Flüchtlingshilfe

Hilfe für Lesbos „nur in kleinen Schritten“

Auf der Insel Lesbos im Flüchtlingscamp Moria drängen sich immer mehr Menschen auf wenig Raum. Dr. Christoph Zenses will mit seinen Einsätzen vor Ort, das Elend der Menschen wenigstens ein bisschen lindern helfen.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Dr. Christoph Zenses versorgt Patienten auf Lesbos. Bei manchen von ihnen, sagt er, sei Hilfe nur in kleinen Schritten möglich.Â

Dr. Christoph Zenses versorgt Patienten auf Lesbos. Bei manchen von ihnen, sagt er, sei Hilfe nur in kleinen Schritten möglich.Â

© Christoph Zenses

KÖLN. Die verheerende Situation im Flüchtlingscamp Moria auf der griechischen Insel Lesbos lässt Dr. Christoph Zenses nicht mehr los. „Die Menschen dort brauchen dringend unsere Hilfe“, weiß der hausärztlich tätige Internist aus Solingen.

Im Camp Moria sind zurzeit rund 7500 Menschen untergebracht, obwohl es nur für 2500 ausgelegt ist. „Die Insel wird immer voller“ sagt Zenses. Die hygienischen Verhältnisse seien katastrophal, die Flüchtlinge lebten extrem beengt.

Sie leiden an einer Vielzahl unterschiedlicher Erkrankungen, die medizinische Versorgung ist völlig unzureichend, berichtet er. „Es fehlt an vielen Medikamenten, Hilfsmaterialien, teilweise sogar an Matratzen für die Bewohner.“

Um das Elend wenigstens etwas zu lindern, war der Arzt im März dieses Jahres bereits zum zweiten Mal ehrenamtlich auf der Insel im Einsatz. Zwei Wochen lang hat er täglich rund 100 Patienten versorgt, immer unterstützt von Dolmetschern.

„Man sieht völlig entgleiste chronische Erkrankungen, schwerst traumatisierte, teilweise psychotische Menschen, die nicht sprechen und nur geradeaus starren.“ Zu seinen Patienten gehörten auch vergewaltigte Frauen und Männer mit Schmerzen, Albträumen, Unruhe und diffusem Schwindel. „Hier ist die Hilfe sehr schwer und nur in kleinen Schritten möglich“, sagt er.

Opfer des Krieges

Während seines Aufenthaltes auf Lesbos hat Zenses auch Säureopfer, Menschen mit Verletzungen durch Explosionen, Schussverletzungen, Splitterbomben oder Haustrümmer gesehen und, wie er selbst sagt, „irgendwie immer versorgt“. Die Ärzte werden in dem Camp aber auch mit Erkrankungen konfrontiert, die sie aus ihrer „normalen“ Arbeit kennen: hoher Blutdruck, entgleister Diabetes, Infekte jeder Art, Ekzeme und Pilzbefall.

„Wir machen sehr viel improvisierte Medizin“, erzählt Zenses. Zwar gibt es ein Krankenhaus vor Ort, aber die Hürden sind hoch, um dort Flüchtlinge versorgen zu lassen.

Zenses war im Frühjahr 2018 das erste Mal auf Lesbos. „Das zweite Mal hat mich noch mehr bewegt, gerade weil sich nichts geändert hat“, sagt er. Die psychischen Belastungen der Flüchtlinge würden noch dadurch verstärkt, dass sie sich wie in einem Gefängnis fühlen und nicht wissen, wann sie wegkommen von der Insel.

Der Arzt ist froh, dass er in diesem Jahr ein hochwertiges Ultraschallgerät und Arzneimittel im Wert von mehreren 1000 Euro mit nach Lesbos nehmen konnte.

Gekauft wurden sie von dem Verein „Solingen hilft“, den Zenses gemeinsam mit anderen im Oktober 2018 gegründet hat und dessen Vorsitzender er ist. Ziel des Vereins ist die nachhaltige Verbesserung der Lebenssituation von benachteiligten Menschen im In- und Ausland. Moria ist ein Schwerpunkt der Arbeit.

Bundesverdienstkreuz hilft

Beim Einwerben von Spenden hilft dem Verein, dass der Arzt Ende vergangenen Jahres mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde.

Ein Bericht der „Ärzte Zeitung“ über seine Arbeit im Camp Moria im vergangenen Jahr hat eine Ärztin dazu motiviert, sich ebenfalls auf der Insel zu engagieren, berichtet Zenses.

Die auf Lesbos aktiven Nicht-Regierungsorganisationen, mit denen „Solingen hilft“ kooperiert, sind weiter auf die Mitarbeit von Ärzten und Pflegekräften angewiesen.

„Helfende Hände können wir immer brauchen.“ Jeder, der einen Abschluss als Arzt oder Krankenpfleger hat, könne auf Lesbos mitarbeiten. Interessenten müssen ihre Freizeit opfern, die Reisekosten übernimmt inzwischen „Solingen hilft“.

Im Camp Moria engagieren sich viele junge Ärzte aus unterschiedlichen Ländern, berichtet Zenses. „Man arbeitet in einer engagierten netten Gemeinschaft.“ Die Ärzte bilden häufig Teams mit Pflegekräften, Studierenden und Übersetzern.

Der 59-Jährige will im Herbst dieses Jahres selbst wieder los und dann wieder im kommenden Jahr. „Ich möchte noch lange weitermachen“, sagt Zenses. Im Moment sieht es nicht so aus, als könnte die Hilfe bald überflüssig werden.

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