"Dritter Weg"

Kirche bietet Gewerkschaften Kommissionssitze an

Und sie bewegt sich doch! Nicht nur die Erde, auch die katholische Kirche. Zwei Jahre hat sie sich Zeit gelassen, um den Gewerkschaften wenige Sitze in ihren Arbeitsrechtlichen Kommissionen anzubieten.

Martin WortmannVon Martin Wortmann Veröffentlicht:

WÜRZBURG. Wir erinnern uns blass: Es war am 20. November im Jahre 2012 nach Christus, als das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt verkündete: Kirchliche Krankenhäuser und kirchliche soziale Dienste können ihre arbeitsrechtlichen Sonderwege beibehalten, müssen dabei aber die Gewerkschaften einbeziehen.

Nun, zwei Jahre später, kam von der bischöflichen Diözesan-Vollversammlung in Würzburg die Reaktion: Na gut, machen wir.

Hintergrund ist das besondere kirchliche Arbeitsrecht. Löhne, Gehälter und weitere Arbeitsbedingungen werden nicht in Tarifverträgen ausgehandelt, sondern überwiegend in einem Sonderverfahren, das - neben Arbeits- und Tarifverträgen - als "Dritter Weg" bezeichnet wird.

Verhandelt wird in paritätisch besetzten "Arbeitsrechtlichen Kommissionen" - notfalls mit anschließender Schlichtung. Einrichtungen von Caritas und Diakonie verstehen sich als "Dienstgemeinschaften" im christlichen Auftrag. Streiks und Aussperrungen sind nach kirchlichem Selbstverständnis damit nicht vereinbar.

Rechtlich stützen sich die Kirchen auf ihr Selbstbestimmungsrecht, das das Grundgesetz ihnen garantiert. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und die Ärztegewerkschaft Marburger Bund (MB) sehen jedoch ihre ebenfalls im Grundgesetz verankerte Koalitionsfreiheit verletzt.

Gewerkschaften müssen Raum bekommen

Mit seinen Grundsatzurteilen hatte das BAG versucht, beide Grundrechtspositionen in einen gerechten Ausgleich zu bringen. Danach können Kirchen, Caritas und Diakonie ihren "Dritten Weg" dann aber auch nur dann weitergehen, wenn sie den Gewerkschaften Raum geben, die Beschäftigten als Mitglieder zu gewinnen und ihre Interessen zu vertreten.

In später Reaktion darauf haben die 27 Diözesanbischöfe nun eine Änderung der sogenannten Rahmenordnung für die "Kommission zur Ordnung des diözesanen Arbeitsvertragsrechts" (Rahmen-KODA-Ordnung) beschlossen. Diese Ordnung regelt die Arbeitsweise der Arbeitsrechtlichen Kommissionen und bildet die Grundlage für die KODA-Ordnungen der einzelnen regionalen Diözesen.

Danach sollen die Kommissionen weiterhin aus gleich vielen stimmberechtigten Dienstgeber- und Arbeitnehmervertretern bestehen. Zusätzlich zu den auch künftig dominierenden gewählten Mitarbeitern können auf Arbeitnehmerseite nun aber auch die Gewerkschaften Vertreter entsenden.

Ihre Zahl hängt von der Organisationsstärke in den jeweiligen kirchlichen Einrichtungen ab; je nach Größe der Kommission sollen es aber mindestens ein bis drei Gewerkschafter sein.

Deren Stühle bleiben allerdings leer, "wenn die Mitarbeit in der Kommission von keiner Gewerkschaft beansprucht wird". Die Arbeitnehmerbank wird gegebenenfalls so aufgestockt, dass die Parität gewahrt bleibt.

Der MB stellt in Frage, ob dies dem "maßgeblichen" Einfluss entspricht, den das BAG gefordert habe. Das im November 2013 von der evangelischen Kirche beschlossene "Arbeitsrechtsregelungsgrundsätzegesetz" überlässt es weitgehend den Landeskirchen, wie viel Einfluss die Gewerkschaften bekommen. Die Übergangszeit läuft erst Ende 2018 aus.

Hauptknackpunkt dürfte aber in beiden Kirchen die Verpflichtung auch der Gewerkschafter auf die kirchlichen Besonderheiten, und damit letztlich der Verzicht auf Streiks sein.

"Ein Streikverbot akzeptieren wir nicht", sagte MB-Sprecher Hans-Jörg Freese der Ärzte Zeitung. Schon zur evangelischen Gesetzesänderung vor einem Jahr hatte der MB den Ausschluss von Streiks als grundgesetzwidrig gerügt.

Gewerkschaften wollen volles Streikrecht

Verdi will das Thema derzeit nicht kommentieren. Hintergrund sind Verfassungsbeschwerden, die beide Gewerkschaften gegen die BAG-Urteile eingelegt haben. In Karlsruhe pochen sie auf ein unabdingbares Streikrecht auch bei kirchlichen Einrichtungen.

Mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur Kündigung eines Chefarztes in einem katholischen Krankenhaus wegen Wiederheirat haben sich die Chancen auf einen Erfolg der Gewerkschaften allerdings nicht gerade gebessert.

Danach sind das kirchliche Selbstbestimmungsrecht und widerstreitende Grundrechte der Arbeitnehmer immer in einen gerechten Ausgleich zu bringen. Und genau dies hat das BAG vor zwei Jahren getan.

Nun ist es also an den Gewerkschaften, sich zu bewegen. Auch sie werden sich aber wohl Zeit lassen - zumindest, bis das Bundesverfassungsgericht über ihre Beschwerden entschieden hat. Nach Auskunft des Gerichts könnte dies im kommenden Jahr geschehen.

Bis dahin werden die Mitarbeitervertreter in den Kommissionen und unzähligen kirchlichen Einrichtungen weiter auf die für sie so wichtige Unterstützung durch gewerkschaftliche Profis warten müssen.

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