der auch deutsche HIV-Therapeuten von der Universitätsklinik Köln teilgenommen haben, sprachen 11 von 13 virämischen HIV-Infizierten rasch auf die Therapie mit dem Antikörper 10-1074 an, der 2012 im Blut eines HIV-Infizierten entdeckt und daraus isoliert worden war: Innerhalb von durchschnittlich zehn Tagen nach der einmaligen Infusion des Antikörpers sank die Zahl der HIV-RNA-Kopien am stärksten (Nat Med 2017; 23: 185–191). Eine signifikante Reduktion der HI-Viren im Blut wurde vom dritten bis zum 27. Tag nach der Infusion dokumentiert. Geplant ist, breit neutralisierende Antikörper zur Unterstützung einer ART zu verabreichen.

Europäische Leitlinie (EACS) empfiehlt

- Für die initiale HIV-Therapie werden stets Kombinationen mehrerer Präparate empfohlen.

- Drei Optionen fürs Kombinieren schlägt die EACS vor: 2 NRTIs plus 1 Integrasehemmer, 2 NRTIs plus 1 NNRTI oder 2 NRTIs plus einen geboosterten Proteasehemmer.

Schlagworte:
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Porträt

Felix Michl: Unternehmer, Jurist und Medizinstudent

Lesetipps
Arzt injiziert einem älteren männlichen Patienten in der Klinik eine Influenza-Impfung.

© InsideCreativeHouse / stock.adobe.com

Verbesserter Herzschutz

Influenza-Impfraten erhöhen: So geht’s!