TK warnt
Zu wenige Kleinkinder sind vollständig geimpft!
Die Techniker Krankenkasse schlägt Alarm: Gut die Hälfte der Kleinkinder sind unvollständig geimpft, heißt es im neuen TK-Innovationsreport.
Veröffentlicht:Berlin. Laut einer Analyse der Techniker Krankenkasse (TK) hat die Hälfte der 2016 in Deutschland geborenen Kinder bis zu ihrem zweiten Geburtstag nicht alle empfohlenen Immunisierungen erhalten.
Vollständig geimpft gegen Masern, Keuchhusten und Co. sind demnach nur knapp 47 Prozent der Kinder. 3,6 Prozent haben gar keine der von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlene Impfung bekommen.
Gegen Masern sind elf Prozent der überprüften Kinderkohorte unvollständig geimpft, sieben Prozent gar nicht. Die Impf-Auswertung ist Teil des „TK-Innovationsreports 2019“, der am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde.
Impfungen werden oft schlichtweg vergessen
„Wenn Kinder nicht alle notwendigen Teilimpfungen erhalten, sind sie nicht sicher immunisiert“, sagte TK-Chef Dr. Jens Baas. Die Kinder sollten daher schnell alle Impfungen erhalten. Die Voraussetzungen dafür seien gut, weil die Eltern ihre Kinder generell impfen ließen und folglich nicht zur Gruppe der Impfgegner gehörten, so Baas.
Es gebe zahlreiche Gründe, warum Impfungen fehlten. „Viele vergessen es einfach, bei anderen passt es gerade nicht.“ Teilimpfungen ließen sich aber meist „problemlos“ nachholen, ohne dass die Impfserie von vorn begonnen werden müsse.
Die Analyse der Impfdaten zeigt zudem starke regionale Unterschiede. Während die Anteile der nicht komplett geimpften Kleinkinder in Hessen bei 69 und in Sachsen bei 62 Prozent liegen, sind es in Sachsen-Anhalt und Brandenburg 39 und in Mecklenburg-Vorpommern 37 Prozent.
Praktische Hürden bemängelt
Die Psychologin Professor Cornelia Betsch von der Universität Erfurt sagte, die Mehrheit der Bundesbürger sei impfbereit. „Aber Impfen ist oft nicht einfach genug. Wenn ich jetzt dran denke, kann ich es aus verschiedenen Gründen nicht sofort umsetzen.“ Hinzu kämen praktische wie strukturelle Gründe. Dazu gehörten etwa Stress, Zeitnot oder ein als hoch empfundener Aufwand.
Erwachsenen sei oft auch nicht bekannt, dass oder wann sie sich impfen lassen sollten. Daher sei gezielt an das Impfen zu erinnern. Erinnerungssysteme führten nachweislich zu höheren Impfquoten, sagte Betsch, die zu Impfentscheidungen forscht. Auch Hausärzte stünden in der Pflicht.
Nur 40 Prozent der Praxen verfügten über ein freiwilliges Erinnerungssystem. Die Kosten müssten die Praxen selber tragen. Ein Problem sei auch, dass es in der Ärzteausbildung keinen Impfkurs mehr gebe.
Masern-Impfpflicht beschlossen
Erst kürzlich hatte die Barmer zu geringe Impfquoten bei Kindern beklagt und mehr Aufklärung gefordert.
Auch die Politik strebt höhere Impfquoten an. So sieht das kürzlich vom Bundeskabinett verabschiedete „Masernschutzgesetz“ eine Impfpflicht für Kinder sowie Beschäftigte in Kitas, Schulen sowie in Praxen und Kliniken vor.
Der Bundestag will sich am 18. Oktober erstmals mit dem von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) eingebrachten Entwurf befassen.
TK-Chef Baas betonte, eine Impfpflicht könne nur der „letzte“ Schritt sein. Wichtiger seien Aufklärung und die gezielte Ansprache der Versicherten. Den Krankenkassen seien jedoch auf Individualdaten basierende Informationen untersagt.
Eine Erinnerung an das Impfen stelle zudem eine „klassische Funktion“ für die elektronische Patientenakte dar. Diese soll ab 2021 allen Versicherten bereitstehen.
Psychologin Betsch wies daraufhin, dass bei Einführung einer teilweisen Impfpflicht andere freiwillige Impfungen als „weniger wichtig“ erscheinen oder von Impfskeptikern einfach weggelassen werden könnten.
Wir haben den Beitrag aktualisiert am 01.10.2019 um 15:16 Uhr.