Alternativer Drogenbericht

Von guten und bösen Drogen

Scheuklappen-Prinzip bei den legalen „Volksdrogen“ Alkohol und Tabak, eine überharte Gangart bei illegalen Substanzen wie Cannabis: Der neue alternative Drogenbericht lässt kein gutes Haar an der Drogen- und Suchtpolitik.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:
Kundgebung zum Weltnichtrauchertag in Berlin: Seit vielen Jahren mahnen Experten ein striktes Werbeverbot für Tabakprodukte an.

Kundgebung zum Weltnichtrauchertag in Berlin: Seit vielen Jahren mahnen Experten ein striktes Werbeverbot für Tabakprodukte an.

© Rainer Jensen / dpa / picture alliance

BERLIN. Suchtexperten haben der Bundesregierung große Versäumnisse in der Drogenpolitik vorgeworfen. Nach wie vor fehle es in Deutschland an einer schlüssigen und wissenschaftsbasierten Gesamtstrategie, sagte der Frankfurter Suchtforscher Professor Heino Stöver bei der Vorstellung des sechsten alternativen Drogen- und Suchtberichts am Freitag in Berlin.

Der Bericht wird vom Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik sowie der Deutschen Aidshilfe seit 2014 jährlich veröffentlicht. Die Autoren sehen das Buch auch als kritische Bestandsaufnahme des jährlichen Drogen- und Suchtberichts der Bundesregierung.

Forscher zerpflücken Drogenpolitik der Regierung

Deren Drogen- und Suchtpolitik sei „sehr zwiegespalten“, sagte Stöver. „Wir erleben auf der einen Seite eine sehr laxe Behandlung der legalen Volksdrogen Alkohol und Tabak und auf der anderen Seite eine fast lächerlich anmutende, radikale Strafverfolgung von Konsumenten illegaler Substanzen wie Cannabis.“

Die Folge sei, dass Deutschland in Europa bezüglich Tabak „Hochkonsumland“ sei. Die Raucherquote liege bei 30 Prozent – in England im Vergleich bei nur 15 Prozent. Auch konsumierten die Deutschen zu viel Bier und Schnaps. „Wir trinken zehn Liter reinen Alkohol pro Kopf und Jahr“, so Stöver. Dabei seien Babys und Senioren eingerechnet. Eine wirksame Tabak- und Alkoholprävention fehle weitgehend.

Deutschland sei europaweit zudem das einzige Land, in dem es kein generelles Werbeverbot für Tabak- und Alkohol gebe. Dabei seien die gesundheitlichen Schädigungen gewaltig. Dazu gehöre auch das Phänomen des „Passivtrinkens“. Darunter fielen Menschen, die unwissentlich durch Alkohol geschädigt würden – etwa im Straßenverkehr oder im Rahmen häuslicher Gewalt.

Von 400.000 Fällen häuslicher Gewalt stünden 75 Prozent im Zusammenhang mit Alkohol, rechnete Stöver vor. 7,5 Prozent aller tödlichen Unfälle wiederum stünden in einem Zusammenhang mit Alkoholkonsum. „Das ist nicht länger hinzunehmen“; so Stöver.

Werbung für E-Zigaretten ok?

Auch Dietmar Jazbinsek, Fachjournalist für Präventionspolitik und Mitautor des alternativen Suchtberichts, warb dafür, Tabakwerbung zu untersagen. Nicht nur die Außenwerbung für Zigaretten, auch das Sponsoring von Events durch Tabakfirmen gehörten verboten.

Die Werbung für E-Zigaretten dagegen könne helfen, „Raucher zum Umstieg auf ein wesentlich weniger schädliches Nikotinprodukt zu motivieren“, so Jazbinsek. „Auch wenn Tabakkonzerne und Ärzteverbände etwas anderes behaupten.“

Zuletzt hatte unter anderem die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin vor einer Verharmlosung von E-Zigaretten gewarnt. Insbesondere werdende Eltern müssten über die Gefahren der E-Zigarette aufgeklärt werden. Erhebungen legten nahe, dass vor allem Schwangere die Risiken unterschätzten und fälschlicherweise meinten, E-Zigaretten könnten ihnen bei der Tabakentwöhnung helfen.

Michal Dobrajc, Vorsitzender des Branchenverbands der E-Zigaretten-Hersteller VdeH, betonte dagegen, es sei an der Zeit, „endlich auch das positive Potenzial der E-Zigarette anzuerkennen“. Viele Raucher versuchen erst gar nicht, auf die E-Zigarette umzusteigen, oder rauchten nebenher weiter. „Werbung für E-Zigaretten kann einen Beitrag dazu leisten, Raucher zum Verzicht auf Tabakprodukte zu bewegen und dadurch die Zahl der Tabaktoten zu senken“, so Dobrajc.

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