Fürths Sportpsychologe Meichelbeck

Darum steht die Sportpsychologie im Abseits

Martin Meichelbeck von der Spielvereinigung Greuther Fürth ist als festangestellter Sportpsychologe eine Ausnahme im deutschen Profifußball. Weil er selbst Profi war, kennt er die Bedürfnisse und Sorgen der Spieler bestens - und weiß, warum die Glitzerwelt Bundesliga ein Problem im Umgang mit Depressionen und Burn-out hat.

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Martin Meichelbeck arbeitet seit zwei Jahren als Sportpsychologe bei der Spielvereinigung Greuther Fürth.

Martin Meichelbeck arbeitet seit zwei Jahren als Sportpsychologe bei der Spielvereinigung Greuther Fürth.

© Daniel Karmann / dpa

Von Thorsten Schaff

FÜRTH. Die Spielvereinigung Greuther Fürth und Bayer Leverkusen sind eine Besonderheit im bezahlten Fußball in Deutschland: Sie sind die einzigen Klubs unter den 36 Erst- und Zweitligisten, die bei einer Umfrage der "Ärzte Zeitung" angaben, einen festangestellten Sportpsychologen für ihre Profis zu haben. Sechs Vereine erklärten, regelmäßig mit externen Psychologen zusammenzuarbeiten.

"Diese Zahlen sind nach wie vor zu gering. Die psychologische Betreuung ist extrem ausbaufähig", findet Martin Meichelbeck, Sportpsychologe des Bundesliga-Aufsteigers Greuther Fürth, und schiebt nach: "Das ist ein großes Paradoxon im Profifußball: Der Kopf steuert den ganzen Körper, doch es wird viel zu wenig dafür getan, dass er auch richtig steuert."

Dabei stecken die Vereine so viel Geld in die Betreuung der Spieler, damit sie sich wohlfühlen, und in die medizinische Versorgung, damit sie nach Verletzungen schnell gesund werden - doch an einer psychologischen und mentalen Hilfe wird offenbar gespart.

Meichelbeck arbeitet seit zwei Jahren bei Greuther Fürth als Sportpsychologe. Vor wenigen Wochen wurde er zudem zum Leiter des Lizenzbereichs berufen. "Ich werde aber auch weiterhin als Sportpsychologe arbeiten", betont er im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".

Seine Besonderheit ist, dass er selbst Profifußballer war. Von 1998 bis 2010 schnürte der heute 35-Jährige seine Schuhe für Fürth und den VfL Bochum, mit dem er jeweils zwei Auf- und Abstiege erlebte. Insgesamt kommt der einstige Abwehrspieler auf 89 Spiele (4 Tore) in der Bundesliga und 79 Einsätze (10 Treffer) im deutschen Fußball-Unterhaus.

Meichelbeck sah sich schon als Arzt

"Eigentlich wollte ich Medizin studieren und später in die Psychiatrie oder Orthopädie gehen, aber dann kam der Profifußball dazwischen", sagt Meichelbeck schmunzelnd. Von daher war es für ihn selbstverständlich, dass er parallel zu seiner Laufbahn als Berufssportler studierte - zunächst Psychologie, danach soziale Verhaltenswissenschaften und Soziologie. Zum Abschluss folgte noch eine sportpsychologische Ausbildung an der Hochschule für Gesundheit und Sport in Berlin.

"Ich sehe es in meiner Arbeit als Vorteil an, selbst Profi gewesen zu sein, weil es mir den Zugang zu den Spielern erleichtert. Sie wissen, dass ich alles, was sie erleben, auch irgendwie durchgemacht habe", sagt Meichelbeck. In seiner Zeit als Berufsfußballer sammelte er erste und positive Erfahrungen mit Sportpsychologie - beim VfL Bochum hatte ihn Thomas Graw betreut, der heute für die österreichische Nationalmannschaft arbeitet.

Allerdings bekam Meichelbeck in einigen anderen Vereinen Negatives mit: "Ein paar unseriöse Mentaltrainer haben sich mal hier, mal dort ausgetobt - meist hatten sie kein Studium oder eine sportpsychologische Ausbildung. Mit ihnen haben die Klubs keine guten Erfahrungen gemacht. Diese schwarzen Schafe haben die Psychologie in Verruf gebracht."

Darunter leide der deutsche Profifußball noch heute. "In den Vereinen gibt es noch Vorurteile gegenüber Sportpsychologen. Die kümmern sich nur um die psychisch kranken und labilen Spieler, denken viele. Das ist aber der total falsche Ansatz", schimpft der Ex-Profi und erklärt: "Sportpsychologie versteht sich in erster Linie als Gedankenstabilisierung und Gedankentraining zur Leistungsoptimierung. Daher muss man sie auch vom psychotherapeutischen Ansatz trennen."

