Das Impf-Dilemma: Bleiben alle gesund, sinkt das Risikobewußtsein
Viele Infektionskrankheiten haben durch Impfungen inzwischen ihren Schrecken verloren. Doch die Akzeptanz von Impfungen sinkt - nicht zuletzt durch die Diskussion um die Schweinegrippe.
Veröffentlicht:BERLIN. Kaum ein Gesundheitsthema ist so viel diskutiert worden, wie die Schweinegrippe. Zurückgelassen wurde eine verwirrte Bevölkerung. "Teilweise stand in einer Zeitung etwas über die Gefahr der Pandemie sowie über einen tödlichen Verlauf einer Impfung", sagte Professor Fred Zepp, Direktor des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin und Mitglied der ständigen Impfkommission (STIKO), anlässlich der Impfwoche vom 24. April bis zum 1. Mai in Berlin. Damit habe man dem Impfgedanken einen Bärendienst erwiesen. Dem stimmt auch Erwin Rüddel (CDU), Mitglied des Bundestages, zu: "Die Diskussion um die Schweinegrippe strahlt nun auf die allgemeine Akzeptanz der Impfungen aus." Dabei seien Impfungen immer noch eine effektive und kostengünstige Maßnahme gegen Infektionskrankheiten. Schließlich könne man damit zehn bis zwölf Prozent der Arbeitsunfähigkeitstage, die auf eine Influenza zurückzuführen sind, reduzieren. Es gebe eine massive Diskrepanz zwischen der Impfquote bei Kleinkindern und älteren Menschen, bemängelte Dr. Gabrielle Ellsäßer vom Landesgesundheitsamt Brandenburg. Sinnvoll wäre ein Präventionsfonds, der länderübergreifend gezielte Maßnahmen zur Erhöhung der Impfquote finanzieren könnte, forderte Ellsäßer.
Es sei immer eine Gefahr, dass -sobald die Bedrohung durch Infektionskrankheiten nachlasse - die Bevölkerung Impfungen nicht mehr in Anspruch nehmen, warnte Zepp. Masern werden zum Beispiel immer noch als harmlose Kinderkrankheit angesehen. Dabei könne man auch diese Erreger - ähnlich wie bei den Pocken - erfolgreich zurückdrängen. Dazu müsse man 95 Prozent der Bevölkerung immunisieren. "Tatsächlich erhalten aber nur 88 Prozent die wichtige und für den Schutz entscheidende zweite Maserimpfung", so Zepp. Allein in Berlin seien Anfang 2010 insgesamt 62 neue Masernfälle an Schulen und Kindergärten gemeldet worden. Hier müsse dringend intensive Aufklärungsarbeit geleistet werden, so Zepp.