Gefährlicher Marketingtrend

Was steckt hinter dem Protein-Hype?

Protein-Riegel, Eiweiß-Shakes, spezielle Haferflocken: War Protein bislang eher ein Thema für Bodybuilder, bringen immer mehr Hersteller Protein-Produkte ins Supermarktregal. Doch ein Zuviel an Eiweiß kann der Gesundheit schaden – in mehrfacher Hinsicht.

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Protein haben die meisten bisher eher mit Kraftsportlern in Verbindung gebracht. Doch jetzt drängen immer mehr Hersteller mit Produkten für weniger sportliche Konsumenten auf den Markt.

Protein haben die meisten bisher eher mit Kraftsportlern in Verbindung gebracht. Doch jetzt drängen immer mehr Hersteller mit Produkten für weniger sportliche Konsumenten auf den Markt.

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STUTTGART. Im Kühlregal steht ein Milchgetränk mit extra-viel Protein, in der Müsli-Abteilung locken Haferflocken mit Protein-Zusatz und bei den Backwaren liegt Eiweißbrot. Was lange nur im Fitnessstudio zu haben war, hält derzeit Einzug in die Supermärkte: Protein-Produkte. Aber woher kommt der Trend? Und ist das Extra-Eiweiß überhaupt sinnvoll?

"Alle wollen jetzt fit und gesund sein. Eiweiß hat den guten Ruf, dass es sehr gut sättigt", erklärt Ernährungswissenschaftlerin Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). "Es ist ein wichtiger Baustoff für Zellen und Gewebe." Die Entwicklung habe auch mit Ernährungstrends wie Low Carb oder Paleo nach Steinzeit-Vorbild zu tun. Auch vegetarische und vegane Ernährung spiele dabei eine Rolle.

Sättigende Funktion

"Eine höhere Protein-Zufuhr geht mit einer höheren Sättigung einher", erklärt die Ökotrophologin. Proteine seien zwar gut für den Muskelaufbau - das spiele für den Otto-Normal-Verbraucher aber eine untergeordnete Rolle. "Für Lieschen Müller steht eher im Vordergrund: Wenn ich mehr Proteine esse, habe ich weniger Hunger und nehme ab."

Ein Proteinmangel ist aber weniger ein Problem: "Protein ist wirklich in sehr vielen Lebensmitteln enthalten", erklärt Expertin Gahl. "Sie brauchen gar nicht so viel, um diesen Bedarf zu decken." Drei bis vier Scheiben Vollkornbrot, ein Viertel-Liter Milch, ein kleiner Becher Joghurt, eine Portion Kartoffeln und ein Stück Fisch - damit komme man auf 60 Gramm Protein. Das sei etwas mehr als ein erwachsener Mann im Schnitt überhaupt brauche. Bei einer 60-Kilo-Frau seien es nur 48 Gramm.

Marketingtricks gar schädlich?

Sind Extra-Proteine dann überhaupt nötig? "Es ist nicht notwendig", sagt Gahl. "Es schadet aber sicherlich auch nicht." Sie vermute Marketinggründe hinter den Produkten. Selbst für einen Breitensportler, der vier- bis fünfmal pro Woche eine halbe Stunde Sport treibe, reiche die empfohlene Durchschnittsmenge Eiweiß.

Und tatsächlich kann es auch ein Zuviel des Guten geben: "Es gibt Studien, dass eine dauerhaft erhöhte Proteinzufuhr die Nieren schädigen kann", erklärt Gahl. "Protein besteht aus verschiedenen Aminosäuren und das Abbauprodukt im Körper ist Harnstoff." Dieses Plus an Harnstoff müsse die Niere bewältigen. Insofern könne dauerhaft zu viel Protein unter Umständen der Niere schaden.

Präzisierte Aussagen

Auf Nachfrage der Ärzte Zeitung hat die Ernährungswissenschaftlerin Gahl präzisiert: "Eine systematische Übersichtsarbeit zum Zusammenhang zwischen der Proteinzufuhr und der Gesundheit älterer Menschen (insgesamt 23 Studien, darunter Interventionsstudien, Kohortenstudien und Fall-Kontroll-Studien) kam zu dem Ergebnis, dass eine Proteinzufuhr im Bereich von 1,2 – 1,5 g / kg Körpergewicht pro Tag sicher ist, wobei sich nur eine der untersuchten Studien auf den Zusammenhang zwischen der Proteinzufuhr und Nierenkrankheiten bezieht [Pedersen AN, Kondrup J, Børsheim E: Health effects of protein intake in healthy adults: a systematic literature review. Food Nutr Res 57 (2013)]."

Und weiter: "Es konnte ein schädlicher Effekt auf die Nierenfunktion bei einer Ernährungsweise mit einer Proteinzufuhr von 2 g / kg Körpergewicht oder mehr pro Tag über einen langen Zeitraum nicht ausgeschlossen werden."

Zudem kann laut Gahl "bei Personen mit eingeschränkter Nierenfunktion eine deutlich über dem Bedarf liegende Proteinzufuhr, verbunden mit einer erhöhten Bildung von Harnstoff, ein Fortschreiten der Niereninsuffizienz auslösen [Knight EL, Stampfer MJ, Hankinson SE et al.: The impact of protein intake on renal function decline in women with normal renal function or mild renal insufficiency. Ann Intern Med 138 (2003) 460 – 467 sowie: Fouque D, Laville M: Low protein diets for chronic kidney disease in non diabetic adults. Cochrane Database Syst Rev (2009) CD001892]."

Eine Studie unter Führung des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE) zeigte zudem, dass zu viel Eiweiß Übergewichtige schlechter auf Insulin reagieren lässt – und sich dadurch auch auf das Diabetes-Risiko auswirkt.

Und Produkte, die schon von Haus aus nicht gesund sind, werden es mithilfe von Protein wohl auch nicht. "Ganz absurd ist das bei Schokoriegeln", betont Gahl. Mittlerweile gibt es die Riegel als Protein-Variante zu kaufen. Gahl: "Man sollte seinen Protein-Bedarf nicht über Schokolade decken." (dpa/ajo)

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