Ein weiterer weitverbreiteter Denkfehler in den Klubs sei, die Psychologie verspreche und garantiere Erfolg. "Da denken einige: Okay, jetzt haben wir einen Sportpsychologen, also gewinnen wir fünf Heimspiele mehr. Da erhält die Psychologie eine Ergebnisabhängigkeit, was total falsch ist. Das macht man ja bei der Physiotherapie auch nicht."

Immer wieder stößt er nicht nur auf Vorurteile, sondern auch auf Unwissenheit. "Unkenntnis ist ein großes Problem. Das habe ich in vielen Gesprächen mit Vereinsvertretern festgestellt. Selbst führende Manager von großen Bundesliga-Vereinen haben keinen Plan, was Sportpsychologie überhaupt ist", beklagt Meichelbeck.

Beratung stets individuell und fußballspezifisch

Seine Arbeit als Sportpsychologe versteht er als Angebot an die Spieler, schließlich habe keiner das Recht, sich einem Menschen aufzudrängen. "Ich bin den ganzen Tag in der Geschäftsstelle erreichbar, schaue mal beim Training zu oder in der Kabine vorbei. Die Spieler können auf mich zukommen und Termine mit mir vereinbaren. Manchmal gehe ich auf die Spieler selbst zu, wenn mir etwas auffällt und teile ihnen meine Beobachtung mit. Wenn sie dann darüber sprechen wollen, setzen wir uns zusammen. Es geht bei uns locker zu, weil es mir wichtig ist, dass sich die Spieler wohlfühlen."

Vorwiegend in Einzelgesprächen, aber auch in Gruppensitzungen arbeitet Meichelbeck mit den Fürther Profis. Mal geht es um mentales Training, Entspannungs- oder Zielsetzungstraining, mal stehen Beratung, Coaching, Interventionen und Gedankenregulation im Vordergrund.

Dabei legt er viel Wert darauf, sehr fußballspezifisch zu arbeiten. Weil die Kicker unterschiedliche Bedürfnisse und Sorgen haben, fällt seine Beratung stets individuell aus.

"Der eine Spieler kommt mit dem Schiedsrichter oder mit den Reaktionen eines Mitspielers oder des Trainers nicht klar, der andere hat damit kein Problem. Dann gibt es Spieler, die es als Herausforderung empfinden, vor 60.000 Menschen zu spielen. Es gibt aber auch welche, die Angst davor haben", berichtet Meichelbeck.

Ein wichtiger Bestandteil seiner Arbeit ist, den Profis beim Umgang mit Leistungsdruck und Stress zu helfen. Der Schlüssel zum Erfolg sei, dass die Spieler individuelle Bewältigungsstrategien entwickeln, um den Anforderungen, die der Profifußball an sie stellt, gerecht zu werden.

"Leistungsdruck ist immer eine subjektive Wahrnehmung. Druck entsteht nicht von außen, er kommt nicht vom Trainer, der auf den Platz schreit, nicht von den vielen Kameras oder durch die Pfiffe der Zuschauer - sondern: Druck entsteht nur im eigenen Kopf."

Für erkrankte Spieler "nicht der geeignete Mann"

Dass sich die Fälle von Spielern häufen, die an Erschöpfungssyndromen, Depressionen oder Burn-out erkranken, mag der ehemalige Verteidiger nicht überbewerten.

"Es handelt sich dabei um Einzelschicksale. Man darf jetzt nicht den Fehler machen, dass man glaubt, der Profifußball biete einen besonderen Nährboden für psychische Erkrankungen."

Sollte er bei einem Fürther Profi psychische Auffälligkeiten bemerken oder sich ein erkrankter Spieler ihm gegenüber öffnen, wäre er "ab dem Moment nicht mehr der geeignete Mann für ihn". Meichelbeck stellt klar: "Dann bedarf es einer Behandlung bei einem Psychotherapeuten oder Psychiater."

Der Sportpsychologe würde - die Einwilligung des Kickers vorausgesetzt - sofort einen Termin bei der Psychiatrie der Uniklinik Erlangen vereinbaren, damit dieser psychiatrisch untersucht werden kann. "Da wir eine Kooperation mit der Klinik haben, könnten wir schnell handeln", berichtet Meichelbeck.

Aber das war bis heute noch nicht nötig.

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