Nach dem Kabinettsbeschluss
Spahns App-Gesetz erntet gemischtes Echo
Das Bundeskabinett hat das Digitale-Versorgung-Gesetz durchgewunken. Bald schon könnten Ärzte Apps verordnen dürfen. Eine spannende Debatte im Bundestag steht bevor: Regierung und Opposition bringen sich in Stellung.
Veröffentlicht:BERLIN. Gesundheits-Apps sollen verstärkt in die Versorgung. Auf diesen Standpunkt hat sich am Mittwoch das Bundeskabinett gestellt und das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) an den Bundestag weitergeleitet.
Der Gesetzentwurf sieht einen Anspruch von Patienten auf Gesundheits-Apps vor. Das könnten Diabetes-Tagebücher, Apps für Menschen mit Bluthochdruck, digitale Hilfen für Menschen mit Migräne oder für Schwangere sein, zählte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) nach der Kabinettssitzung konkrete Beispiele auf.
Nach einer Prüfung durch das BfArM auf Sicherheit, Funktion und Qualität, Datenschutz und Datensicherheit sollen Apps für ein Jahr eine vorläufige Zulassung erhalten.
In diesem Jahr können Ärzte die Produkte zu Lasten der Kassen verordnen. Erst nach Ablauf von zwölf Monaten sollen die Hersteller nachweisen müssen, dass ihr Produkt die Versorgung verbessert. „Wir haben das Evidenzniveau bewusst niedrig angesetzt“, hatte Spahn bei einer früheren Gelegenheit dazu angemerkt.
Hohes Kostenrisiko für Kassen?
Spahns Digitalgesetz
- Patienten erhalten Anspruch auf von den Kassen bezahlte digitale Versorgungsangebote.
- Das BfArM nimmt eine erste Sicherheitsprüfung bei Apps vor. Danach können Ärzte zwölf Monate zu Lasten der Kassen verschreiben. In dieser Zeit müssen sie Nutzennachweise generieren.
- Krankenkassen können aus ihren Rücklagen, also Versichertenbeiträgen, in die App- Entwicklung investieren.
Die Kassen reagierten mit Skepsis: „Tempo geht nicht vor Qualität“, sagte AOK-Bundesverbands-Chef Martin Litsch. Das Gesetz enthalte Vorgaben, dass digitale Gesundheitsanwendungen ohne ausreichende Überprüfung ihres gesundheitlichen Nutzens von den Kassen bezahlt werden müssten. Und zwar zu dem Preis, den der Hersteller gerne hätte. Das bedeute ein hohes Kostenrisiko für die gesetzliche Krankenversicherung, sagte Litsch.
Dass alleine das Bundesinstitut für Arzneimittel- und Medizinprodukte (BfArM) damit beauftragt sei zu entscheiden, ob eine App in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen werde, monierten die Ersatzkassen.
Deren Verbandschefin Ulrike Elsner plädierte stattdessen für ein zweistufiges Verfahren. Zunächst solle das BfArM Grundanforderungen wie Datenschutz- und -sicherheit überprüfen, anschließend der Gemeinsame Bundesausschuss als zuständiges Gremium für Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB) den Nutzen der Anwendungen binnen zwölf Monaten evaluieren. Als „Meilenstein“ bezeichnete BKK-Dachverbandsvorsitzender Franz Knieps die geplanten Möglichkeiten für die Kassen, selbst in die Entwicklung von Gesundheits-Apps einzusteigen.
Die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion Karin Maag, machte klar, dass Apps selbstverständlich einer Sicherheitsprüfung unterlägen. Zudem fordere sie den Nachweis eines positiven Effektes für die Nutzer bei Erkennung, Behandlung und Linderung von Krankheiten.
Mit dem DVG kommen weitere Änderungen auf die Ärzte zu. Sie sollen künftig auf ihren Internetseiten über Online-Angebote informieren dürfen. Die Aufklärung über Videosprechstunden soll nicht mehr zwingend einen persönlichen Erstkontakt voraussetzen, sondern ebenfalls über Video erfolgen können.
Zudem soll die Vergütung für das Versenden eines elektronischen Arztbriefes künftig höher liegen als für ein Fax. Ärzten, die sich der TI verweigern droht ab 1. März 2020 ein Honorarabzug von 2,5 Prozent.
„Papierloses“ Gesundheitswesen
Aus der Opposition wurden weiterreichende Forderungen zur Digitalisierung laut: „Ich hätte mir gewünscht, dass der Entwurf das komplett papierlose Gesundheitswesen zum Ziel hat“, sagte die FDP-Gesundheitspolitikerin Christine Aschenberg-Dugnus. Es fehle etwa die mobile Vernetzung des Pflegepersonals, eine krankenhausinterne Vernetzung, aber auch virtuelle Netzwerke zum Beispiel zwischen Hausärzten und der Uniklinik.
Eine umfassende Digitalisierungsstrategie vermissen die Grünen. „Es kann ja nicht primär darum gehen, dass irgendeine digitale App schneller im Gesundheitswesen eingesetzt wird, sondern es muss das Ziel sein, mit Hilfe der Digitalisierung einen konkreten Nutzen für das Gesundheitswesen und die Pflege zu erzielen“, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen Maria Klein-Schmeink.
Vor Mondpreisen bei digitalen Anwendungen warnte die Linke. „Dieses Gesetz dient der Wirtschafts- und nicht der Gesundheitsförderung“, meldete sich Linken-Gesundheitspolitiker Achim Kessler zu Wort. Die Beiträge der Versicherten dürften nicht für die Wirtschaftsförderung missbraucht werden.
Wir haben den Beitrag aktualisiert am 10.07.2019 um 16:44 Uhr.
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