Urologen-Kongress

Urologen bringen bei Interstitieller Zystitis "Licht ins Dunkel"

Frauen, die dutzende Male täglich zur Toilette müssen, könnten eine interstitielle Zystitis haben. Jetzt gibt es erstmals eine Leitlinie für den deutschsprachigen Raum.

Dr. Thomas MeißnerVon Dr. Thomas Meißner Veröffentlicht:
Die interstitielle Zystitis geht mit 20, 40, ja bis zu 60 Toilettengängen täglich einher sowie mit stechenden Unterleibsschmerzen.

Die interstitielle Zystitis geht mit 20, 40, ja bis zu 60 Toilettengängen täglich einher sowie mit stechenden Unterleibsschmerzen.

© anetlanda / stock.adobe.com

DRESDEN. Licht in "eine Nische, die bislang relativ dunkel war", möchten Professor Thomas Bschleipfer aus Weiden und seine Kollegen bringen. Die Urologen meinen die interstitielle Zystitis/Blasenschmerzsyndrom (IC/BPS), eine chronisch entzündliche Erkrankung der Harnblase, die mit 20, 40, ja bis zu 60 Toilettengängen täglich, mit stechenden Unterleibsschmerzen und mit quälendem Harndrang einhergeht.

Erstmals gibt es jetzt eine Leitlinie für den deutschsprachigen Raum, erstellt unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU). Nach Angaben von Bschleipfer, dem koordinierenden Autor, wird sie in wenigen Tagen auf der AWMF-Seite online gestellt werden.

Unterschiedliche Definitionen

Die interstitielle Zystitis (IC) sei nicht gleichbedeutend mit dem Blasenschmerzsyndrom (BPS – bladder pain syndrome), betonte Bschleipfer beim DGU-Kongress in Dresden.

Die deutschsprachigen Experten grenzen sich damit klar sowohl von den Nordamerikanern ab, die mit ihrer Definition des Krankheitsbildes Millionen von Menschen betroffen sehen, als auch von der European Association of Urology (EAU), deren Leitlinie den Schmerz in den Vordergrund stellt und in deren Empfehlungen der Begriff "interstitielle Zystitis" kaum vorkommt. "Patienten müssen nicht immer Schmerzen haben, aber können dennoch eine IC haben", betonte der Weidener Urologe in Dresden. Man orientiere sich bei der Definition eher an jener von Kollegen im ostasiatischen Raum.

Allein das macht schon deutlich, wie schwer das Krankheitsbild für Nichtspezialisten zu fassen ist. Der Leidensdruck der bevorzugt betroffenen Frauen ist jedoch immens, weshalb trotz der nach deutscher Definition relativ seltenen Erkrankung Aufmerksamkeit für die Problematik geschaffen werden soll. So wird die Prävalenz für Frauen mit 52 bis 500 pro 100.000 angenommen, bei Männern liegt sie zwischen 8 und 41/100.000. Es gibt Überlappungen zum Blasenschmerzsyndrom, zur hypersensitiven Blase und zur überaktiven Blase.

Daher stelle man mit der neuen, konsensbasierten S2k-Leitlinie Fragebögen und Formulare für die körperliche Untersuchung zur Verfügung, die die systematische Erhebung der Befunde erleichtern sollen.

Die Empfehlungen zur weiterführenden Diagnostik wie etwa dem Kaliumchlorid-Test, einem Lidocain-Test sowie Biopsien der Harnblasenwand sind mit "sollte" und "kann" gekennzeichnet. An der Zystoskopie führe letztlich kein Weg vorbei, erklärte Bschleipfer. Dabei können unter anderem die sogenannten Hunner-Läsionen detektiert werden – charakteristische intravesikale Ulzerationen. Es gibt allerdings auch IC/BPS-Patienten vom "Non-Hunner-Typ". Andererseits versuchen die Urologen, mit diversen Untersuchungen das reine Blasenschmerz-Syndrom und andere Erkrankungen zu differenzieren.

Ziel: Individuelles Therapiekonzept

Therapeutisch kommt eine Palette von Optionen in Betracht – ein durchaus schwieriges und langwieriges Unterfangen. Das einzige seit 2017 in Europa zugelassene orale Arzneimittel zur Behandlung bei IC/BPS ist Pentosanpolysulfat.

Letztlich muss ein individuelles Therapiekonzept erarbeitet werden, wofür die Leitlinie ein Stufenschema anbietet, das von Lebensstil- und Ernährungsumstellungen über multimodale medikamentöse und Instillationstherapien bis hin zu Operationen und Rehabilitationsmaßnahmen reicht.

Lesen Sie dazu auch: Mysterium Blasenschmerz-Syndrom

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