Reizdarm

Alte Brotbacktechniken gegen Blähungen

Bei Menschen mit Reizdarm-Syndrom lassen sich Blähungen durch unverdaubare Zucker durch längere Gehzeit beim Teig - wie bei alten Brotbacktechniken üblich - verringern.

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„Slow Baking“ erlaubt dem Teig eine längere Reifezeit und erhöht die Brotqualität.

„Slow Baking“ erlaubt dem Teig eine längere Reifezeit und erhöht die Brotqualität.

© Claudiad / iStockphoto

HOHENHEIM. Weizenprodukte verursachen bei Reizdarm-Patienten schwere Blähungen, unter anderem ausgelöst durch spezielle Zucker, den sogenannten FODMAPs (fermentierbare Oligo-, Di- und Monosaccharide sowie Polyole).

 Das sind im Wesentlichen niedermolekulare Zucker, die im Weizenkorn gespeichert werden. Sie bestehen aus 1-14 Zuckermolekülen und können im Dünndarm nicht ausreichend abgebaut werden. Daher gelangen sie unverdaut in den Dickdarm und können dort Probleme verursachen. Vor allem bestimmte Mehlbestandteile (Fructane) sorgen dafür, dass sich große Mengen Wasserstoff, Kohlendioxid und Methan bilden. Die Gase blähen den Darm auf und bereiten große Schmerzen, heißt es in einer Mitteilung der Universität Hohenheim.

80 kg Brot im Jahr

Im Gegensatz dazu berichten jedoch viele Reizdarm-Patienten, dass ihnen Brot aus alten Getreidesorten (Einkorn, Emmer, Dinkel und Durum) Linderung bringt. Dies und die Tatsache, dass jeder Deutsche 80 kg Brot im Jahr zu sich nimmt, war Grund genug für Professor Dr. Dr. h.c. Reinhold Carle, Lehrstuhl für Technologie und Analytik pflanzlicher Lebensmittel und PD Dr. Friedrich Longin von der Landessaatzuchtanstalt mit ihren Teams herauszufinden, wie viele FODMAPs die verschiedenen Getreidesorten enthalten. Der Analytiker pflanzlicher Lebensmittel und der Pflanzenzüchter bestimmten in einem chromatografischen Analyse-Verfahren die Mengenanteile der niedermolekularen Zucker in den jeweiligen Vollkornmehlen (Journal of Functional Foods" 2016; 25: 257-266).

Das überraschende Ergebnis: Einkorn enthält sogar mehr FODMAPs als Brotweizen. In Emmer, Dinkel und Durum sind sie zwar in geringerer Menge vorhanden, aber nicht in dem Maße, dass sich daraus die von vielen Reizdarmpatienten berichtete Linderung erklären lässt.

Weil offenbar nicht die Grundbestandteile der Getreidemehle die FODMAPs-Gehalte in den daraus hergestellten Gebäcken bestimmen, untersuchten die Forscher im nächsten Schritt die Teigbereitung. Sie analysierten aus den Getreidemehlen bereitete Teige nach einer, zwei, vier und viereinhalb Stunden Gehzeit.

Die höchsten Gehalte an FODMAPs wiesen die Teige bei allen Getreidesorten nach einer Stunde auf, in dem Urgetreide Emmer und Dinkel zwar weniger als in Brotweizen, aber auch dort deutlich mehr als zu Beginn der Teigbereitung. Nach viereinhalb Stunden waren selbst im Teig aus Brotweizen nur noch 10 Prozent der niedermolekularen Zucker enthalten. Die Getreidesorten selbst sind also nicht entscheidend, sondern vor allem die Art der Teigbereitung.

Häufig seien es kleine, traditionell arbeitende Bäckereien, die Produkte aus Urgetreiden herstellen. "Die in der Regel langsamere Brotbereitung im traditionellen Bäckerhandwerk sorgt dafür, dass die Beschwerden verursachenden Bestandteile im Brot bis zum Backen bereits abgebaut sind", erklärte Carle.

"Großbäckereien dagegen backen ihre Teiglinge meistens bereits nach einer Stunde Gehzeit. Das ist der Zeitpunkt, an dem nach unserer Analyse die meisten FODMAPs im Teig enthalten sind."

Und Longin ergänzte: "Nicht der Weizen selbst erscheint uns als unverträglich, sondern die Art und Weise, wie wir daraus Brot bereiten, trägt zu dessen Verträglichkeit bei. Außerdem entfalten sich die Aromen besser. Eine langsamere Teigbereitung erhöht die Brotqualität."

Mehr Eisen und Zink

Zudem ist seit längerem bekannt: Auch Phytate werden bei längerer Teigführung abgebaut. Sie binden die beiden Spurenelemente Eisen und Zink. Sind die Phytate abgebaut, ist mehr Eisen und Zink für den menschlichen Körper verfügbar. Vieles spricht somit für den aktuellen Trend des "Slow Baking", der dem Teig eine längere Reifezeit erlaubt.

Für weitere Untersuchungen plädieren die Forscher der Universität Hohenheim dafür, nicht die Grundstoffe von Lebensmitteln alleine, sondern auch die Art und Weise ihrer Zubereitung zu untersuchen.

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